OGH 3Ob3/01i

OGH3Ob3/01i29.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei P*****, vertreten durch den Notgeschäftsführer Dr. Günther Hummer, Rechtsanwalt, Wien 1, Schottengasse 7, wegen S 2 Mio, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei, vertreten durch den Notgeschäftsführer Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt, Wien 1, Tuchlauben 11, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22. November 2000, GZ 46 R 1031/99d-1033/99y, 46 R 1480/99h-42, womit die Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 14. Jänner, 6. April, 21. Mai und 1. Juni 1999, GZ 11 E 6/99w-2, 8, 14 und 19, sowie der Antrag ON 40 zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse ON 2, 8 und 19 richtet, nicht Folge gegeben.

Im Übrigen wird ihm Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird, soweit damit der gegen den Beschluss ON 14 erhobene Rekurs zurückgewiesen wurde, sowie in seinem Punkt 2.) aufgehoben. Dem Rekursgericht wird insofern die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind wie weitere Kosten des Rekursverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Auf Grund eines vollstreckbaren Notariatsaktes vom 22. 7. 1993 bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 14. 1. 1999 (ON 2) der betreibenden Partei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 2 Mio die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft. Im Exekutionsantrag hatte die betreibende Partei als Notgeschäftsführer der verpflichteten Partei Dr. Günther Hummer, Rechtsanwalt in Wien, angegeben und vorgebracht, dass dieser mit Beschluss des HG Wien als Firmenbuchgericht vom 6. 12. 1996 [richtig: 27. 11. 1996] bestellt worden sei. Dieser zu 73 Fr 9325/96v ergangene Beschluss beschränkt den Wirkungskreis des als selbständig vertretungsbefugt bezeichneten Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG auf die Vertretung der Gesellschaft "im Gerichtsverfahren zwischen der Gesellschaft und der C*****". In der Begründung wird ausgeführt, dass der bisherige Geschäftsführer unbekannten Aufenthalt sei und die C***** mit der Behauptung der Notwendigkeit der Vertretung der Gesellschaft im anhängigen Gerichtsverfahren die Bestellung eines Geschäftsführers durch das Gericht beantragt habe. Mit Beschluss vom 2. 7. 1997 bestellte das Handelsgericht Wien zu Fr 1969/97d über Antrag der "Magistratsdirektion der Stadt Wien" Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der verpflichteten GmbH gemäß § 15a GmbHG. Mit Beschluss vom 18. 7. 1999 ergänzte das Handelsgericht den zuletzt genannten Beschluss im Spruch dahin, dass dieser zu lauten hatte:

"Zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer gemäß § 15a GmbHG, ausgenommen die Vertretung der Gesellschaft im Gerichtsverfahren gegen die C***** wird Dr. Eric Agstner ... bestellt." Dies wurde damit begründet, dass bereits mit Beschluss vom 27. 11. 1996 Dr. Günther Hummer eingeschränkt auf die Vertretung der Gesellschaft im Verfahren gegen die C***** bestellt worden sei.

Mittlerweile hatte das Erstgericht mit Beschluss ON 8 das Versteigerungsedikt und die Aufforderung zur Anmeldung erlassen und einen Versteigerungstermin bestimmt. Mit Beschluss vom 21. 5. 1999 (ON 14) erteilte es den Zuschlag an zwei Ersteher um das Meistbot von S 6,901.000,-- je zur Hälfte. Empfänger sämtlicher für die verpflichtete Partei bestimmten Zustellungen war deren Notgeschäftsführer Dr. Günther Hummer.

Gegen die Beschlüsse ON 2, 8 und 14 erhob die verpflichtete Partei, vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Eric Agstner, Rekurs im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie seit 2. 7. 1997 durch den Genannten als Geschäftsführer gemäß § 15a GmbHG vertreten werde, weshalb sämtliche Zustellungen an ihn hätten erfolgen müssen. Zugleich erhob sie Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung und beantragte, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie den Erstehern und deren Verwalter bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens und Erteilung eines allfälligen neuerlichen Zuschlages Verwaltungsmaßnahmen gegenüber den Mietern zu untersagen. Mit Beschluss vom 1. 6. 1999 (ON 19) versagte das Erstgericht dem Rekurs die aufschiebende Wirkung und wies den Antrag betreffend die Untersagung von Verwaltungsmaßnahmen ab und den Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung zurück.

Den zuletzt genannten Beschluss bekämpft die verpflichtete Partei, vertreten durch Dr. Eric Agstner, mit einem weiteren Rekurs, mit dem sie die ersatzlose Behebung des Beschlusses auf Zurückweisung des Widerspruches stellt.

Das Rekursgericht wies die von der verpflichteten Partei, vertreten durch den Notgeschäftsführer Dr. Agstner gegen die Beschlüsse ON 2, 8, 14 und 19 erhobenen Rekurse ebenso zurück (Punkt 1.) wie weitere von ihr direkt an das Rekursgericht gerichtete (in Punkt 2. seiner Entscheidung angeführte) Anträge. Zu Punkt 1. seiner Entscheidung sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 318/99g folge, dass der Notgeschäftsführer Dr. Hummer im Zwangsversteigerungsverfahren gegen die verpflichtete Partei vertretungsbefugt sei, und zwar auch im Verhältnis zur beigetretenen betreibenden Gläubigerin. Demnach seien nicht nur die Beschlüsse ON 2, 8 und 14 der verpflichteten Partei wirksam zugestellt worden, sondern es fehle auch dem für sie einschreitenden Dr. Agstner die Vertretungsbefugnis.

Gegen die gesamte Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der durch Dr. Agstner vertretenen verpflichteten Partei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Revisionsrekurswerberin zu Recht geltend macht, dass es an einer Rechtsprechung des OGH zur Frage der Abgrenzung der Vertretungsmacht mehrere Notgeschäftsführer einer GmbH im Exekutionsverfahren fehlt. (Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dassbezüglich Punkt 2. der angefochtenen Entscheidung ebenfalls § 528 ZPO [zumindest analog] anzuwenden ist, auch wenn es sich dabei um eine Entscheidung im Rahmen des Rekursverfahrens, jedoch nicht um eine über einen Rekurs gegen einen Beschluss erster Instanz handelt. Dies erscheint zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches [wie Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 1 zu § 528 mN zutreffend ausführt] erforderlich. Auch wenn das Rekursgericht zu diesem Entscheidungsteil keinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels gemacht hat, kann ohne weiteres über den [insoweit eigentlich vorliegenden] Rekurs entschieden werden, weil die verpflichtete Partei ohnehin erhebliche Rechtsfragen releviert hat, das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen [abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen] einseitig ist und auch im Hinblick auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes ein Vorgehen nach § 528 Abs 2a ZPO nicht in Betracht kommt.)

Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Zu Recht wendet sich die verpflichtete Partei durch ihren im Firmenbuch eingetragenen Notgeschäftsführer gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, aus der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung 3 Ob 318/99g folge, dass diesem im vorliegenden Exekutionsverfahren die Vertretungsbefugnis fehle. Vielmehr hat der erkennende Senat darin an der Rechtsprechung festgehalten, dass auch die Vertretungsbefugnis eines Notgeschäftsführers nach § 20 Abs 2 GmbHG (im Gegensatz zur Geschäftsführungsbefugnis) stets unbeschränkt sei, und daraus abgeleitet, dass Dr. Hummer im Exekutionsverfahren von Anfang an und mangels Enthebung nach wie vor vertretungsberechtigt sei. Über die Vertretungsbefugnis des später bestellten und im Gegensatz zu Dr. Hummer auch im Firmenbuch eingetragenen Notgeschäftsführers Dr. Agstner, der die vom Rekursgericht behandelten Anträge für die verpflichtete Partei eingebracht hat, lässt sich dieser Entscheidung keine ausdrückliche Aussage entnehmen. Keineswegs folgt aus ihr aber, dem Genannten fehle die Vertretungsbefugnis. Dies stünde ja wiederum im Gegensatz zur Rechtsprechung über die sich aus § 20 Abs 2 GmbHG ergebende Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Notgeschäftsführers (SZ 58/181 = JBl 1986, 242 = RdW 1986, 41 = HS 16.237 = HS 16.253), an der der erkennende Senat mit der zitierten Entscheidung festhielt.

Selbstverständlich kann auch für den (im Gegensatz zu dem wegen seines beschränkten Wirkungskreises nicht ins Firmenbuch eingetragenen Notgeschäftsführer Dr. Hummer) auch im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer Dr. Agstner nichts anderes gelten, weil es eben - vice versa - auch bei ihm auf die vom Firmenbuchgericht verfügte Beschränkung seines Tätigkeitsbereiches nur im Innenverhältnis, nicht aber für die Frage der Vertretung im Exekutionsverfahren ankommen kann. Eine Kollektivvertretungsbefugnis beider Notgeschäftsführer iSd § 18 Abs 2 GmbHG liegt jedenfalls für den Bereich dieses Exekutionsverfahrens nicht vor, sind doch diese in den Bestellungsbeschlüssen jeweils ausdrücklich als selbstständig vertretungsbefugt bestellt worden, was einer von der gesetzlichen Regel abweichenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag gleichzuhalten ist. Für die Wirksamkeit dieser Vertretungsregel kann es auf ein alfälliges Abweichen vom Gesellschaftsvertrag nicht ankommen (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I**2 Rz 2/63; Koppensteiner, GmbHG**2 Rz 10 zu § 15a; ebenso offenbar Kostner/Umfahrer, GmbH5 Rz 201; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 371).

Daraus folgt zwar, dass das Rekursgericht zu Unrecht die Vertretungsbefugnis des Notgeschäftsführers Dr. Agstner verneint hat, zumal, wie sich aus § 78 EO iVm § 41 Abs 3 ZPO ableiten lässt, der Vertretung durch mehrere Vertreter kein grundsätzliches prozessuales Hindernis entgegensteht. Darauf, dass dessen Tätigkeitsbereich im Innenverhältnis vom Firmenbuch offenbar komplementär zu dem des Dr. Hummer sein und damit die vorliegenden (gemeinsam geführten) Zwangsversteigerungsverfahren nicht umfassen sollte, kommt es nämlich eben nicht an. Dennoch ist die angefochtene Entscheidung teilweise zu bestätigen.

Wie sich aus dem (führenden) Exekutionsakt ergibt, wurden alle angefochtenen Beschlüsse dem Notgeschäftsführer Dr. Hummer zugestellt: ON 2 (die Exekutionsbewilligung) am 3. 2. 1999, ON 8 am 12. 4. 1999 jeweils mit GeoForm 31a (blau) an ihn persönlich sowie ON 14 (der Beschluss über die Zuschlagserteilung) jedenfalls nicht früher als am 27. 5. 1999 an einen Mitarbeiter mit GeoForm 30a. Die Zustellung an einen Angestellten (Mitarbeiter) des Notgeschäftsführers ist - soweit, was bei dem Beschluss über die Erteilung des Zuschlags nicht der Fall ist (§ 183 Abs 1 EO), die Zustellung nicht zu eigenen Handen erfolgen muss - nach § 16 ZustG ausreichend. Der Beschluss ON 19 wurde wiederum an Dr. Hummer persönlich am 7. 6. 1999 (mit GeoForm 30a) zugestellt.

Somit wurde der am 31. 5. 1999 beim Erstgericht von Dr. Agstner überreichte Rekurs, soweit er sich gegen die Beschlüsse ON 2 und 8 richtet, nach Ablauf der vierzehntägigen Rekursfrist eingebracht und wurde somit vom Rekursgericht zu Recht, wenn auch richtigerweise wegen Verspätung statt wegen mangelnder Vertretungsbefugnis des Einschreiters, zurückgewiesen. In diesem Umfang war daher die Entscheidung des Rekursgerichtes zu bestätigen.

Dasselbe gilt aber auch für den Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichtes ON 19, auch wenn dieses Rechtsmittel bezogen auf die (zusätzlich erfolgte) Zustellung an Dr. Agstner als rechtzeitig erscheinen könnte. Da der Beschluss aber bereits am 7. 6. 1999 an Dr. Hummer persönlich zugestellt worden war, konnte die nochmalig Zustellung an den anderen Notgeschäftsführer keine neue Rechtsmittelfrist auslösen. Demnach wurde auch dieser am 14. 7. 1999 zur Post gegebene Rekurs verspätet eingebracht und wurde somit im Ergebnis vom Rekursgericht zu Recht zurückgewiesen.

Lediglich die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss ON 14, der innerhalb der ab der Zustellung an Dr. Hummer laufenden Rekursfrist erhoben wurde, und des direkt an das Rekursgericht gestellten Antrags ON 40 vom 5. 10. 2000 erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet. Da die Vertretungsbefugnis des Notgeschäftsführers Dr. Agstner vorliegt, war dieser Teil der angefochtenen Entscheidung aufzuheben. Das Rekursgericht wird insoweit unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtslage neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.

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