OGH 3Ob11/01s

OGH3Ob11/01s25.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Reinhard P*****, vertreten durch Mag. Gernot Faber und Mag. Christian Kühteubl, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die verpflichtete Partei B*****, vertreten durch Dax-Klepeisz-Kröpfl-Klimburg Rechtsanwaltspartnerschaft in Güssing, wegen Beseitigung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 30. November 2000, GZ'13 R 304/00d-20, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 4. November 2000, GZ 4 E 3397/00b-13, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem bestätigenden Teil dahin abgeändert, dass die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag - einschließlich ihres schon rechtskräftigen und daher unberührt bleibenden Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Der Antrag der verpflichteten Partei auf Aufschiebung der Exekution wird abgewiesen."

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses von insgesamt 23.758,20 S (darin 3.959,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 8. 9. 2000 wurde der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei aufgrund des vollstreckbaren Urteils des Landesgerichts Eisenstadt vom 8. 11. 1999 die Exekution gemäß § 354 EO zur Erwirkung der Verpflichtung, eine Gasniederdruck- und eine Gashochdruckleitung vom Grundstück der betreibenden Partei zu entfernen, bewilligt; der verpflichteten Partei wurde die Entfernung dieser Gasleitungen vom Grundstück der betreibenden Partei bis spätestens 1. 10. 2000 aufgetragen.

Die verpflichtete Partei beantragte die Aufschiebung der Exekution vorerst "bis zur Entscheidung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Antrag gemäß § 11 Abs 1 Energiewirtschaftsgesetz ...". Nach Ergehen des Bescheids des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. 9. 2000 modifizierte sie ihren Antrag dahin, die Aufschiebung der Exekution "bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landeshauptmann(s) des Burgenlandes über die zwangsweise Einräumung der Leitungsservitut ..." zu bewilligen. Sie habe nach Bescheiderlassung durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten am 5. 10. 2000 den Antrag auf Begründung einer Zwangsservitut an den Landeshauptmann von Burgenland gestellt.

Das Erstgericht gab dem Aufschiebungsantrag statt. Nach dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. 9. 2000 sei "die Enteignung durch zwangsweise Einräumung einer Dienstbarkeit zulässig". Der Landeshauptmann von Burgenland könne aufgrund dieser Zulässigkeitsfeststellung Dienstbarkeitsrechte zwangsweise einräumen, die Höhe der dafür angemessenen Entschädigung festsetzen und allenfalls über die Besitzeinweisung entscheiden. Dieser Sachverhalt verwirkliche den Aufschiebungstatbestand gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO. Die Aufschiebungsgründe seien im Gesetz zwar taxativ aufgezählt, die analoge Anwendung solcher Gründe scheide jedoch nicht aus. Ein Verwaltungsverfahren zur Begründung einer Zwangsdienstbarkeit sei einer Klage auf Unzulässigerklärung der Exekution gleichzuhalten.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Aufschiebungsantrag soweit ab, als er sich auf die Gasniederdruckleitung bezog, und bestätigte im Übrigen den erstgerichtlichen Beschluss. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach seinen Erwägungen betrifft der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. 9. 2000 nur die Gashochdruckleitung. Es mangle daher an einem zureichenden Grund für eine auf die Gasniederdruckleitung bezogene Exekutionsaufschiebung. Im Übrigen sei die Rechtsansicht des Erstgerichts zu billigen. Die Enteignungsvorschriften nach dem Energiewirtschaftsgesetz dienten offenkundig der Verschaffung der für die Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Energieversorgung notwendigen Grundflächen bzw Leitungsrechte. Diesem Zweck liefe es zuwider, die Entfernung der Gashochdruckleitung zunächst im Exekutionsweg zu veranlassen und sodann aufgrund einer durch den Landeshauptmann von Burgenland eingeräumten Zwangsdienstbarkeit wieder herzustellen. Der Einwand der betreibenden Partei, das Enteignungsverfahren bezwecke nicht, der verpflichteten Partei nach verlorenem Zivilprozess "eine zweite Chance" einzuräumen, trage dem Ineinandergreifen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts nicht ausreichend Rechnung. Der Mangel einer privatrechtlichen Leitungsdienstbarkeit sei geradezu die Voraussetzung für die Begründung einer Zwangsdienstbarkeit nach dem Energiewirtschaftsgesetz. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Bedeutung der vorliegenden Entscheidung nicht über den Einzelfall hinausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Nicht von Belang sind die Einwände der betreibenden Partei gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. 9. 2000 und gegen die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen betreffend den wahrscheinlichen Verlauf des Verwaltungsverfahrens auf Einräumung einer Zwangsdienstbarkeit durch den Landeshauptmann von Burgenland. Aufgrund des Bescheids des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten kann vielmehr als Wirkung seiner materiellen Rechtskraft nicht mehr in Zweifel gezogen werden, dass "die Enteignung durch zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten" zu Lasten des Grundstücks der betreibenden Partei gerade für jene Erdgashochdruckleitung zulässig ist, die im Unterboden deren Grundstücks verläuft. Das gilt auch für den Landeshauptmann von Burgenland.

2. Die betreibende Partei ist ferner der Ansicht, der erörterte Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten habe selbst in Verbindung mit einem weiteren Bescheid des Landeshauptmanns von Burgenland über die Einräumung einer Zwangsservitut "keinen direkten Einfluss auf die Exekutierbarkeit" des gegen die verpflichtete Partei erwirkten Beseitigungstitels. Solche Maßnahmen allein könnten die "Unwirksamkeit des Exekutionstitels" nicht herbeiführen.

Der Grundgedanke dieses Standpunkts ist, wie sogleich zu begründen sein wird, zutreffend.

Zu billigen ist die im Einklang mit der herrschenden Meinung stehende Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Exekutionsordnung zähle die Aufschiebungsgründe erschöpfend auf, gleichwohl sei die analoge Anwendung von Aufschiebungsgründen auf ähnliche Sachverhalte zulässig, wenn diese ihrer Art und ihrem Gewicht nach so beschaffen seien, dass alles für eine Gleichbehandlung spreche (Jakusch in Angst, EO-Kommentar § 42 Rz 33 mwN). Im Anlassfall mangelt es jedoch an einem Analogiebedürfnis.

Selbst wenn ein rechtskräftiger Bescheid des Landeshauptmanns von Burgenland auf Einräumung einer Zwangsdienstbarkeit, die sich genau auf jenen Leitungsweg bezieht, den die verpflichtete Partei auf dem Grundstück der betreibenden Partei schon bisher in Anspruch nahm, bereits vorläge, wäre damit nicht auch schon der betriebene Anspruch - sozusagen als unmittelbare Folge einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung - erloschen. Es bedarf vielmehr - dem Grundsatz der Gewaltentrennung nach Art 94 B-VG Rechnung tragend - der Einbringung einer Oppositionsklage, kann doch als Klagegrund jeglicher nach Entstehen des Exekutionstitels geschaffene Sachverhalt herangezogen werden, dem nach der Rechtsordnung die Eignung innewohnt, den betriebenen Anspruch aufzuheben oder dessen Durchsetzbarkeit zu hemmen (Jakusch aaO § 35 Rz 12). Somit kann aber auch ein rechtskräftiger Bescheid einer Verwaltungsbehörde einen Oppostionsklagegrund bilden (Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO-Kommentar § 35 Rz 64 f), wenn dadurch ein Anspruch der verpflichteten Partei kraft öffentlichen Rechts entstand, der dem betriebenen privatrechtlichen Beseitigungsanspruch entgegensteht, also gerade jenes Recht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage geschaffen wurde, dessen die verpflichtete Partei aus privatrechtlichen Gründen entbehrt.

3. Aus den bisherigen Erwägungen folgt, dass die Ansicht der Vorinstanzen, allein die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Begründung einer Zwangsdienstbarkeit sei schon einer Klage auf Unzulässigerklärung der Exekution gleichzuhalten, nicht zutrifft. Es kann vielmehr selbst die rechtskräftige Begründung einer Zwangsdienstbarkeit für die Gashochdruckleitung über das Grundstück der betreibenden Partei nicht zur unmittelbaren Einstellung der aufgrund eines privatrechtlichen Titels gemäß § 354 EO geführten Exekution führen. Möglich und erforderlich ist also, wie bereits begründet wurde, die Erwirkung eines Oppositionsurteils über das Erlöschen des betriebenen Anspruchs.

4. Die verpflichtete Partei erwirkte jedoch nach Entstehen des Exekutionstitels einen rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. 9. 2000, in dem unter anderem wörtlich ausgesprochen wurde:

"1. Der Bestand der Erdgashochdruckleitung Mattersburg-Eisenstadt, welche auf Grundstück Nr. 3646/4 ... (Anm: das Grundstück der betreibenden Partei) annähernd parallel zum Grundstück Nr. 3648 ... auf einer Strecke von rund 32 m ca. 4 m innerhalb des Grundstückes verläuft, dient der öffentlichen Versorgung mit Erdgas und dem allgemeinen Besten im Sinne des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz).

2. Zugunsten der genannten Erdgashochdruckleitung, welche im Eigentum

der ... (verpflichteten Partei) ... steht, ist die Enteignung durch

zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten hinsichtlich des im

Eigentum ... (der betreibenden Partei) ... stehenden Grundstücks Nr.

3646/4 ... zulässig.

3. Der Landeshauptmann von Burgenland kann aufgrund dieser Zulässigkeitsfeststellung Dienstbarkeitsrechte zwangsweise einräumen, die Höhe der angemessenen Entschädigung für die Dienstbarkeitseinräumung festsetzen und allenfalls über die Besitzeinweisung entscheiden."

Damit hat aber die verpflichtete Partei nach Entstehen des Exekutionstitels einen öffentlich-rechtlichen Anspruch erworben, der die Hemmung des betriebenen Anspruchs in Verbindung mit dem eingeleiteten Verfahren auf Begründung einer mit dem bestehenden Leitungsweg übereinstimmenden konkreten Zwangsdienstbarkeit schon bewirkt haben könnte, bezieht sich doch die im Grundsätzlichen bereits rechtskräftig bejahte Enteignungsmöglichkeit gerade auf jene Erdgashochdruckleitung, die über das Grundstück der betreibenden Partei verläuft, jedoch aufgrund des betriebenen privatrechtlichen Beseitigungsanspruchs zu entfernen wäre. Die verpflichtete Partei kann diese Umstände vor dem Hintergrund der soeben erläuterten zumindest vertretbaren Rechtsansicht als Oppositionsgrund geltend machen. In Verbindung mit einer solchen Oppositionsklage kann ein Aufschiebungsantrag auf § 42 Abs 1 Z 5 EO gestützt werden, weil die den Aufschiebungsgrund bildende Aktion des Aufschiebungswerbers nur nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos sein darf (Jakusch aaO § 42 Rz 65 f; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner aaO § 42 Rz 20 je mN aus der Rsp). Eine solche Aussichtslosigkeit ließe sich im Anlassfall nicht unterstellen. Einerseits verfügt die verpflichtete Partei nunmehr über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Begründung einer Zwangsdienstbarkeit, der sich auf den von ihr schon in der Vergangenheit benützten Leitungsweg über das Grundstück der betreibenden Partei bezieht, andererseits existiert keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über einen im Kern vergleichbaren Sachverhalt, aus der bereits jetzt mit hoher Wahrscheinlichtkeit die Aussichtslosigkeit einer solchen Oppositionsklage abzuleiten wäre. Somit fehlt es - in Ermangelung eines Analogiebedürfnisses - schon an der Grundvoraussetzung für eine analoge Erstreckung des Aufschiebunsgrunds nach § 42 Abs 1 Z 5 EO auf die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens zur Begründung einer den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch der betreibenden Partei bloß materiell aufhebenden öffentlich-rechtlichen Zwangsdienstbarkeit.

5. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Wie allen bisherigen Erwägungen entnehmbar ist, hat das Rekursgericht die Analogiefähigkeit eines bestimmten Aufschiebungsgrunds im Anlassfall verkannt. Das wirft in Ermangelung einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren, für die Rechtsentwicklung bedeutsamen Sachverhalt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 528 Abs 1 ZPO auf, von deren Lösung die Entscheidung abhängt. Nach den voranstehenden Erläuterungen ist aber dem Rechtsmittel der betreibenden Partei auch Folge zu geben.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41 ZPO iVm § 78 EO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte