Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei mit Beschluss vom 21. März 2013 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 12.886,25 EUR aufgrund des Bescheids des Landeshauptmanns von Burgenland vom 16. November 2012 die Gehalts‑ und Fahrnisexekution.
Der Verpflichtete beantragte die Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 197 Abs 3 IO. Die Betreibende habe es verabsäumt, einen Antrag gemäß § 197 Abs 2 IO in dem zu 12 S 51/08t des Erstgerichts geführten Schuldenregulierungsverfahren zu stellen. Die der Exekution zugrunde liegende Forderung beziehe sich auf eine Zeit vor Konkurseröffnung.
Die Betreibende trat in ihrer Äußerung dem Einstellungsbegehren des Verpflichteten entgegen. Die Exekution werde aufgrund eines im „Titelverfahren“ nach § 35 EO ergangenen rechtskräftigen Bescheids geführt, der nicht von einer bloß quotenmäßigen Befriedigung der von der Betreibenden geltend gemachten Beitragsforderung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgehe, sondern die Vollzahlung nachträglich hervorgekommener Beitrags-forderungen anordne. Eine Einstellung der Exekution nach § 197 Abs 3 IO sei nach der rechtskräftigen und auch für das Exekutionsgericht bindenden Entscheidung im „Titelverfahren“ nach § 35 EO nicht mehr möglich. Die betriebene Beitragsforderung sei überdies auf § 156 Abs 6 KO gestützt worden; die Beitragsforderung habe aus dem alleinigen Verschulden des Verpflichteten nicht bis zur Zahlungsplantagsatzung im Schuldenregulierungsverfahren angemeldet werden können.
Das Erstgericht stellte das Exekutionsverfahren antragsgemäß gemäß § 197 Abs 3 IO ein.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der Betreibenden dahin ab, dass der Verpflichtete mit seinem Einstellungsantrag auf den Rechtsweg verwiesen wird. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Behandlung des Einwands eines allfälligen Verschuldens nach § 156 Abs 6 KO bei Vorliegen einer rückständigen Beitragsforderung einerseits und einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung, die dieselbe Forderung als Masseforderung qualifiziert, andererseits Rechtsprechung fehle.
Der der betriebenen Forderung zugrunde liegende Rückstand an Sozialversicherungsbeiträgen sei im Hinblick auf die Verwirklichung des die Beitragspflicht auslösenden Sachverhalts vor Konkurseröffnung als Konkursforderung zu werten. Davon ausgehend wäre gemäß § 197 Abs 3 KO eine Exekutionsführung nur bei Vorliegen eines Beschlusses im Sinn des § 197 Abs 2 KO möglich, andernfalls der Exekutionsantrag abzuweisen sei. Die Betreibende habe sich aber sowohl in ihrem Exekutionsantrag als auch in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag auf das Vorliegen des Verschuldenstatbestands nach § 156 Abs 6 KO sowie darauf berufen, dass ein Verfahren im Sinn des § 35 EO im Verwaltungsverfahren abgeführt worden sei. Die Verwaltungsbehörde habe die zugrunde liegende Beitragsforderung als eine erst nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens neu entstandene Verbindlichkeit beurteilt, die von der Bereinigungswirkung des Zahlungsplans nicht erfasst sein könne. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Konkursforderung, eine Masseforderung oder eine erst nach Konkursaufhebung entstandene Forderung betrieben werde, gehe es nicht um eine Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Titels, sondern um die insolvenzrechtliche Beurteilung eines Exekutionshindernisses. Darüber sei auch bei einem verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel von den Gerichten zu entscheiden. Hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Qualifikation der betriebenen Forderung folge das Rekursgericht der in einem Vorverfahren vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsauffassung, es handle sich um eine Konkursforderung, unbeschadet des Bescheids des Landeshauptmanns von Burgenland. Nach der Aktenlage könne aber nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 156 Abs 6 KO vorliegen. Diese auf der Tatsachenebene liegenden strittigen Umstände könnten nicht im Einstellungsverfahren geklärt werden, sondern ausschließlich in dem dafür vorgesehenen Impugnationsverfahren. Der Verpflichtete sei daher mit seinen Einwendungen zur Frage des Verschuldenstatbestands nach § 156 Abs 6 KO auf den Rechtsweg zu verweisen. Eine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 156 Abs 6 KO liege bisher nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie eine Abweisung des Einstellungsantrags des Verpflichteten anstrebt, ist zur Klärung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass im Hinblick auf das vor dem 1. Juli 2010 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren die Bestimmungen der Konkursordnung idF vor dem IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) anzuwenden sind (§ 273 Abs 1 IO).
Der erkennende Senat hat zu 3 Ob 215/11f (SZ 2011/150) ‑ die selben Parteien und die selbe Beitragsschuld betreffend - festgehalten, dass die faktische Unmöglichkeit einer Forderungsanmeldung einer Konkursforderung noch nicht den Charakter einer Masseforderung oder einer „neu entstandenen“ Forderung verleiht. Dabei wurde auf die Regelung des § 156 Abs 6 KO (nunmehr § 156 Abs 4 IO) hingewiesen, wonach Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben sind, nach Konkursaufhebung Zahlung in voller Höhe verlangen können.
§ 197 Abs 3 KO normiert eine Prüfungspflicht des Exekutionsgerichts jedenfalls in formeller Hinsicht. Wenn sich der Umstand, dass der betreibende Gläubiger Konkursgläubiger ist, schon aus dem Exekutionstitel oder dem Exekutionsantrag ergibt und kein Beschluss nach § 197 Abs 2 KO vorgelegt wird, ist der Exekutionsantrag abzuweisen. Wenn der Exekutionstitel ‑ wie hier ‑ aus der Zeit lange nach der Konkurseröffnung und auch nach der Konkursaufhebung stammt, ist die Exekution zwar zu bewilligen, weil nach der Aktenlage offenbar keine Konkursforderung betrieben wird; der Verpflichtete kann aber gemäß Abs 3 die Einstellung des Exekutionsverfahrens beantragen und zwar erfolgreich mit einem Einstellungsgesuch (vgl § 40 EO), wenn er die Konkursgläubigereigenschaft des betreibenden Gläubigers behauptet und urkundlich nachweisen kann oder der betreibende Gläubiger diese nicht bestreitet (s § 7 Abs 2 zweiter Satz EO). Dann ist das Exekutionsverfahren aus dem formellen Grund des Fehlens einer vorläufigen Entscheidung des Konkursgerichts nach § 197 Abs 2 KO einzustellen. Hängt die Entscheidung von strittigen Tatumständen ab, ist über die Frage der Vollstreckbarkeit (§ 36 EO) im Rechtsweg zu entscheiden (3 Ob 215/11f).
Der Zuständigkeit des Exekutionsgerichts steht auch nicht entgegen, dass der Exekutionstitel hier von einer Verwaltungsbehörde stammt. Die Befreiung von Verbindlichkeiten aufgrund eines rechtskräftig bestätigten Ausgleichs (§ 156 KO) oder eines Zahlungsplans wird im verwaltungsbehördlichen Titelverfahren bei der Bescheiderlassung nicht geprüft. Darüber ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erst im Abgabeneinhebungsverfahren, also im Exekutionsverfahren zu entscheiden. Bei der gestellten Frage, ob eine Konkursforderung, eine Masseforderung oder eine erst nach Konkursaufhebung entstandene Forderung betrieben wird, geht es nicht um eine Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Titels, sondern um die insolvenzrechtliche Beurteilung eines Exekutionshindernisses. Darüber ist auch bei einem verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel von den Gerichten zu entscheiden (3 Ob 215/11f mwN; RIS‑Justiz RS0000193). Diese exekutionsgerichtliche Entscheidungsbefugnis umfasst nicht nur die bereits zu 3 Ob 215/11f erörterte und auch vom Verpflichteten zur Begründung seines neuerlichen Einstellungsantrags herangezogene Frage nach der insolvenzrechtlichen Einordnung der betriebenen Forderung, sondern auch die von der Betreibenden zur Begründung ihres ungekürzten Anspruchs aufgestellte Behauptung, der Verpflichtete sei allein schuld daran, dass die Betreibende ihre Konkursforderung erst nach Aufhebung des Konkurses habe geltend machen und betreiben können. Auch die Voraussetzungen der (ausnahmsweisen) Betreibung einer Konkursforderung nach Konkursaufhebung in voller Höhe sind daher auch bei Betreibung eines verwaltungsbehördlichen Exekutionstitels von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. Liegen nur unstrittige oder urkundlich nachgewiesene Umstände auf der Tatsachenebene vor, hat das Exekutionsgericht im Verfahren über den Einstellungsantrag des Verpflichteten zu entscheiden; andernfalls ist ‑ wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat ‑ mit der Verweisung auf den Rechtsweg vorzugehen.
Entgegen der von der Betreibenden in ihrem Revisionsrekurs vertretenen Ansicht steht der gerichtlichen Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 156 Abs 6 KO hier zutreffen, die Rechtskraft und Bindungswirkung des den Exekutionstitel bildenden verwaltungsbehördlichen Bescheids vom 16. November 2012 nicht entgegen. Ein „Bindungskonflikt“ kann nur dort entstehen, wo eine Behörde bei Entscheidung einer Rechtsfrage eine Vorfrage zu beurteilen hat, über welche eine andere Behörde als Hauptfrage rechtskräftig abgesprochen hat (2 Ob 601/85). Für die Gerichte ist nur das verbindlich, was die Verwaltungsbehörde im Bescheid verfügt hat, nicht aber auch dessen Begründung; bindend ist daher nur der Spruch über den Bescheidgegenstand (RIS‑Justiz RS0037051, RS0036948, RS0037015). Es besteht daher keine Bindung an die in der Begründung des Bescheids des Landeshauptmanns von Burgenland vorgenommene Qualifikation der betriebenen Forderung in insolvenzrechtlicher Hinsicht. Eine Bindung besteht nur in Ansehung der Höhe und des Ursprungs der Forderung (in diesem Verfahren nicht strittig). Über die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 156 Abs 6 KO hat die Verwaltungsbehörde nicht abgesprochen, auch nicht in der Bescheidbegründung.
Der insgesamt unberechtigte Revisionsrekurs muss daher scheitern. Die Betreibende hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 40 und 50 ZPO).
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