Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit den Beschlüssen vom 29. 6. 1999 wurde das gegen den Verpflichteten im "Urkundsprozess" erlassene Anerkenntnisvorbehaltsurteil des Landgerichts Hannover vom 3. 2. 1999, Geschäftszeichen 22 O 164/98, für Österreich für vollstreckbar erklärt und der Betreibenden aufgrund dieses Titels zur Hereinbringung von 30.000 DM sA (= 211.065,89 S sA) die Fahrnisexekution bewilligt. Nach Teilzahlungen des Verpflichteten wurde die Exekution schließlich auf 130.280,27 S sA eingeschränkt. Nach dem Exekutionstitel ist "das Urteil ... vorläufig vollstreckbar", wobei dem Beklagten "die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten" wurde.
Am 22. 6. 2001 (Einlangen) beantragte der Verpflichtete die Aufschiebung der Exekution "bis zur rechtskräftigen Beendigung des Titelverfahrens vor dem LG Hannover, hilfsweise bis zur Entscheidung über die Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels". Er brachte vor, der Exekutionstitel sei nur wegen des in Deutschland zulässigen "Urkundenverfahrens" vollstreckbar. Einwendungen gegen den Anspruch im "Nachverfahren" seien zulässig. Ein solches Verfahren, in dem er die Abweisung der Klage beantragt habe, sei anhängig. Die Vollstreckbarkeit des Titels sei überdies nach einer von ihm zu leistenden Prozessbürgschaft aufzuheben.
Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Die Aufschiebung setze die Verwirklichung eines der im Gesetz taxativ aufgezählten Aufschiebungsgründe voraus. Ein solcher Grund liege nicht vor. Das in Deutschland anhängige Verfahren sei kein solches auf Ungültig- oder Unwirksamerklärung oder auf Aufhebung des Exekutionstitels. Es mangle auch an der Verwirklichung eines Aufschiebungsgrunds nach § 42 Abs 1 Z 9 oder Abs 2 EO.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf, verwies die Exekutionssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach ferner aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass die analoge Anwendung von Aufschiebungsgründen nicht ausgeschlossen sei, obgleich deren Aufzählung im Gesetz erschöpfend sei. Ähnliche Sachverhalte müssten nach Art und Gewicht jedoch so beschaffen sein, dass alles für eine Gleichbehandlung spreche. Das Nachverfahren in Deutschland begründe Streitanhängigkeit gegenüber einer Oppositionsklage in Österreich, strebe doch der Verpflichtete im Nachverfahren mit seinen Anträgen auf Aufhebung des Exekutionstitels und auf Klageabweisung das gleiche Ergebnis an, das mit Hilfe einer Oppositionsklage erzielbar wäre. Es gehe nicht an, eine allfällige Oppositionsklage wegen eines anhängigen Nachverfahrens infolge Streitanhängigkeit zurückzuweisen, dem Nachverfahren aber gleichzeitig "die Tauglichkeit als Aufschiebungsgrund abzusprechen". Die Einleitung eines Urkundenprozesses nach § 592 dZPO stehe im Ermessen des Klägers. Dieser müsse die klagebegründenden Tatsachen urkundlich nachweisen. Werde der Beklagte - wie hier der Verpflichtete - unter dem Vorbehalt der späteren Ausführung seiner Rechte verurteilt, sei der Exekutionstitel durch dessen allfällige Aufhebung im Nachverfahren auflösend bedingt. Das Verfahren bezwecke, das Vorbehaltsurteil durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen. Im Nachverfahren könne der Beklagte neue Tatsachen, aber auch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel unabhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens und ihrer Beweisbarkeit durch Urkunden geltend machen. Die Betreibende müsse vor der Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag an sich nicht gehört werden. Hier sei aber deren Anhörung wegen des der österreichischen Rechtsordnung fremden Nachverfahrens, aber auch wegen des Neuerungsverbots im Rekursverfahren geboten. Somit sei der angefochtene Beschluss zur Ermöglichung einer Äußerung der Betreibenden aufzuheben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil das Höchstgericht zur Frage, ob die Exekution aufgrund eines in Deutschland anhängigen Nachverfahrens aufgeschoben werden könne, noch nicht Stellung genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Betreibenden ist wegen des vom Rekursgericht angeführten Grundes zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits in der Entscheidung 3 Ob 41/69 (= SZ 42/76 = EvBl 1969/380) aus, im Nachverfahren gemäß § 600 dZPO werde dasselbe Ziel wie im Oppositionsprozess verfolgt. Habe der Beklagte im anhängigen Nachverfahren dieselben Einwendungen erhoben wie als Kläger einer späteren Oppositionsklage, so begründe das Nachverfahren das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit für die Oppositionsklage. Dringe der Oppositionskläger als Beklagter des Nachverfahrens mit den dort erhobenen Einwendungen durch, werde das Vorbehaltsurteil aufgehoben und der Klageanspruch abgewiesen. Damit werde jenes Urteil als Exekutionstitel beseitigt.
1. 1. Der Beklagte kann sich im Nachverfahren gemäß § 600 dZPO auf neue Tatsachen und neue Verteidigungsmittel stützen, sich aller im ordentlichen Prozess zulässigen Beweismittel bedienen und daher urkundlich nachgewiesene anspruchsbegründende Tatsachen mit anderen Beweismitteln widerlegen (Greger in Zöller, ZPO22 § 600 Rz 5, 11). Er kann bisher nicht erhobene Einwendungen und Einreden ausführen, auch wenn er sie bereits im vorherigen Urkundenprozess hätte vorbringen können (Greger aaO § 600 Rz 14). Der Sachantrag des Beklagten ist auf Aufhebung des erlassenen Vorbehaltsurteils und auf Klageabweisung gerichtet (Greger aaO § 600 Rz 10). Demgemäß wird die Klage unter Aufhebung des Vorbehaltsurteils samt der den Kläger begünstigenden Kostenentscheidung abgewiesen, wenn sie sich als unbegründet erweist (Greger aaO § 600 Rz 23). Der Ausspruch über die Aufhebung des Vorbehaltsurteils wirkt allerdings bloß deklaratorisch, weil dessen materielle Rechtskraft durch die Klageabweisung im Nachverfahren auflösend bedingt ist (Voit in Musielak, ZPO2 § 600 Rz 4). 1. 2. Nach den soeben erläuterten Besonderheiten des Nachverfahrens ist die bereits in der eingangs referierten Entscheidung 3 Ob 41/69 gezogene Parallele zum Rechtsschutzziel der Oppositionsklage fortzuschreiben, soweit der Verpflichtete dort Gründe ins Treffen führt, die einer Oppositionsklage nach österreichischem Recht als taugliche Grundlage dienen könnten. Das folgt daraus, dass der vollstreckbare Anspruch durch die infolge Klageabweisung im Nachverfahren eintretende auflösende Bedingung für die materielle Rechtskraft des deutschen Vorbehaltsurteils erlischt. Macht der Beklagte hingegen im Nachverfahren Einwendungen gegen den Klageanspruch geltend, die er bereits im Titelverfahren vor Erlassung des Vorbehaltsurteils hätte ausführen können und die er deshalb in Österreich nicht mehr erfolgreich als Oppositionsgründe geltend machen könnte, so ähnelt das im Nachverfahren angestrebte Rechtsschutzziel jenem, das mit einer Klage auf Ungültig- oder Unwirksamerklärung bzw auf Aufhebung des der bewilligten Exekution zugrunde liegenden Titels erreicht werden soll, weil der Sachantrag des Beklagten im Nachverfahren auch auf Aufhebung des erlassenen Vorbehaltsurteils gerichtet ist und die Klage unter Aufhebung dieses Urteils abgewiesen werden soll.
2. Beizutreten ist der mit der herrschenden Meinung übereinstimmenden Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Exekutionsordnung zähle die Aufschiebungsgründe zwar erschöpfend auf, gleichwohl sei die analoge Anwendung von Aufschiebungsgründen auf ähnliche Sachverhalte zulässig, wenn diese ihrer Art und ihrem Gewicht nach so beschaffen seien, dass alles für eine Gleichbehandlung spreche (3 Ob 11/01s; Jakusch in Angst, EO-Kommentar § 42 Rz 33 mwN).
2. 1. Nach allen bisherigen Erwägungen ist eine solche Ähnlichkeit der Rechtswirkung der unter 1. 1. erläuterten Klageabweisung im deutschen Nachverfahren mit dem Rechtsschutzziel einer Oppositionsklage oder jenem einer Klage auf Ungültig- oder Unwirksamerklärung bzw Aufhebung des der bewilligten Exekution zugrunde liegenden Titels anzunehmen, dass ein in Deutschland anhängiges Nachverfahren der Einbringung der einen oder anderen Klage oder einer Klage gleichzuhalten ist, die wegen der ausgeführten Einwendungen beide Rechtsschutzziele in sich vereinigt. Unter solchen Voraussetzungen ist aber auf das Nachverfahren der eine oder andere der Aufschiebungsgründe nach § 42 Abs 1 Z 1 und Z 5 EO oder es sind beide Gründe analog anwendbar. Daher muss für die Beantwortung der Frage nach der grundsätzlichen Aufschiebbarkeit der Exekution aufgrund eines deutschen Nachverfahrens nicht geklärt werden, welche Einwendungen der Verpflichtete dort im Einzelnen erhebt, verwirklicht doch ein solches Verfahren zumindest einen der erörterten Aufschiebungstatbestände.
3. Die Betreibende wendet in ihrem Rekurs gegen die voranstehend erläuterte - im Kern schon vom Rekursgericht erkannte - Rechtslage bloß ein, ein deutsches Nachverfahren, das "der österreichischen Rechtsordnung gänzlich fremd" sei, eigne sich nicht als Grundlage für eine Erweiterung der Aufschiebungsgründe durch Analogiebildung. Darauf ist - im Lichte aller bisherigen Erwägungen - zu erwidern, dass bloß die Rechtsähnlichkeit der Wirkungen eines klageabweisenden Urteils im deutschen Nachverfahren mit den voranstehend erörterten Klagen ausschlaggebend ist. Die Betreibende verkennt überdies, dass der deutsche Exekutionstitel nach seiner Vollstreckbarerklärung für Österreich gemäß § 84b EO wie ein inländischer zu behandeln ist. Demnach muss das deutsche Nachverfahren, das zum Erlöschen des (vorläufig) vollstreckbaren Anspruchs, aber auch zur Beseitigung des Exekutionstitels führen kann, in das inländische System möglicher Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch bzw möglicher Klagen zur Ungültig- oder Unwirksamerklärung bzw Aufhebung des Exekutionstitel eingefügt werden. Soweit die Betreibende gegen eine Stattgebung des Aufschiebungsantrags Gründe anführt, die den Verlauf des konkreten deutschen Nachverfahrens betreffen, hat das mit der hier zu behandelnden grundsätzlichen Anwendbarkeit eines der erörterten Aufschiebungsgründe nichts zu tun.
4. Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf § 40 und § 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Die Betreibende vermochte weder ihren Rekursantrag - Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses - durchzusetzen, noch konnte sie erreichen, dass dem Erstgericht eine für ihren Standpunkt günstigere Rechtsansicht anstelle der des Rekursgerichts für das fortgesetzte Verfahren überbunden wird. Sie hat daher die Kosten ihres gänzlich erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.
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