European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00249.16P.0222.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Vorinstanzen gaben dem von der Klägerin erhobenen Rechnungslegungsbegehren über sämtliche von der Beklagten in einem bestimmten Zeitraum erhaltenen und aus einem näher bezeichneten Vertrag resultierenden Zahlungen statt, um der Klägerin die Bezifferung ihrer von diesen erhaltenen Zahlungen abhängigen Provisionsansprüche zu ermöglichen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision, mit der sie die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens anstrebt, keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Der keinesfalls ausdehnend auszulegende erste Anwendungsfall des Art XLII EGZPO begründet keinen neuen materiell‑rechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung; er setzt vielmehr voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht. Eine solche ist auch aus privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ableitbar, wenn ein Vertragsteil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang des Vermögens im Ungewissen und der andere unschwer in der Lage ist Auskunft zu erteilen und die Auskunftserteilung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zumutbar ist (1 Ob 239/05m; RIS‑Justiz RS0034986 [T5]). Bei Vertragsverhältnissen besteht eine Verpflichtung zur Rechnungslegung insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und über den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0035050). Der Rechnungslegungsanspruch steht auch jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell‑rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0106851). Der Anspruch nach Art XLII EGZPO ist kein „Notbehelf“, sondern steht grundsätzlich jedem zu, der gegen einen ihm materiell‑rechtlich zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Leistungsbegehren nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, erheben kann, wenn dem Verpflichteten diese Auskunft nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (8 Ob 255/99d; RIS‑Justiz RS0034907 [T2]).
Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt. Wenn die Beklagte in Bestreitung des von den Vorinstanzen zuerkannten Offenlegungsanspruchs das Bestehen des klägerischen Hauptanspruchs dem Grunde nach verneint, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab. Demnach wäre der die Basis des klägerischen Provisionsbegehrens bildende Vertrag (Phase 2 des Bewässerungsprojekts) innerhalb der Vertragslaufzeit abgeschlossen worden, wenn die Beklagte den Beratungsvertrag mit der Klägerin nicht unberechtigterweise gekündigt hätte. Der Provisionsanspruch wäre somit bei ordnungsgemäßer Vertragsfortsetzung vor Fristablauf entstanden. Weiters steht fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit ohne die unberechtigte Kündigung fortgesetzt hätte, weshalb der Klägerin die mangelnde, aufgrund der Kündigung sogar unmögliche Unterstützung beim Folgevertrag nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Ohne vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung hat das Berufungsgericht bei Beurteilung des die Grundlage des Rechnungslegungsanspruchs bildenden Hauptanspruchs daher den hypothetischen Kausalverlauf zugrundegelegt und davon ausgehend den Provisionsanspruch dem Grunde nach bejaht. Im Hinblick auf die festgestellten vertraglichen Vereinbarungen der Streitteile (geschuldete Dienstleistungen der Klägerin einerseits und erfolgsabhängige, an den lukrierten Vertragsentgelten orientierte Provisionsverpflichtung andererseits) bedurfte es keiner auf das Handelsvertretergesetz gestützter Rechtsgrundlage.
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