OGH 3Ob23/89

OGH3Ob23/8915.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst O***, Landwirt, Rottendorf 4, vertreten durch Dr. Giselher Arko, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei R*** St. Andrä reg. Genossenschaft mbH, St. Andrä im Lavanttal, vertreten durch Dr. Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 5 Millionen sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1988, GZ 3 R 576/88-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirchen/Ktn. vom 30.Mai 1988, GZ 3 C 6/86-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 29.467,80 (darin S 4.911,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der beklagten Partei Kredite in Anspruch genommen und sich zusammen mit seiner Ehefrau mittels vollstreckbaren Notariatsaktes verpflichtet, bis zum 15.Oktober 1985 S 29,106.537,-- zu zahlen. Die im Eigentum des Klägers und seiner Frau gestandenen Liegenschaften in Weindorf im Gerichtsbezirk St. Veit a.d. Glan wurden zur Hereinbringung einer Teilforderung von S 6 Millionen versteigert; am 16.Dezember 1987 wurden sie um ein Meistbot von S 24,050.000,-- an einen Dritten zugeschlagen. Der Zuschlag ist in Rechtskraft erwachsen, die Meistbotsverteilung wurde noch nicht durchgeführt. Im Eigentum des Klägers stehen noch die Liegenschaften EZ 46 und 74 je KG Glanegg und EZ 146 KG St.Urban. Unter Berufung auf den vollstreckbaren Notariatsakt hat die beklagte Partei zur Hereinbringung einer Teilforderung von S 5 Millionen beim Erstgericht am 6.November 1986 zu E 115/86 die Bewilligung der Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaften EZ 46 und 74 je KG Glanegg erwirkt.

Mit der am 21.November 1986 eingelangten Klage erhob der Kläger Einwendungen gegen diese Exekutionsbewilligung. Die beklagte Partei habe auf die Zwangsversteigerung dieser beiden Liegnschaften in Rottendorf ohne irgend eine Bedingung verzichtet. Der Direktor der beklagten Partei, Dr. Edgar S***, habe am 11.September 1986 ausdrücklich erklärt, "wir werden Rottendorf nicht versteigern, wir lassen uns das nicht nachsagen". Der Kläger brachte in der Folge noch vor, der Vorstand der beklagten Partei habe beschlossen, die Liegenschaften nicht zu versteigern.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ihr Geschäftsleiter Dr. Edgar S*** habe nie auf die Versteigerung der Liegenschaften in Rottendorf verzichtet; auch ihr Vorstand habe dies nie beschlossen. Bei der Besprechung am 11.September 1986 habe sich Dr. Edgar S*** lediglich in unverbindlicher Weise dahin geäußert, daß vorerst nur die Zwangsversteigerung der Liegenschaften in Weindorf zur Diskussion stehe. Über die weitere Vorgangsweise könne erst entschieden werden, wenn die Höhe des dabei erzielten Meistbotes bekannt sei. Verzögerungshandlungen des Klägers im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Bezirksgericht St. Veit a. d. Glan könnten allerding Anlaß für eine Exekutionsführung in die Liegenschaft Rottendorf bieten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende

Feststellungen:

Die beklagte R*** wird von zwei Geschäftsleitern,

darunter Dr. Edgar S***, geführt. Der Geschäftsleiter ist berechtigt, Zusicherungen bis zu einem Betrag von S 1,500.000,-- zu geben. Darüber hinaus muß ein Geschäftsleiter die Zustimmung des Vorstandes einholen; bei dem Kreditvolumen des Klägers hätte außerdem eine Zustimmung des Aufsichtsrates vorliegen müssen. Im September 1986 war die Versteigerung einer Liegenschaft des Klägers beim Bezirksgericht St. Veit a.d. Glan (Weindorf) bereits anhängig. Der Kläger wollte die Aufschiebung dieser Exekution erreichen, weil er für ein anderes Grundstück einen Käufer habe und die betriebene Forderung ohne die Versteigerung abdecken wollte. Der Geschäftsleiter der beklagten Partei, Dr. Edgar S***, wollte in den vom Kläger erwähnten Kaufvertrag Einsicht nehmen; er rief deshalb beim damaligen Rechtsfreund des Klägers, Dr. Otfried F***, an und ersuchte um eine dringende Besprechung in dessen Kanzlei. Die Besprechung fand am 11.September 1986 statt; anwesend war außer dem Kläger, Dr. Otfried F*** und Dr. Edgar S*** noch der Notar Dr. Georg S***, der die beklagte Partei im Versteigerungsverfahren vor dem Bezirksgericht St. Veit a.d. Glan vertrat. Das vom Kläger vorgelegte Offert eines Kaufwerbers erachtete Dr. Edgar S*** als wertlos. Er erklärte, eine Aufschiebung der Versteigerung der Liegenschaft Weindorf könne nur gewährt werden, wenn der Kläger S 6 Millionen bezahle. Der Kläger erwiderte darauf, er sei dazu nicht in der Lage. Dr. Edgar S*** erklärte, es sei das Ziel der beklagten Partei, die gesamte Forderung hereinzubringen. Auf den Vorhalt Dr. Otfried F***, wenn die Versteigerung der Liegenschaft Weindorf die Forderung der beklagten Partei nicht decke, müßte auch Rottendorf versteigert werden und der Kläger von Haus und Hof gehen, antwortete Dr. Edgar S***: "Nein, das werden wir uns nicht nachsagen lassen". Auf diese Äußerung antwortete Dr. Otfried F***: "Ihnen traue ich es aber zu". Sonst wurde über die Liegenschaft Rottendorf nicht gesprochen. Vorstand und Aufsichtsrat der beklagten Partei haben den Beschluß gefaßt, die Liegenschaft Rottendorf zu versteigert. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Ein Exekutionsverzicht müsse zu seiner Wirksamkeit in eindeutiger und unzweifelhafter Weise zum Ausdruck gebracht werden. In der nur als Nebenbemerkung gefallenen Äußerung des Geschäftsleiters der beklagten Partei liege nicht eine unmißverständliche Verzichtserklärung. Eine solche müßte im vorliegenden Fall auch deshalb gegeben sein, weil ein Verzicht auf die Anlaßexekution den Verzicht auf einen großen Teil des Anspruches hätte bewirken können; denn ausreichend anderes Vermögen des Klägers zur Tilgung seiner Schuld stehe keineswegs fest. Der Kläger habe darüber hinaus nicht darauf vertrauen dürfen, daß der Geschäftsleiter der beklagten Partei eine unbeschränkte Handlungsvollmacht besitze. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes könne auch die Zusage einer Exekutionsstundung nicht angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Ein Exekutionsverzicht liegt vor, wenn die beklagte Partei - eindeutig - auf die Einleitung der Exekution überhaupt, also dauernd, eine Exekutionsstundung, wenn sie auf die Einleitung der Exekution für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat (Heller-Berger-Stix 430 und 432).

Verzicht erfolgt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung durch Vertrag (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1444, Harrer in Schwimann, ABGB V 453, je mwN) und bedarf daher der Annahme durch den Schuldner (SZ 54/7). Zwar genügt es, daß der Schuldner die Verzichtserklärung stillschweigend (SZ 54/7 mit weiteren Nachweisen), widerspruchslos (EvBl 1971/229) entgegennimmt; doch darf nicht zweifelhaft sein, daß die Erklärung des Gläubigers einen Verzicht enthält (Harrer aaO 554, SZ 54/7 mwN). Verzichtserklärungen sind eher einschränkend auszulegen (Harrer aaO), zumindest wenn der Verzicht unentgeltlich erfolgt (Rummel aaO Rz 5 sowie Rz 2 zu § 915). Die festgestellte Äußerung des Geschäftsleiters der beklagten Partei Dr. Edgar S*** auf den Vorhalt des Vertreters des Klägers bei der Besprechung vom 11.September 1986, es müßte, wenn die Versteigerung der Liegenschaft Weindorf die Forderung der beklagten Partei nicht decke, auch Rottendorf versteigert werden, sodaß dann der Kläger von Haus und Hof gehen müsse: "Nein, das werden wir uns nicht nachsagen lassen", bringt keineswegs unzweifelhaft den Willen des genannten Geschäftsleiters zum Ausdruck, auf eine Exekutionsführung (überhaupt oder für eine bestimmte Frist) auf die Versteigerung der Liegenschaft in Rottendorf, die nicht Gegenstand jener Besprechung war, zu verzichten. Dr. Edgar S*** hat sich mit diesen Worten erkennbar nur gegen die Unterstellung zur Wehr gesetzt, die beklagte Partei sei, wenn sie ihre gesamte Forderung gegen den Kläger anders nicht hereinbringe, bestrebt, diesen dem Ruin und der Obdachlosigkeit preis zu geben; nur in diesem Sinn wurde die Äußerung wohl auch vom Notar Dr. Georg S*** aufgefaßt (AS 154: "Sinngemäß hat Dr. S*** darauf geantwortet, daß dies nicht das Bestreben der beklagten Partei sei"), und entgegen den Revisionsausführungen zumindest bei der Besprechung vom 11. September 1986 selbst vom Vertreter des Klägers Dr. Otfried F***. Dieser hätte sonst nicht bloß die Worte des Geschäftsleiters der beklagten Partei in Zweifel gezogen ("Ihnen traue ich das aber zu"), sondern sich deren später zugemessene Bedeutung bestätigen lassen.

Zutreffend sind daher die Vorinstanzen zum Ergebnis gekommen, daß ein Verzicht nicht vorliege. Es bedarf dann keiner weiteren Ausführungen, ob der Kläger und sein Vertreter ihn zur Erklärung eines derartigen Verzichts berechtigt ansehen durften (vgl. jedoch hiezu die Rechtsprechung zu den §§ 26 GenG und 54 HGB, wie etwa SZ 57/12, sowie zur Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand, wie etwa SZ 48/20).

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41 und 50 ZPO.

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