OGH 3Ob273/99i

OGH3Ob273/99i26.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der (nunmehr) führenden betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch das Finanzamt Schärding, Schärding, Gerichtsplatz 1 und 2, gegen die verpflichteten Parteien

1. Josef H*****, und 2. Reinhard H*****, beide vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S

435.498 s. A., über den Rekurs der ursprünglich betreibenden Partei und Pfandgläubigerin A*****, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 10. August 1999, GZ 6 R 223/99g-35, womit aus Anlass eines Rekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Raab vom 28. Juni 1999, GZ E 993/98w-32, ein Teil des Verfahrens als nichtig aufgehoben und der Antrag der betreibenden Partei auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Frist zum Erlag eines Kostenvorschusses zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben, soweit damit der Beschluss des Erstgerichtes ON 32 als nichtig aufgehoben wurde. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den von den verpflichteten Parteien gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs aufgetragen.

Im Übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hatte der A***** Sparkasse *****AG zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von S 450.000 s. A. die Zwangsversteigerung von insgesamt sechs Liegenschaften der Verpflichteten bewilligt, auf denen sie einen Gartenbaubetrieb (Baumschule) betrieben. Auf sämtlichen Liegenschaften ist für diese Gläubigerin jeweils eine Hypothek einverleibt. Da die betreibende Partei dem Auftrag, einen weiteren Kostenvorschuss zu erlegen, nicht fristgerecht nachkam, stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 20. 4. 1999 (ON 19) das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 200 Z 3 EO ein. Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Mit Beschluss vom 28. 4. 1999 (ON 24) bewilligte das Erstgericht der (führenden) betreibenden Partei über deren Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Ablauf der Frist zum Erlag des Kostenvorschusses und hob den Einstellungsbeschluss vom 20. 4. 1999 (ON 19) ersatzlos mit der Begründung auf, dass die behaupteten Gründe eine Wiedereinsetzung rechtfertigten und daher der Einstellungsbeschluss ersatzlos aufzuheben sei. Auch dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

In der Folge bewilligte das Erstgericht einem weiteren betreibenden Gläubiger mit Beschluss vom 17. 5. 1999 (26) die Zwangsversteigerung derselben Liegenschaften. Schließlich setzte es mit Beschluss vom 28. 6. 1999 (ON 32) den Schätzwert der Liegenschaften fest, darunter den Wert des Zubehörs für zwei dieser Liegenschaften mit S 1,795.933.

Diese Entscheidung bekämpften die verpflichteten Parteien mit Rekurs, mit welchem sie beantragten, den Wert dieses Zubehörs mit S 225.000 festzusetzen.

Aus Anlass dieses Rekurses hob das Rekursgericht das Verfahren ab Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages (ON 24) als nichtig auf, wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und sprach aus, dass die verpflichteten Parteien die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen hätten und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Gemäß § 58 Abs 2 EO finde im Exekutionsverfahren eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist oder einer Tagsatzung nicht statt. Eine entgegen dieser Bestimmung bewilligte Wiedereinsetzung sei unwirksam und demgemäß unbeachtlich (EvBl 1982/119; JBl 1983, 493; 4 Ob 27/97t; 9 ObA 333/97d uva). Dies habe zur Folge, dass zB auf eine verspätete Äußerung zu einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, nicht Bedacht zu nehmen und der Antragsgegner als zustimmend anzusehen sei, auch wenn die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wurde, (vgl ÖBl 1986, 45) oder dass die bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rekursfrist für die Rechtsmittelinstanz unbeachtlich sei, weshalb in diesen Fällen mit einer Zurückweisung des verspäteten Rechtsmittels vorzugehen sei (vgl 7 Ob 557/82; 4 Ob 27/97t).

Die im vorliegenden Fall ohne gesetzliche Grundlage bewilligte Wiedereinsetzung sei daher unwirksam und unbeachtlich. Dies habe zur Folge, dass die Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses vom 20. 4. 1999 (ON 19) beachtet werden müsse. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft bewirke nach ständiger Rechtsprechung Nichtigkeit, wobei diese Nichtigkeit vom Rekursgericht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmen sei.

Demnach hätte das Zwangsversteigerungsverfahren vor Ablauf der in § 200 Z 3 EO genannten Frist nicht fortgesetzt werden dürfen. Sowohl der Beschluss über die Aufhebung der Einstellung (Punkt 2 in ON 24) als auch die weiteren im Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführten Verfahrenshandlungen seien daher mit dem Nichtigkeitsgrund der Nichtbeachtung der Rechtskraft behaftet, weshalb der Beschlussfassung ON 24 mit einer Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens vorzugehen gewesen sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei zurückzuweisen gewesen, weil im Exekutionsverfahren gemäß § 58 Abs 2 EO ein derartiger Rechtsbehelf nicht vorgesehen sei.

Ein Kostenzuspruch an die Rekurswerber sei nicht in Betracht gekommen, weil die von Amts wegen wahrgenommene Nichtigkeit im Rechtsmittel keine Erwähnung gefunden habe.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die bisherige Rechtsprechung jeweils solche Fälle betreffe, in denen die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Rekurs- oder Äußerungsfrist bewilligt wurde, während im vorliegenden Fall auch der Beschluss über die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses unangefochten geblieben sei, wobei sowohl gegen die ohne gesetzliche Grundlage bewilligte Wiedereinsetzung als auch gegen die Aufhebung der Einstellung ein abgesondertes Rechtsmittel eingebracht hätte werden können (vgl 4 Ob 27/97t). Damit wäre unter Umständen eine Rechtsansicht dahin denkbar, dass durch die Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses eine "Heilung" der ansonsten unwirksamen Wiedereinsetzung laut Punkt 1. von ON 24 eingetreten sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der ursprünglich führenden betreibenden Partei, die auch Pfandgläubigerin ist, mit welchem sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin begehrt, dass dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben und der Beschluss des Erstgerichtes vom 28. 4. 1999 bestätigt werde.

Unter dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die betreibende Partei geltend, dass das entscheidende Gericht an die bereits bewilligte Wiedereinsetzung gemäß § 416 Abs 2 ZPO gebunden sei. Die der verpflichteten Partei mögliche Anfechtung dieser Entscheidung mit Rekurs sei nicht erfolgt. Der Genehmigungsbeschluss des Erstgerichtes vom 28. 4. 1999 sei ordnungsgemäß zugestellt worden und sei daher in formelle Rechtskraft erwachsen und als unanfechtbare und unabänderliche Entscheidung zu qualifizieren. Die Feststellung, dass das Erstgericht die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist wegen der Bestimmung des § 58 Abs 2 EO nicht bewilligen hätte dürfen, reiche nicht für die Nichtigerklärung des darauf folgenden Versteigerungsverfahrens aus. Im Übrigen habe das Rekursgericht den Rekursantrag der verpflichteten Partei überschritten.

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt, soweit damit auch der Beschluss des Erstgerichtes ON 32 über die Festsetzung der Schätzwerte aufgehoben wird, im Übrigen jedoch mangels Rechtsmittellegitimation unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Schon das Rekursgericht ist von der - im Revisionsrekurs auch gar nicht bekämpften - ständigen Rechtsprechung ausgegangen, wonach eine entgegen § 58 Abs 2 EO bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unwirksam und demgemäß unbeachtlich ist (EvBl 1982/119; JBl

1983, 493; EvBl 1986/100 = ÖBl 1986, 45; Arb 10.768; 4 Ob 1142/94;

jüngst auch 4 Ob 27/97t = EvBl 1997/131 uva; Heller/Berger/Stix, EO4,

636 f [die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 9 ObA 333/97d ist diesbezüglich allerdings ein Fehlzitat]). Aus der Unwirksamkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgt aber jedenfalls, dass das von der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin betriebene Exekutionsverfahren wirksam eingestellt ist.

Entgegen den (von der Revisionsrekurswerberin aufgegriffenen) Bedenken des Rekursgerichtes vermag der Umstand, dass (auch) der Beschluss des Erstgerichtes über die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses unangefochten geblieben ist, am Ergebnis nichts zu ändern. Nach § 150 Abs 1 Satz 2 ZPO ist ein infolge der Versäumung bereits erlassenes Urteil bei Bewilligung der Wiedereinsetzung aufzuheben. Nach (zutreffender) neuer Rechtsprechung

(3 Ob 65/88 = JUSZ 1988/46, 20 = RPflE 1989/71; 10 ObS 273/94 =

SSV-NF 9/1; 6 Ob 274/98g = EvBl 1999/68; ebenso nunmehr Gitschthaler

in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 150; gegenteilig RZ 1977/81, 171 uva, zuletzt noch 5 Ob 533/95) ergibt sich aus § 150 Abs 1 Satz 1 ZPO, dass durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung alle Versäumungsfolgen ex lege wegfallen (so auch Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 582), weshalb die ausdrückliche Aufhebung der infolge Versäumung gefällte Entscheidung nur deklarative Bedeutung hat (aA Fink, Die Wiedereinsetzung 173 f). Eine solche Aufhebung ist auch nur für das Versäumungsurteil ausdrücklich angeordnet. Das bedeutet (ua), dass nach Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist der Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem die Berufung ursprünglich als verspätet zurückgewiesen worden war, überholt ist und einer sachlichen Erledigung der Berufung durch das Berufungsgericht nicht entgegensteht (3 Ob 65/88 und 6 Ob 274/98g = EvBl 1999/68). Ist aber der Wegfall einer infolge der Versäumung ergangenen Entscheidung notwendige Folge der Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der betreffenden Frist oder Tagsatzung und überdies der entsprechende Ausspruch bloß deklarativer Natur, dann teilt letzterer dann, wenn die Wiedereinsetzung ohne jede gesetzliche Grundlage (wie etwa im Geltungsbereich der EO) ergangen ist, das Schicksal der Bewilligung der Wiedereinsetzung selbst. Sie ist daher ebenso wirkungslos und steht der Wahrnehmung der Unwirksamkeit der Bewilligung der Wiedereinsetzung und des weiteren Zwangsversteigerungsverfahrens an sich nicht entgegen.

Daraus folgt aber, wie gesagt, dass das von der ursprünglich betreibenden Gläubigerin geführte Verfahren eingestellt und diese nicht Partei des mit der (nur scheinbar bloß beigetretenen) neuen betreibenden Partei fortzusetzenden Zwangsversteigerungsverfahrens ist, weshalb sie grundsätzlich nicht zur Bekämpfung von Entscheidungen legitimiert ist. Eine solche Legitimation lässt sich auch nicht generell aus ihrer Eigenschaft als Buchberechtigte ableiten, soweit nicht besondere Bestimmungen zu einer abweichenden Beurteilung führen.

Da ihr als Buchberechtigter nach § 144 EO das Recht zur Äußerung zum Schätzwert zusteht, steht ihr das Rekursrecht insoweit zu, als das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichtes über die Festsetzung der Schätzwerte als nichtig aufgehoben hat. Bei dieser Aufhebung wurde nämlich nicht darauf Bedacht genommen, dass mittlerweile - rechtskräftig - der Republik Österreich die Zwangsversteigerung sämtlicher Liegenschaften bewilligt wurde, die schon bisher Gegenstand des Verfahrens waren. Dass das Rekursgericht auch diese Exekutionsbewilligung von seinem Aufhebungsbeschluss umfasst haben hätte wollen, ergibt sich aus seiner Entscheidung nicht und kann ihm nicht unterstellt werden, kann es doch für diese Bewilligung (sieht man von dem - allerdings nicht wesentlichen [vgl SZ 65/66 = JUS Z 1094] - Ausspruch über den Beitritt ab) nicht darauf ankommen, ob das Verfahren im Hinblick auf die ursprünglich betreibende Partei rechtskräftig eingestellt war oder nicht. Da somit zur Zeit der Erlassung des Beschlusses ON 32 über die Festsetzung der Schätzwerte der zu versteigernden Liegenschaften ein Exekutionsverfahren anhängig war, steht dieser Beschluss nicht im Widerspruch zur Einstellung des von der Rekurswerberin geführten Exekutionsverfahrens, weshalb der vom Rekursgericht angenommene Nichtigkeitsgrund insoweit nicht vorliegt.

Keine Rekursbefugnis kommt der Buchberechtigten dagegen im Hinblick auf die übrigen Teile der Rekursentscheidung einschließlich des (vom Rekursgericht ohne eigene Begründung ungeachtet des Umstandes, dass davon vor der Einstellung erbrachte Leistungen betroffen waren, ebenfalls aufgehobenen) Gebührenbeschlusses ON 25 zu.

Diese Erwägungen führen zur (ersatzlosen) Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichtes, was die Aufhebung des Beschlusses über die Feststellung der Schätzwerte angeht. Demnach wird das Rekursgericht den Rekurs der Verpflichteten gegen diese Entscheidung zu behandeln haben. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Mangels Vorliegens eines Zwischenstreits zwischen der Rekurswerberin als Hypothekargläubigerin und den Verpflichteten hat sie die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

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