European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00027.21Y.0324.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Das gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat (RS0042936 [T36]).
[2] 2.1. Der Kläger beauftragte die Beklagte auf Grundlage eines Schätzungsanschlags, der Gesamtkosten von 125.900 EUR netto auswies, mit näher umschriebenen Bauarbeiten. Nach Beginn dieser Arbeiten übermittelte die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 15. März 2017 eine Kalkulation, die Mehrleistungen im Ausmaß von 36.817 EUR ergab. In diesem E-Mail führte sie aus, dass mittlerweile sämtliche Unklarheiten bezüglich Planung und Statik abgeklärt seien und daher davon auszugehen sei, dass keinerlei Unbekannte oder Überraschungen bei der Ausführung des Bauvorhabens zu erwarten seien; Extraleistungen, die erst künftig gewünscht würden, seien in der Kalkulation natürlich nicht berücksichtigt.
[3] 2.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, diese Erklärung der Beklagte sei so zu verstehen, dass sie nunmehr die Richtigkeit des (erhöhten) Kostenvoranschlags iSd § 1170a ABGB garantiere, und der Kläger habe diese Mehrkosten dadurch schlüssig akzeptiert, dass er nicht vom Vertrag zurückgetreten sei, sondern die entsprechende Rechnung beglichen habe, ist nicht korrekturbedürftig.
[4] 2.3. Soweit die Revisionswerberin argumentiert, das Bezahlen von Rechnungen sei als bloße Willensbetätigung denkbar ungeeignet, eine Vertragsänderung auf einen Werkvertrag mit einem Fixbetrag herbeizuführen, ist ihr Folgendes zu erwidern: Das Berufungsgericht wertete (ua) den Umstand, dass der Kläger die entsprechenden Teilrechnungen der Beklagten beglich, als schlüssige Zustimmung zu den ihm bekannt gegebenen Mehrkosten. Die gleichzeitige (konkludente) Erklärung der Beklagten, nunmehr die Richtigkeit des (erhöhten) Kostenvoranschlags zu garantieren, war für den Kläger hingegen ausschließlich mit Vorteilen verbunden, weshalb sein Schweigen hiezu – in Abweichung von der Grundregel, dass Schweigen auf ein Vertragsanbot prinzipiell weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung darstellt (RS0047273 [T3]) – als Zustimmung zu werten ist (3 Ob 103/20y mwN; RS0107060).
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