European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128951
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Im vorliegenden Zuständigkeitsstreit ist strittig, ob der zwischen der Insolvenzschuldnerin als Bestandgeberin und der Beklagten als Bestandnehmerin einer in Österreich gelegenen Hotelliegenschaft im Jahr 2007 abgeschlossene und im März 2016 vom Kläger aufgelöste „Pachtvertrag“ als Pacht einer unbeweglichen Sache im Sinn des Art 24 Nr 1 EuGVVO 2012 zu qualifizieren ist. Die Vorinstanzen verneinten dies, weshalb die Klage auf Zahlung (ua von ausständigen Pachtzinsen) mit Rücksicht auf eine auf eine deutsche Stadt lautende Gerichtsstandvereinbarung wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers dagegen zeigt keine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
1.1. Gemäß Art 24 Nr 1 EuGVVO 2012 sind für Verfahren, die dingliche Rechte sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.
1.2. Der Grund für die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts desjenigen Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache liegt, ist darin zu erblicken, dass Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen im Allgemeinen durch besondere Rechtsvorschriften geregelt sind, deren Anwendung wegen ihrer Kompliziertheit besser den Gerichten des Landes ausschließlich überlassen bleiben soll, in denen sie gelten; diese Bestimmung ist aber nicht weiter auszulegen, als es ihr Ziel erforderlich macht. Diese Überlegungen gelten nicht, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags anderer Natur ist, wie im Fall eines Vertrags über die Verpachtung eines Ladengeschäfts, das in einer vom Verpächter von einem Dritten gemieteten unbeweglichen Sache betrieben wird (EuGH 14. 12. 1977, 73/77 Sanders/van der Putte). Darüber hinaus soll der Zwangsgerichtsstand eine zweckmäßige Zuständigkeitsverteilung dadurch gewährleisten, dass er dem durch die Nähe zu der unbeweglichen Sache bestimmten Gericht für die Zuständigkeit den Vorzug gibt, da dieses eher in der Lage ist, sich eine unmittelbare Kenntnis von den sich auf den Abschluss und die Durchführung von Miet- und Pachtverträgen über unbewegliche Sachen beziehenden Sachverhalten zu verschaffen (EuGH 15. 1. 1985 241/83 Rösler/Rottwinkel).
1.3. In der Entscheidung 2 Ob 63/13y hat der Oberste Gerichtshof in vergleichbarem Zusammenhang klargestellt, dass die Erwägungen des EuGH zum „Ladengeschäft“ auch dann gelten, wenn die Liegenschaft– die Teil des Betriebs (zwei Hotelbetriebe und ein Restaurant) ist – im Eigentum des Unternehmensverpächters steht. Eine Klage (dort ebenfalls auf Zahlung ua von Pachtzins) aus dem Unternehmenspachtverhältnis unterliege daher nicht dem Zwangsgerichtsstand des Art 22 EuGVVO alt.
1.4. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist daher „ausreichende Judikatur für eine abschließende Beurteilung“ der Frage der Anwendbarkeit des Art 24 Nr 1 EuGVVO 2012 für den Rechtsstreit über die erhobene Klage vorhanden.
2. Die vom Kläger gerügten Mängel des Rekursverfahrens wurden geprüft, sie liegen aber nicht vor. Er vermag nicht nachvollziehbar aufzuzeigen, warum das Rekursgericht Argumente der Rechtsrüge im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge behandeln hätte sollen, weshalb eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Beweisrüge zu verneinen ist (vgl RS0043150).
3. Jene Ausführungen, die der Kläger sowohl unter dem Titel einer Mängel- als auch als einer Rechtsrüge tätigt, die ua aus der Verwendung des Worts „plausibel“ die Anwendung eines unzutreffenden Regelbeweismaßes ableiten und dem Rekursgericht zum Vorwurf machen, es scheine der Meinung zu sein, von den Feststellungen des Erstgerichts nicht abgehen zu können, stellen inhaltlich nichts anderes als die in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen (RS0069246) dar.
4. Im Übrigen vermag der Kläger eine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen nicht aufzuzeigen:
4.1. Bei der Lösung der strittigen Zuständigkeitsfrage geht es nicht darum, ob der Bestandvertrag zivil- oder steuerrechtlich als Immobilien- oder als Unternehmenspachtvertrag zu qualifizieren ist, sondern um die Ermittlung des Hauptgegenstands des konkreten Bestandvertrags durch dessen Auslegung.
4.2. Die Inbestandgabe nicht nur der Liegenschaft samt Hotelgebäude(n), sondern auch der Einrichtungen und technischen Anlage ausgenommen Kleininventar) kam – wie der Kläger im Rekurs mehrfach und ausführlich betonte – für die Insolvenzschuldnerin aus zahlreichen Gründen ausschließlich an einen Bestandnehmer in Betracht, der in der Lage ist, den Luxus-Hotelbetrieb (weiter‑)zuführen. Der überwiegende Zweck des Bestandvertrags lag demnach im Erhalt des bestehenden exklusiven Hotelbetriebs in seiner konkreten Gestalt durch einen Dritten, nicht hingegen in der Überlassung der Liegenschaft an (irgend‑)einen Dritten zur beliebigen Nutzung. Der genannte Zweck sollte durch zahlreiche Vertragsbestimmungen, die allgemein als Kriterien eines Unternehmenspachtvertrags angesehen werden (zB eine spezielle Betriebspflicht), sichergestellt werden, weshalb der Inhalt des Bestandvertrags einem Pachtvertrag, mit dem der Eigentümer einer Liegenschaft sein darauf betriebenes Unternehmen an einen Dritten verpachtet, jedenfalls sehr nahe kommt. Wenn der Kläger darauf hinweist, dass der Betrieb nur am konkreten Standort und nicht in einer anderen Immobilie hätte fortgeführt werden können, so macht dies die unbewegliche Sache nicht zum Hauptgegenstand des Vertrags, sondern belegt die zentrale Bedeutung der vereinbarten Nutzung der Liegenschaft (Weiterbetrieb als Luxushotel) für den Abschluss des Pachtvertrags.
4.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, den Hauptgegenstand des hier zu beurteilenden Bestandvertrags bilde die Sicherung des Fortbestands des bestehenden besonderen Hotelbetriebs auf der Liegenschaft der Insolvenzschuldnerin, nicht jedoch deren damit verbundene Überlassung zur Nutzung, stellt daher eine vertretbare Auslegung des Pachtvertrags dar. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar wäre (RS0042936 [T17]). Dass der Zusammenfall von Verpächter und Liegenschaftseigentümer der Verneinung des Zwangsgerichtsstands nicht entgegensteht, hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt (2 Ob 63/13y).
5. Diesem Ergebnis steht im konkreten Einzelfall auch nicht der bereits dargestellte Zweck der Regelung des Art 24 Nr 1 EuGVVO 2012 entgegen.
5.1. Die Hotelliegenschaft wurde vom Kläger als Insolvenzverwalter der Bestandgeberin schon mehr als ein Jahr vor Klageeinbringung an einen Dritten verkauft. Es ist daher – und zwar bezogen schon auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung – weder sichergestellt, dass der nunmehrige Eigentümer einer Befundaufnahme durch einen im vorliegenden Prozess bestellten Sachverständigen zulassen wird, noch ist zu erwarten, dass sich der Zustand der Liegenschaft und des Hotels gegenüber dem strittigen Zeitraum (September 2014 bis März 2016) nicht verändert hat. Ein (möglicher) Vorteil wegen der Nähe des Gerichts zur Liegenschaft ist daher im gegebenen Zusammenhang vernachlässigbar.
5.2. Der weitere Zweck der Anwendung des (in der Regel speziellen) „eigenen“ materiellen Rechts durch das Gericht der gelegenen Sache kommt hier ebenfalls nicht zum Tragen, weil die Partei die Anwendungen des deutschen materiellen Rechts auf den vorliegenden Vertrag vereinbarten.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).
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