OGH 3Ob282/06a

OGH3Ob282/06a29.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. E. Solé als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Alfred Z*****, vertreten durch Handler Rechtsanwalt GmbH in Deutschlandsberg, wider die verpflichtete Partei Mag. Irmgard K*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Exekution zur Erwirkung vertretbarer Handlungen (§ 353 EO), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 13. Dezember 2006, GZ 4 R 321/06i-11, womit aus Anlass des Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 16. August 2006, GZ 2 E 3610/06g-2, als nichtig aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob sich die örtliche Zuständigkeit des Exekutionsgerichts für die Exekution nach § 353 EO danach bestimmt, in welchem Sprengel sich die Sache befindet (§ 18 Z 4 erster Fall EO; in casu: Deutschlandsberg) oder nach der ersten vorzunehmenden Exekutionshandlung (§ 18 Z 4 zweiter Fall EO; in casu:

Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses am Wohnort des Verpflichteten in Graz).

Das Erstgericht ermächtigte den Betreibenden auf Kosten der Verpflichteten den an der Ostseite eines Hauses in Deutschlandsberg auf das Grundstück des Betreibenden ragenden Überbau durch Abmontieren zu entfernen, trug der Verpflichteten auf, die für diese Arbeiten voraussichtlich anfallenden Kosten binnen 14 Tagen vorauszuzahlen und bewilligte zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags die Fahrnis- und Forderungsexekution, um überdies das Verfahren zur Fahrnis- und Forderungsexekution auszuscheiden und gemäß § 44 JN dem Bezirksgericht Graz zu überweisen. Aus Anlass des Rekurses der Verpflichteten hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss wegen (örtlicher) Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts Deutschlandsberg als nichtig auf und überwies den Exekutionsantrag gemäß § 44 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Graz. Den Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, seine Entscheidung folge zwar der veröffentlichten Rsp und Lehre, davon weiche aber die zuletzt veröffentlichte Rechtsmeinung von Zangl (Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution, 162 ff) ab. Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 18 Z 4 EO sieht in allen Fällen, in denen die Zuständigkeitsnormen seiner Z 1 bis 3 nicht zum Tragen kommen, zwei Varianten vor. Im ersten Fall ist das inländische Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel sich bei Beginn des Exekutionsvollzugs die Sachen befinden, auf welche Exekution geführt wird. Im zweiten Fall ist in Ermangelung solcher Sachen das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen ist. Heller/Berger/Stix (EO4 313) führen dazu aus, unter „Sachen, auf welche Exekution geführt wird" seien nicht nur Exekutionsobjekte, die im Rahmen der Exekution gepfändet werden sollten, zu verstehen, sondern im weiteren Sinne alle Sachen (Einzelsachen, Gesamtsachen, Unternehmen etc.), auf die sich die Exekution mittelbar oder unmittelbar beziehe, die durch die Exekutionsführung betroffen seien, das heißt, die Gegenstand einer Vollzugshandlung seien, wie etwa die gemieteten Räume bei der Exekution auf Mietrechte, die Betriebsstätte (Sitz) einer Gesellschaft bei der Exekution auf Gesellschaftsrechte, die herauszugebenden Sachen, die zu räumende Wohnung etc. Diese Auslegung des Begriffs „Sachen, auf welche Exekution geführt" werde, gewährleiste das Einschreiten des in örtlicher Hinsicht zur Durchführung des Vollzugs am nächsten gelegenen Gerichts und schalte überflüssige Rechtshilfeersuchen aus. Nur dann, wenn nach dem Inhalt des Anspruchs die Exekution nicht „auf die Sache" geführt werde, wie etwa bei der Erwirkung von vertretbaren Handlungen (Heller/Berger/Stix aaO und 320) und unvertretbaren Handlungen, bei Duldungen und Unterlassungen oder bei Exekutionen auf andere Vermögensrechte, die sich auf Sachen beziehen, deren örtliche Lage nicht bekannt ist, wie etwa bei der Exekution auf Miteigentum an beweglichen körperlichen Sachen oder auf ähnliche Auseinandersetzungsansprüche, richte sich Zuständigkeit nach dem Ort, an dem die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen sei. Jakusch (in Angst, EO, § 18 Rz 9) führt aus, als Sache in diesem Sinn sei nicht nur das Exekutionsobjekt im engeren Sinn zu verstehen, es sei dies vielmehr jede Sache, in Ansehung derer Exekutionshandlungen vorzunehmen seien. Der genannte Autor nimmt dann auch zu verschiedenen Exekutionsarten Stellung, allerdings nicht zur Exekution nach § 353 EO.

Zangl übernimmt in ihrer 2005 erschienenen Monographie Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution, 162 ff zwar die allgemeinen Erwägungen von Heller/Berger/Stix, geht aber dann davon aus, die Zuständigkeitsbestimmung des § 18 Z 4 erster Fall EO beruhe offensichtlich darauf, dass das Gericht, in dessen Sprengel reale Handlungen vorzunehmen seien, am besten für den Vollzug geeignet sei. Primär sei daher für die örtliche Zuständigkeit die Lage der Sachen, auf welche Exekution geführt werde, maßgeblich. Nur dann, wenn solche Sachen nicht vorhanden seien, richte sich die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts - nach dem Subsidiaritätsverhältnis (arg.: in Ermangelung) - nach dem Ort, an dem die erste Exekutionshandlung vorzunehmen sei. Dem Gesetzgeber sei bei Schaffung des § 18 EO offenbar die Zuständigkeit für die Exekution wegen Geldforderungen auf körperliche Sachen vor Augen gestanden. Die von Heller/Berger/Stix (aaO) genannten Gründe träfen auch bei der Exekution nach § 353 EO zu. Sei daher nach Inhalt des vollstreckbaren Anspruchs eine „Sache", wie etwa bei Wiederherstellungsarbeiten oder Beseitigungsmaßnahmen eine Wohnung oder ein Grundstück, von der Exekutionsführung nach § 353 EO betroffen, richte sich die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts nach dem ersten Fall des § 18 Z 4 EO und nicht nach dessen zweiten Fall. Diese Auslegung erspare nicht nur ein Vollzugsersuchen, wenn der Wohnsitz oder Sitz des Verpflichteten von dem Ort, an dem die Handlung zu erbringen sei, abweiche. Es ergäben sich auch dann keine Schwierigkeiten, wenn sich die Wohnsitze (Sitze) mehrerer Verpflichteter, die zur Vornahme einer Handlung verpflichtet seien, in verschiedenen Gerichtssprengeln befänden. Diese Auslegung führe auch zu dem erfreulichen Ergebnis, dass es keine Zuständigungsspaltung gebe, wenn der der Exekution zugrunde liegende Titel kombiniert nach § 353 EO und nach § 346 EO oder kombiniert mit § 349 EO zu vollstrecken sei. Ferner ergäben sich auch dann keine Schwierigkeiten, wenn die verpflichtete Partei ihren Wohnsitz bzw. Sitz im Ausland habe.

Zur Exekution zur Erwirkung vertretbarer Handlungen gemäß § 353 EO wird in der zweitinstanzlichen - drittinstanzliche Rsp fehlt dazu - Judikatur (RPflE 1964/182 und 1988/96) ebenso wie in der Lehre (Heller/Berger/Stix aaO 320; Seiser in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 18 Rz 9; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 353 Rz 18 unter Hinweis auf die beiden genannten zweitinstanzlichen Entscheidungen des LG ZRS Wien) die Meinung vertreten, dass sich die Zuständigkeit nach dem zweiten Fall des § 18 Z 4 EO richte.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Nach der Rsp (3 Ob 366/97p = SZ 71/28, 3 Ob 44/02w = SZ 2002/71 u.a.; RIS-Justiz RS0004706) ist eine Handlung dann iSd § 353 EO vertretbar, wenn sie nicht nur der Verpflichtete, sondern auch ein Dritter vornehmen kann, ohne dass es für den betreibenden Gläubiger einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Unterschied macht. Die Exekution nach § 353 EO besteht in der Erteilung der Ermächtigung an den betreibenden Gläubiger durch das Gericht, auf Kosten des Verpflichteten die vertretbare Handlung (in casu: Entfernung eines auf das Grundstück des Betreibenden ragenden Überbaus) durch Dritte vornehmen zu lassen oder allenfalls auch selbst vorzunehmen (Abs 1) sowie in der Regel im Auftrag zur Vorauszahlung der dabei auflaufenden Kosten durch den Verpflichteten (Abs 2). Im Gegensatz zu den §§ 346 und 349 EO, die sich auf die Herausgabe oder Leistung körperlicher bzw. unbeweglicher Sachen richten, zielt § 353 EO auf die Erwirkung einer Handlung als unmittelbares Ziel der Vollstreckung ab. § 353 EO sieht im Gegensatz zu §§ 346 ff, 349 EO eine Sonderform der direkten Vollstreckung vor, indem die geschuldete Handlung zwar bewirkt wird, jedoch nicht vom Verpflichteten, sondern auf dessen Kosten regelmäßig von einem Dritten (Heller/Berger/Stix aaO 2470). Soferne im Zuge einer Exekution nach § 353 EO eine Mitwirkung bzw. Zustimmung des Verpflichteten erforderlich ist, ist dies durch Urteil und Exekution (§ 354 EO, § 367 Abs 1 EO) zu erzwingen (1 Ob 505/94 = SZ 67/126; RIS-Justiz RS0016621). Die Exekution zur Erwirkung von anderen Handlungen nach § 353 EO besteht daher jedenfalls nicht in der Wegnahme bzw. Räumung einer exekutionsverfangenen Sache, sondern ist ein komplexerer Vorgang: Einerseits wird der betreibende Gläubiger ermächtigt, die Handlung auf Kosten des Verpflichteten vornehmen zu lassen. Andererseits kann zugleich die Vorauszahlung dieser Kosten aufgetragen und bei Nichtentsprechung ebenfalls vollstreckt werden. Die dann mögliche Fahrnis- und/oder Forderungsexekution kann aber keinesfalls unter den Begriff einer „Sache, auf welche Exekution geführt wird" subsumiert werden und würde gerade in einem Fall wie hier zu der von Zangl als nicht erstrebenswert angesehenen Zuständigkeitsspaltung führen. Selbst wenn daher Gegenstand der geschuldeten vertretbaren Handlung eine „Sache" iSd § 18 Z 4 EO ist, betrifft die Exekution nach § 353 EO nicht nur diese Sache. Vor allem aber ist bei dieser Form der Exekution die tatsächliche Vornahme der geschuldeten Handlung durch den betreibenden Gläubiger zu veranlassen. Zwar ist die Durchführung der Ersatzvornahme noch Teil des Exekutionsverfahrens nach § 353 EO, weil der Anspruch des betreibenden Gläubigers noch nicht mit der Leistung des Kostenvorschusses erfüllt ist (SZ 46/1), sondern erst mit der tatsächlichen Durchführung der geschuldeten Leistung (Höllwerth aaO § 353 Rz 35 mwN), eine Mitwirkung des Exekutionsgerichts bei der Durchführung der Ersatzvornahme ist aber - abgesehen von der möglichen Auswahl der damit zu betrauenden Person - grundsätzlich nicht vorgesehen, auch wenn die analoge Anwendung des § 357 EO mit Beigebung eines Vollstreckungsorgans zur Überwindung eines Widerstands des Verpflichteten oder zum Schutz der auszuführenden Arbeiten als zulässig erachtet wird (Klicka in Angst, EO, § 353 Rz 12; Höllwerth aaO).

Zusammengefasst kommt der erkennende Senat zu folgender Auffassung:

Die Exekution zur Erwirkung von anderen (vertretbaren) Handlungen nach § 353 EO wird nach dem Inhalt des Anspruchs nicht auf eine Sache iSd § 18 EO geführt. Auch wenn die vertretbare Handlung an einer Sache vorgenommen werden soll, ist diese nicht unmittelbar Gegenstand der Vollzugshandlung des Gerichts. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich daher bei einer Exekution nach § 353 EO nach § 18 Z 4 zweiter Fall EO (Bezirksgericht, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen ist).

Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.

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