Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
In der Versteigerungstagsatzung vom 21. August 2006 beantragte der deutsche Staatsangehörige Ulrich D***** die Zulassung als Bieter. Er legte einen Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber eine Negativbestätigung iSd § 5 Abs 4 des Wiener AusländergrunderwerbsG LGBl 1998/11 idgF vor. Das Erstgericht ließ den Antragsteller als Bieter nicht zu und erteilte der Meistbietenden um das Meistbot von 65.000 EUR den Zuschlag an dem versteigerten, mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil. Der nicht zugelassene Bieter erhob Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung. Das Rekursgericht gab seinem Protokollarrekurs statt und versagte der Meistbietenden den Zuschlag. Nach Zitierung der einschlägigen Bestimmungen des Wiener AusländergrunderwerbsG (§ 1 Abs 1 und 2, § 3 Z 2 und 3, § 5 Abs 1 und 4) führte es in rechtlicher Hinsicht aus:
„In der Entscheidung 5 Ob 58/04x hat der Oberste Gerichtshof erkannt, dass die in § 22 Abs 3 Stmk GVG normierte Verpflichtung zur vorherigen Genehmigung eines Rechtsgeschäftes durch die Grundverkehrsbehöre der europarechtlichen Regelung über die Kapitalverkehrsfreiheit (Artikel 56 EG-Vertrag) widerspricht. Kraft des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts darf diese Bestimmung von den innerstaatlichen Gerichts- und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden.
Gleiches muss für die in § 5 Abs 4 Wiener AusländergrunderwerbsG vorgesehene Verpflichtung von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedsstaaten zur Einholung einer Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien vor dem Bieten bei einer Zwangsversteigerung gelten. Nach der Judikatur des EuGH sind nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, zu beseitigen (Straberger, EU-Recht, Grundverkehrsrecht 1, 2 mwN). Der Grunderwerb durch Bürger anderer Mitgliedsstaaten wird als eine Form des Kapitalverkehrs qualifiziert und unterliegt der Kapitalverkehrsrichtlinie (88/361/EWG vom 24. 6. 1988, ABL L 178, 5). Sämtliche nationalen Gesetze, also auch alle Bestimmungen über die Regulierung des Liegenschaftserwerbes, müssen den Grundfreiheiten entsprechen, um nicht gegen Gemeinschaftsrecht zu verstoßen (Straberger aaO Grundverkehrsrecht 1, 5 mwN). Jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist zu unterlassen. Österreichische Maßnahmen, welche der Regulierung des Grundverkehrs dienen, müssen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein. Ihre Nichtbeachtung bringt unweigerlich einen Verstoß mit dem Gemeinschaftsrecht und gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren mit sich. Beschränkungen des Liegenschaftserwerbs waren in Österreich lediglich für Zweitwohnungen während einer Übergangsfrist nach dem EU-Beitritt zulässig. Ein allgemeines Genehmigungsverfahren verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht. § 3 Wiener AusländergrunderwerbsG, wonach die Bestimmungen des § 1 keine Anwendung finden, ist daher unter Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes wörtlich dahingehend auszulegen, dass Bürger anderer Mitgliedsstaaten der EU beim Bieten in einer Zwangsversteigerung wie Inländer zu behandeln sind, also keine Bestätigung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 5 Abs 4 Wiener AusländergrundverkehrsG [erkennbar gemeint:
AusländergrunderwerbsG] brauchen. Dem Rekurs war daher Folge zu geben.
Ist der Rekurs berechtigt, so ist der Zuschlag zu versagen und nicht der Beschluss des Erstgerichtes aufzuheben und die Exekutionssache an dieses zurückzuverweisen (EvBl 1968/219). Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Rekursgerichtes über die Versagung der Zuschlags hat das Erstgericht gemäß § 187 Abs 5 EO von Amts wegen die erforderlichen weiteren Verfügungen zu treffen, also einen neuen Versteigerungstermin anzuberaumen (Angst in Angst, EO, § 187 Rz 9). Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Ersteherin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerberin lässt den vom Rekursgericht festgestellten Umstand der deutschen Staatsangehörigkeit des vom Bieten Ausgeschlossenen unbekämpft und führt zusammengefasst nur aus, dass schon wegen der Unterschiedlichkeit der Grundverkehrsbestimmungen in der Steiermark und in Wien aus der vom Rekursgericht zitierten Vorentscheidung 5 Ob 58/04x die einen rechtsgeschäftlichen Grunderwerb zu behandeln gehabt habe, nicht abzuleiten sei, dass das Erfordernis der Beibringung einer Negativbestätigung mit den „Europarechtlichen Richtlinien über die Grunderwerbsfreiheit" in Widerspruch stünde. Die Beibringung einer Negativbestätigung erfordere kein umfangreiches Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde.
Dazu ist folgendes auszuführen:
I. Das österr. Grundverkehrsrecht der Länder darf wegen des
Anwendungsvorrangs des EU-Rechts mit diesem nicht in Widerspruch
stehen. Nationale Beschränkungen des Grunderwerbs durch EU-Bürger
sind nach den in der Entscheidung 5 Ob 58/04x (= ecolex 2005, 373 =
RdW 2005, 357 = NZ 2005, 189 [Hoyer, NZ 2005, 191] = NZ 2006, 150 =
MietSlg 56.857 = RZ 2005, 45 EÜ 18), zitierten Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH C-302/97 - Slg der Rechtsprechung 1999 I-03099, Klaus Konle gegen Republik Österreich = wbl 1999, 405; C-515/99 u.a. - Slg der Rechtsprechung 2002 I-02157, Hans Reisch und andere gegen Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg und Grundverkehrsbeauftragter des Landes Salzburg u.a.) wegen der grundlegenden Freiheiten des Gemeinschaftsrechts (u.a. der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit) nur zulässig, wenn sie im allgemeinen Interesse gelegen sind, nicht diskriminierend angewandt werden und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das gleiche Ergebnis nicht mit gelinderen Mitteln erreicht werden kann. In der „Konle"-Entscheidung des EuGH ging es um die Zulässigkeit der im Tiroler Grundverkehrsrecht normierten Abhängigkeit des Grunderwerbs von einer Bestätigung der Grundverkehrsbehörde über die Erklärung des Rechtserwerbers über die Nutzung des Kaufobjekts. Der EuGH erachtete ein dem Grundstückserwerb vorangehendes Genehmigungsverfahren vor der Grundverkehrsbehörde (in dem die raumplanerischen Voraussetzungen des Tiroler Gesetzes geprüft werden) mit den Art 56 EG und 70 der Beitrittsakte für unvereinbar, ein Anmeldeverfahren, in dem der Erwerber nur eine zunächst nicht weiter zu prüfende Erklärung abgibt, die erst nach dem Grunderwerb geprüft und bei Unrichtigkeit mit Sanktionen belegt wird, aber für gemeinschaftsrechtskonform. In diesem Sinn erging in der Entscheidung „Reisch" die Anfragebeantwortung des EuH, die Regelung des § 12 Sbg GVG, wonach der Erwerber das Geschäft anzeigt und Erklärungen abgibt, dass er Österreicher oder Angehöriger eines anderen Mitgliedsstaates sei und eine im EG-Vertrag oder im EWR-Abkommen garantierte Freiheit in Anspruch nehme und wie er das Grundstück nutzen werde, nicht mit den Art 56 EG bis 60 EG in Widerspruch, wohl aber das im Sbg GVG vorgesehene vorherige Genehmigungsverfahren mit der Prüfungsbefugnis des Grundverkehrsbeauftragten und seiner Kompetenz zur Ausstellung oder Verweigerung einer für den Grunderwerb erforderlichen Bestätigung.
II. In der Entscheidung 5 Ob 58/04x hatte der Oberste Gerichtshof die Vereinbarkeit der für den Grunderwerb von Ausländern im § 22 Stmk GVG normierten Voraussetzungen zu prüfen. Nach der Rsp des EuGH sei ein „Erklärungsmodell" nur dann gemeinschaftsrechtskonform, wenn „gänzlich auf eine materielle Prüfung der grundbücherlichen Durchführung des Liegenschaftserwerbs verzichtet werde", nicht aber ein Verfahren, in dem der EU-Ausländer der Grundverkehrsbehörde das Vorliegen der Ausübung einer der EU-Grundfreiheiten nachzuweisen habe und nur „gegebenenfalls" eine Negativbestätigung erteilt werde. Ein „Nachweismodell" mit vorhergehender Negativbestätigung widerspreche der europarechtlichen Regelung über die Kapitalsverkehrsfreiheit (Art 56 EGV). Wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts verfügte der 5. Senat die bücherliche Einverleibung des Kaufvertrags, obwohl keine Negativbestätigung vorgelegt worden war, aber auch die Zustellung seiner Entscheidung an die Grundverkehrsbezirkskommission zur Ermöglichung einer nachprüfenden Kontrolle des Erwerbsvorgangs durch die Grundverkehrsbehörde (in diesem Sinne folgte er seiner
Vorentscheidung 5 Ob 16/02t = SZ 2002/33 = NZ 2003, 124 [Hoyer, 127]
= MietSlg 54/10 = immolex 2003, 22 = ZIK 2002, 171).
III. Vor Behandlung der relevierten unterschiedlichen Rechtslage im Grundverkehrsrecht in den Bundesländern Steiermark und Wien zur Begründung der Gemeinschaftsrechtskonformität des Erfordernisses einer Negativbestätigung (§ 5 Abs 4 Wiener AusländergrunderwerbsG) ist festzustellen, dass die Rechtsfragen sich gleichermaßen stellen, wenn der EU-Ausländer das Grundstück rechtsgeschäftlich oder aber im Wege einer Zwangsversteigerung als Ersteher - wie hier - erwerben will (auch in der Rechtssache des EuGH „Konle" hatte ein deutscher Staatsangehöriger den Zuschlag erhalten). § 1 Wiener AusländergrunderwerbsG stellt auf alle Arten des Erwerbs ab. Auch wenn in der Ausnahmebestimmung des § 3 leg. cit. nur von Rechtsgeschäften die Rede ist, lässt die Gesetzessystematik erkennen, dass auch der Erwerb durch Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsfahren erfasst sein soll, andernfalls § 1 Abs 2 leg. cit. unverständlich wäre, wonach der ausländische Ersteher eine Bestätigung nach § 5 Abs 4 leg. cit. vorzulegen hat.
IV. Auch das Wiener AusländergrunderwerbsG sieht ein dem Grunderwerb vorangehendes Prüfungsverfahren vor, ist also mit der Regelung nach dem Grundverkehrsrecht in der Steiermark in diesem entscheidenden Punkt vergleichbar, sodass den Erwägungen des 5. Senats in der zitierten Vorentscheidung auch hier entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt:
1. Dem § 22 Abs 2 StmkGVG entspricht im Wesentlichen § 3 Z 2 Wiener AusländergrunderwerbsG. Als Ausländer gelten nicht (bzw.: die Bestimmungen über Ausländer gelten nicht für ...) Personen in Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs, des Aufenthaltsrechts und der Freiheit des Kapitalverkehrs. Nach § 22 Abs 3 StmkGVG hat der Ausländer der Grundverkehrsbehörde das Vorliegen dieser Tatbestände nachzuweisen. Gegebenenfalls hat die Grundverkehrsbehörde zu bestätigen, dass eine Genehmigung eines Rechtsgeschäfts ... nicht erforderlich ist.
§ 5 Abs 1 Wiener AusländergrunderwerbsG sieht vor, dass der EU-Ausländer als Eigentümer im Grundbuch nur eingetragen werden darf, wenn er die im § 5 Abs 4 angeführte Negativbestätigung vorlegt. Abs 4 lautet:
„Ist nach § 3 Z 2 oder 3 ein Rechtserwerb von der Genehmigungspflicht des § 1 ausgenommen, hat der Magistrat dies auf Verlangen des Erwerbers unter Beibringung entsprechender Nachweise schriftlich zu bestätigen (Negativbestätigung)."
Entscheidend ist der Halbsatz „unter Beibringung entsprechender Nachweise", was nur bedeuten kann, dass 1. der Antragsteller entsprechende Behauptungen iSd § 3 Z 2 leg. cit., also über die Inanspruchnahme einer der dort genannten Freiheiten, aufzustellen und
2. dazu Nachweise zu erbringen hat, die die Grundverkehrsbehörde auch prüft. Damit ordnet auch das Wiener Gesetz eine dem Grunderwerb vorangehende, materielle Kontrolle an, die vom EuGH als nicht gemeinschaftsrechtskonform angesehen wird, wenn die Möglichkeit des gelinderen Mittels einer Nachprüfung besteht. Eine solche sieht hier § 5 Abs 2 leg. cit. mit dem dort angeführten amtswegigen Löschungsverfahren auch vor. Entgegen dem Revisionsrekursvorbringen handelt es sich bei der Negativbestätigung also nicht um einen reinen Formalakt ohne „suspensive" Wirkung, bei dem nur die einfache Tatsache der EU-Staatsbürgerschaft zu prüfen wäre, die Grundverkehrsbehörde also nur die Erklärung des Ausländers formell, nicht aber materiell zu prüfen hätte, in welchem Fall die gesetzliche Regelung nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht als gemeinschaftsrechtskonform angesehen werden könnte (Schneider, Die „Konle"-Entscheidung des EuGH und ihre Auswirkungen auf das österreichische Grundverkehrsrecht, ZfV 2000, 16 [21 und 25]).
2. Die zitierte kursorische Bestimmung über die Beibringung „entsprechender Nachweise" determiniert die Prüfbefugnis der Grundverkehrsbehörde nicht ausreichend und eröffnet einen weiten Ermessensspielraum mit der Gefahr einer EU-Ausländer diskriminierenden Gesetzesanwendung. Auch auf diesen Aspekt hat der EuGH in seiner „Konle"-Entscheidung ausdrücklich abgestellt (Erwägungsgründe 40 und 41). Wenn demnach schon die Gefahr einer diskriminierenden Verwaltungspraxis die Unvereinbarkeit der Gesetzesbestimmung mit dem Gemeinschaftsrecht auslöst (so interpretiert auch Herzig, Grundverkehr und Europäisches Gemeinschaftsrecht, WBl 1999, 395 [397] die „Konle"-Entscheidung), ist der Ausweg versperrt, § 5 Abs 4 Wiener AusländergrunderwerbsG gemeinschaftsrechtskonform iSd Rechtsmittelvorbringens dahin auszulegen, dass die Behörde bloß die formellen Voraussetzungen (EU-Staatsbürgerschaft; Erklärung über die Inanspruchnahme einer oder aller angeführten Freiheiten) zu prüfen hätte.
V. Daraus folgt iSd vom erkennenden Senat geteilten, in der Vorentscheidung 5 Ob 58/04x vertretenen Ansicht die Unanwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmung über die Vorlagepflicht einer Negativbestätigung in der Versteigerungstagsatzung. Der EU-Ausländer, der seine Zulassung als Bieter anstrebt, hat mit geeigneter Urkunde seine EU-Staatsbürgerschaft nachzuweisen und in Erfüllung der aus den Bestimmungen des Wiener AusländergrunderwerbsG abgeleiteten Erklärungspflicht eine Erklärung dahin abzugeben, welche der im EG-Vertrag bzw. EWR-Abkommen garantierten Freiheiten er in Anspruch nimmt. Auf diese Erklärung hat der Exekutionsrichter hinzuwirken, um so der Grundverkehrsbehörde eine nachprüfende Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbs zu ermöglichen.
Demnach kann dem Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein. Die Ersteherin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 40 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO).
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