European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00039.16F.0427.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 688,92 EUR (hierin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit die Revisionswerberin die vom Erstgericht angenommene konkludente Einräumung der strittigen Servitut bestreitet, ist sie auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach ihr Rechtsvorgänger den Rechtsvorgängern der Kläger die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens und Parkens ausdrücklich eingeräumt hat.
2.1. Eine ‑ wie hier ‑ nicht verbücherte Dienstbarkeit, die nicht offenkundig ist, erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks (RIS‑Justiz RS0012151). Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, ist es erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war (RIS‑Justiz RS0034776 [T1]).
2.2. Der redliche Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf ‑ auch nur leichter ‑ Fahrlässigkeit beruht (RIS‑Justiz RS0034776 [T4, T6, T11, T23]). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen zwar nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (RIS‑Justiz RS0034776 [T3]), er muss allerdings Nachforschungen anstellen, wenn der indizierte Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen, wenn sich also nach den Umständen des Einzelfalls konkrete Bedenken ergeben (RIS‑Justiz RS0034776 [T13, T22]).
2.3. Eine solche Nachforschungspflicht ist etwa dann anzunehmen, wenn vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (= offenkundige Servitut), wie etwa ein Zugangstor, das bei einer von Wegerechten freien Liegenschaft keine Funktion hätte (5 Ob 270/03x = RIS‑Justiz RS0034803 [T13]). Offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeiten, die dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft bekannt sind oder bekannt sein müssten, werden sachenrechtlich wie eingetragene Dienstbarkeiten behandelt (RIS‑Justiz RS0034803 [T11]).
3.1. Der Revisionswerberin ist zuzugestehen, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen für sie durch die bei Erwerb der Liegenschaft am Haus und der Garage des Verkäufers angebrachten Hinweistafeln auf das von der Erstklägerin im Haus der Kläger betriebene Unternehmen noch keine Nachforschungspflicht entstand: Aufgrund dieser Tafeln musste die Beklagte zwar damit rechnen, dass (auch) Kunden der Kläger über die von ihr erworbene Liegenschaft zum Grundstück der Kläger zufahren. Angesichts der am Haus des Verkäufers ebenfalls angebrachten Tafel „Zufahrt und Parken bis auf Widerruf gestattet“ war für die Beklagte allerdings noch nicht offenkundig, dass ‑ entgegen der Zusicherung im schriftlichen Kaufvertrag ‑ eine nicht verbücherte Dienstbarkeit bestehen könnte.
3.2. Daraus ist für die Revisionswerberin aber im Ergebnis nichts zu gewinnen: Der auf ihrer Liegenschaft an der Grenze zum Grundstück der Kläger verlaufende, mehrere Meter breite asphaltierte Weg und das Gartentor, durch das man vom Grundstück der Kläger auf die Liegenschaft (den Weg) der Beklagten gelangen kann und das ohne Wegerecht funktionslos wäre, indizierten das Bestehen zumindest eines Gehrechts der Kläger. Die Beklagte wäre deshalb gehalten gewesen, diesbezüglich Nachforschungen anzustellen, sich also nicht auf die Auskünfte ihres Vertragspartners zu verlassen, sondern bei den Klägern als den potenziell Berechtigten nachzufragen. Hätte sie dies nicht ‑ fahrlässig ‑ unterlassen, hätte sie Kenntnis vom Bestand und Umfang der nicht verbücherten Servitut erlangt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035962).
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