OGH 3Ob229/09m

OGH3Ob229/09m25.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Dr. R***** H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 1) J***** H*****, 2) D***** H*****, 3) O***** H*****, alle vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Juni 2009, GZ 16 R 152/09f-16, womit über Rekurs der S***** H*****, vertreten durch Mag. Felix Wallner, Rechtsanwalt in Baden, der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 20. Februar 2009, GZ 16 A 63/09z-4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit gemeinsamer letztwilliger Verfügung vom 10. April 2006 setzten sich der Erblasser und seine Ehegattin wechselseitig zu Alleinerben ihres gesamten Vermögens ein und beschränkten die Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil.

Der Sohn des Verstorbenen, D*****, beantragte eine einstweilige Verfügung zur Sicherung bestimmter Sparbücher, die sich bis kurz vor dem Tod des Vaters in dessen Tresor befunden hätten. Die Nichte des Verstorbenen, die mit ihm und der Witwe im gemeinsamen Haushalt gelebt und den Tresorcode gekannt habe, habe mitgeteilt, sie hätte die Sparbücher in Verwahrung genommen. Da der Antragsteller (und sein Bruder) nicht im Besitz der Sparbücher seien und in diesen die Losungswörter eingelegt seien, befürchteten sie, dass das Geld vorzeitig durch Fremde behoben werden könnte.

Das Erstgericht wies die kontoführende Bank an, die Sparbücher zugunsten des Gerichts zu sperren. Aufgrund der Angaben des Sohnes D***** seien Sicherungsmaßnahmen gemäß § 147 AußStrG vorzunehmen.

Über Rekurs der Nichte wies das Rekursgericht den Sicherungsantrag des Sohnes zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. Der Antragsteller sei als bloßer Pflichtteilsberechtigter auf die Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt, die nicht das Recht zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Verlassenschaftsverfahren umfassten. Es bleibe ihm unbenommen, die Sicherung von Vermögensbestandteilen der Verlassenschaft anzuregen, die Entscheidungskompetenz hiefür liege aber beim Gerichtskommissär.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers, seiner Mutter und seines Bruders ist nicht zulässig.

Ungeachtet der Pluralformulierungen im Antrag (wir haben ...) ist allein der Antragsteller als solcher genannt, hat dieser unterschrieben und fehlt auch jede Angabe zu einer allfälligen Bevollmächtigung durch die Mutter oder den Bruder des Antragstellers. Durch die Antragszurückweisung kann daher nur der Antragsteller selbst beschwert sein; seiner Mutter und seinem Bruder fehlt von vornherein die Rechtsmittellegitimation.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Noterbe im Abhandlungsverfahren nur insoweit Beteiligter, als durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichts eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird (RIS-Justiz RS0006500 [T9]). Die Antragslegitimation des Noterben ist im Verlassenschaftsverfahren auf die Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt (4 Ob 202/02p mwN). Die Vorschriften der §§ 784 und 804 ABGB über die Rechte des Noterben auf Inventierung und Schätzung des Nachlasses haben nur den Zweck, dem Noterben eine Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils zu geben, ihm also die Geltendmachung seiner Pflichtteilsforderung überhaupt erst zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0012906). Mit Rücksicht auf seine Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB ist der Noterbe dem Abhandlungsverfahren beizuziehen; er kann sich auf diese Weise - ohne dass dadurch allerdings einem späteren Pflichtteilsprozess in irgendeiner Weise vorgegriffen würde - die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils verschaffen und so schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen (RIS-Justiz RS0006519).

Diesen Grundsätzen, die durch die Reform des Außerstreitverfahrens nicht verändert wurden, entspricht die Antragszurückweisung des Rekursgerichts. Da der Noterbe in diesem Fall offensichtlich über Kenntnis von den Sparbüchern (nach Kontonummern, Bank und Einlagenstand) verfügt, deren Zugehörigkeit zum Nachlass und damit Bestandteil der Berechnungsgrundlage seiner Pflichtteilsforderung er behauptet, ist ein Interesse an der Nachlassverwahrung nicht erkennbar.

Die dem Noterben offenstehende Antragstellung nach § 812 ABGB dient der Sicherung vor den Gefahren der Vermengung des Nachlasses mit dem Erbenvermögen und allen denkbaren Gefahren, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (RIS-Justiz RS0013073; Sailer in KBB2, Rz 2 zu § 812 ABGB mwN). Derartige Umstände sind dem Antragsvorbringen aber nicht zu entnehmen, behauptet der Noterbe doch die Verwahrung der Sparbücher durch die im Haushalt des Verstorbenen lebende Nichte, die nicht Erbin ist, und befürchtet die Behebung durch Fremde. Die Feststellung von die Einbringlichmachung seiner Pflichtteilsansprüche gefährdenden Verfügungen der Erben (konkret: seiner Mutter) ergeben sich daraus nicht. Aus § 812 ABGB kann daher die Legitimation zur Stellung eines Sicherungsbegehrens nicht abgeleitet werden.

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