European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00263.15W.0316.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich der erstgerichtlichen Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 151,34 EUR bestimmten Kosten der Kostenrekursbeantwortung (darin enthalten 25,22 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.033,52 EUR bestimmten Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens (darin enthalten 204 EUR Barauslagen, 304,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Im Verfahren 5 C 789/13m des Erstgerichts schlossen die Streitteile am 8. Jänner 2014 einen Vergleich, der in seinem Punkt 1.) wie folgt lautet:
„Der Beklagte (hier: Kläger) verpflichtet sich, das Abstellen des KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen L***** oder eines sonstigen in seiner Verfügungsmacht stehenden Fahrzeugs auf dem Grundstück Nr 957 KG ***** zu unterlassen.“
Mit Exekutionsantrag vom 5. November 2014 beantragte die hier Beklagte (Klägerin des Titelverfahrens) als betreibende Partei Unterlassungsexekution gegen den Kläger als verpflichtete Partei durch Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 500 EUR sowie die Forderungsexekution gemäß § 294 EO wegen der Titelkosten.
Im Exekutionsantrag bezog sich die hier Beklagte darauf, dass der Kläger gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe, indem er am 29. September 2014 abends mit seinem im Vergleich bezeichneten KFZ das Grundstück Nr 957 eigenmächtig befahren und seinen KFZ‑Anhänger verbotswidrig abgestellt habe. Am 2. Oktober 2014 habe er den Anhänger mit seinem anderen ‑ näher bezeichneten ‑ KFZ vom Grundstück der betreibenden Partei wieder abgeholt.
Das Exekutionsgericht bewilligte ‑ im zweiten Rechtsgang des Exekutionsverfahrens ‑ letztlich mit Beschluss vom 13. April 2015 rechtskräftig die Exekution und verhängte über den Kläger eine Geldstrafe in Höhe von 250 EUR.
Die Beklagte ist Eigentümerin der Grundstücke 957 und 980 je KG *****, auf welchen sich eine Wohnanlage samt Grünflächen befindet. Der Kläger ist ebenso wie H***** (in der Folge: Mieter) Mieter in dieser Wohnanlage.
Die Pflege der Grünanlage, insbesondere die Gartenarbeiten und der Strauchschnitt, werden schon seit Jahren im Einvernehmen mit der Beklagten vom Mieter erledigt. Ende September 2014 wollte der Mieter die Sträucher schneiden. Er fragte daher Mitte September 2014 den Geschäftsführer der Beklagten, ob er zum Wegführen des Strauchschnitts einen Hänger auf dem Grundstück Nr 957 abstellen dürfe. Ansonsten hätte der Mieter den Grünschnitt umständlich rund um das Gebäude auf die öffentliche Straße tragen müssen. Der Mieter erklärte dem Geschäftsführer der Beklagten auch, dass der Hänger in der Wiese vor der Hecke des Grundstücks 957 aufgestellt und dort ein bis zwei Tage stehen werde. Damit war der Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich einverstanden. Er erlaubte dem Mieter das angefragte Abstellen des Hängers.
Da der Mieter selbst keinen PKW‑Anhänger besitzt, fragte er den Kläger, ob dieser ihm seinen Hänger zur Verfügung stellen könne. Der Kläger willigte ein und besorgte von dritter Seite sogar einen Hänger mit größerem Fassungsvermögen, weil ihm sein eigener Anhänger zu klein erschien.
Am Abend des 29. September 2014 brachte der Kläger den geborgten Anhänger mit seinem eigenen Fahrzeug vor den Hauseingang, koppelte ihn dort ab und schob ihn gemeinsam mit dem Mieter auf die Grünfläche vor der Hecke. Sein Fahrzeug entfernte der Kläger sofort wieder von der Liegenschaft und stellte es auf den Parkplätzen auf der Straße ab. Der Anhänger verblieb bis zur Beendigung der Strauchschnittarbeiten durch den Mieter am 2. Oktober 2014 auf der Wiese des Grundstücks Nr 957. Am 2. Oktober 2014 holte der Kläger den gefüllten Anhänger über Ersuchen des Mieters mit seinem PKW ab, um den Strauchschnitt im Umfang von zumindest 110 kg bei der Kompoststelle zu entsorgen.
Der Kläger brachte den Anhänger ausschließlich über Ersuchen des Mieters auf das Grundstück und verfolgte damit keinerlei Eigeninteressen. Der Geschäftsführer der Beklagten hätte dem Kläger selbst das Abstellen des Hängers nicht erlaubt und er hätte auch dem Mieter keine Genehmigung erteilt, wenn er gewusst hätte, dass dieser einen Hänger des Klägers verwenden würde. Insbesondere stört den Geschäftsführer der Beklagten dabei, dass der Kläger die Liegenschaft befahren hat.
Mit seiner am 15. April 2015 eingebrachten Impugnationsklage begehrt der Kläger den Ausspruch, dass die Exekution unzulässig sei. Soweit für das Revisionsverfahren relevant beruft er sich darauf, dass die Exekutionsführung rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Üblicherweise gehörten für Gartenarbeiten verwendete Geräte und Anhänger stets dritten Personen. Jedenfalls aber habe der Geschäftsführer der Beklagten das Abstellen des Hängers zu dem Zweck genehmigt, dass der Mieter den im Zuge der Arbeiten anfallenden Baumschnitt im Umfang von ca 110 kg abtransportieren könne.
Die Beklagte wendet ein, dass die Exekutionsführung nicht rechtsmissbräuchlich sei. Die Beklagte erlaube von Fall zu Fall nach Rücksprache und Besichtigung vor Ort die kurzfristige Zu‑ und Abfahrt über das Grundstück zu ganz bestimmten Zwecken. Diese Genehmigung erteile sie allerdings nur Personen, die für einen störungsfreien Ablauf sorgten, nicht jedoch dem Kläger, der die Ordnung im Haus wiederholt gestört habe.
Das Erstgericht gab der Impugnationsklage statt.
Es vertrat die Auffassung, dass das beanstandete Abstellen des Hängers über Veranlassung des Mieters, der zudem im Interesse der Hausgemeinschaft gehandelt habe, vom Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich genehmigt worden sei. Der Hänger sei im Interesse und auf Wunsch primär des Mieters in der Wiese abgestellt worden. Das Abstellen des Hängers sei dem Kläger nicht zuzurechnen. Es liege kein schuldhaftes Verhalten des Klägers vor, weil der sein Kraftfahrzeug auf dem Grundstück gar nicht abgestellt, sondern das Grundstück lediglich zum Zweck des Ab‑ bzw Ankoppelns des Hängers kurzfristig befahren habe.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies das Impugnationsklagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig, dass die Frage, wie sich die einer dritten Person erteilte Erlaubnis auf eine titulierte Unterlassungsverpflichtung auswirke, über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehe.
Der Kläger habe gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, weil die Beklagte nur dem Mieter, nicht aber dem Kläger eine Erlaubnis zum Abstellen eines Hängers erteilt habe. Eine nicht personenbezogene Erlaubnis könne einen titulierten Unterlassungsanspruch gegenüber einem Dritten nicht außer Kraft setzen.
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist im Sinne des Antrags auf Wiederherstellung des Ersturteils auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Anwendungsbereich der Impugnationsklage ist auf Fälle eingeschränkt, in denen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nicht mit Rekurs vorgebracht werden können. Somit kommen für die Impugnationsklage nur Sachverhalte in Betracht, die bei Bewilligung der Exekution noch nicht aktenkundig waren bzw bei einem mangelfreien erstgerichtlichen Exekutionsverfahren hätten ermittelt werden müssen (3 Ob 115/13b; 3 Ob 12/14g; Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 36 Rz 8).
2. Bestreitet der Verpflichtete, dass der im Exekutionsantrag behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs‑ oder Unterlassungsgebot darstellt, steht ihm dafür nur der
Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen den Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (RIS‑Justiz RS0123123).
3. Wurde über einen der Anfechtungsgründe der §§ 35 und 36 EO im Rekurswege rechtskräftig entschieden, so steht der Geltendmachung dieses Anfechtungsgrundes im Klageweg die Rechtskraft entgegen, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (RIS‑Justiz RS0001545 [T1]).
4. Daraus folgt, dass die im Verfahren über den Rekurs der Beklagten als betreibende Partei gegen die zunächst erfolgte Abweisung des Exekutionsantrags geprüfte und bejahte Titelbestimmtheit ebenso wenig Impugnationsgrund ist wie die Auslegung, ob der Titel auch das Abstellen von Anhängern umfasst. Dass im Exekutionsantrag ein Verstoß des Klägers mit „seinem“ Hänger behauptet wurde, der Hänger aber tatsächlich einem Dritten gehört, ist im Impugnationsverfahren ebenfalls nicht beachtlich, weil die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung rechtskräftig auf „eines in der Verfügungsmacht“ des Klägers stehenden Fahrzeugs Bezug nimmt.
5. Demgegenüber war die Frage, ob die dem Mieter erteilte Zustimmung zum Abstellen eines Hängers auf dem Grundstück Nr 957 auch eine Zustimmung zu dem im Exekutionsantrag beanstandeten Verhalten des Klägers beinhaltet, nicht Gegenstand der Prüfung im Verfahren zur Erlassung der Exekutionsbewilligung. Anders läge die Sache nur dann, wenn die betreibende Partei im Exekutionsantrag den nun festgestellten Sachverhalt selbst behauptet hätte. Dann nämlich wäre einer Prüfung, ob ein Titelverstoß vorliegt oder ob die dem Mieter erteilte Zustimmung auch als Zustimmung zu dem als Titelverstoß geltend gemachten Verhalten zu qualifizieren ist, das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot nicht entgegengestanden. Da die Beklagte im Exekutionsantrag ein solches Vorbringen jedoch nicht erstattete, ist die in der Klage behauptete Zustimmung ein tauglicher Impugnationsgrund.
6. Dem Erstgericht ist im Ergebnis darin beizupflichten, dass die dem Mieter erteilte Zustimmung nach dem allein maßgeblichen objektiven Erklärungswert nicht darauf eingeschränkt war, dass der Mieter nur einen eigenen Hänger abstellen dürfe. Die Zustimmung war lediglich davon abhängig, dass der Hänger nur zu einem bestimmten, noch dazu im Interesse der gesamten Hausgemeinschaft liegenden Zweck (Abladen von Strauchschnitt durch den die Gartenpflege besorgenden Mieter) und nur für eine begrenzte Dauer (ein bis zwei Tage) abgestellt wird. Nach dem objektiven Verständnis ‑ die nicht bekannt gegebenen Motive des Geschäftsführers der Beklagten sind nicht relevant ‑ ist diese Zustimmungserklärung nicht dahin auszulegen, dass es der Beklagten darauf angekommen wäre, ob der verwendete Hänger in der Verfügungsmacht des Mieters oder eines Dritten (etwa eines Leihwagenunternehmens) stand, solange nur der Mieter dafür sorgte, dass der Hänger nur zu dem genannten Zweck abgestellt wurde. Auf eine Überschreitung der bewilligten Höchstdauer des Abstellens stützte die Beklagte ihren Exekutionsantrag nicht.
Dass nur der Hänger, nicht aber das Kraftfahrzeug des Klägers auf dem Grundstück „abgestellt“ wurde, hat ebenfalls bereits das Erstgericht ‑ von der Berufung der Beklagten nicht aufgegriffen ‑ zutreffend erkannt.
7. Schon aus diesem Grund ist der Impugnationsgrund des § 36 Abs 1 Z 1 erster Fall EO verwirklicht. Ob der von einem Dritten geborgte Hänger überhaupt in der „Verfügungsmacht“ des Klägers stand, bedarf daher ebenso wenig einer Prüfung wie der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Exekutionsführung.
8. Wenn das Berufungsgericht einer Berufung stattgegeben und das erstgerichtliche Urteil abgeändert hat, wodurch ein gegen dieses Urteil erhobener Kostenrekurs gegenstandslos wurde, und der Oberste Gerichtshof das erstinstanzliche Urteil wiederherstellt, dann ist vom Obersten Gerichtshof über die Kostenrüge zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0036069 [T1]).
Die Kostenrüge des Klägers gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist nicht berechtigt:
Die Beklagte beanstandete in erster Instanz das Kostenverzeichnis des Klägers im Umfang der Bemessungsgrundlage und dahin, dass die vom Kläger erstattete Replik nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient habe (ON 9).
Die im Kostenrekurs des Klägers aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe sein erstinstanzliches Kostenverzeichnis nicht bemängelt, ist somit unzutreffend.
Aber auch inhaltlich ist das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Streitwert der Impugnationsklage nach dem unter Anwendung der §§ 54 und 56 JN ermittelten Wert des betriebenen und von der Klage betroffenen Anspruchs richtet und den Wert der von der Klage betroffenen Forderung nicht übersteigen kann (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 36 Rz 47 mwN).
Die Kostenentscheidung für das Kostenrekursverfahren gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der verzeichnete Ansatz war zu korrigieren.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt (vgl Punkt 8.) lediglich 10.000 EUR.
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