European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00227.13Y.0219.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde gemäß § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbeitrag zu zahlen, der zuletzt einvernehmlich mit 1.904,65 EUR festgelegt wurde. Wegen eines Verdachts in diese Richtung beauftragte der Kläger im Jahr 2011 eine Detektei, um herauszufinden, ob die Beklagte in einer Lebensgemeinschaft mit einem bestimmten Mann lebt. Die Recherchen der Detektei ergaben Hinweise auf eine Wohngemeinschaft. Im Anschluss verlangte der Kläger von der Beklagten mit der Behauptung, Erhebungsergebnisse hätten eindeutig zu Tage gebracht, dass sie mit diesem Mann eine aufrechte Lebensgemeinschaft unterhalte, die Rückzahlung von zu Unrecht bezogenen Unterhaltsbeträgen für etwa drei Jahre sowie den Ersatz der Detektivkosten von 13.202,46 EUR. Die Beklagte bezahlte darauf die Unterhaltsbeiträge für die Zeit von Juni 2010 bis einschließlich August 2011 zurück. Im vorliegenden Verfahren gestand die Beklagte den Bestand einer Lebensgemeinschaft seit Juni 2010 zu (so schon in ON 3).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte dem Kläger die Detektivkosten aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen hat, was vom Berufungsgericht bejaht wurde; da es sich um die Lösung eines Einzelfalls handle, sei die ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten . Angesichts des Werts des Entscheidungsgegenstands von 13.202,46 EUR ist zunächst zu klären, ob die funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung darüber gegeben ist. Das ist nur dann der Fall, wenn eine familienrechtliche Streitigkeit iSd § 49 Abs 2 Z 2b JN vorliegt, weil diesfalls die Abs 2 und 3 des § 502 ZPO nicht gelten (§ 502 Abs 5 Z 1 ZPO). Das ist aus folgenden Gründen zu bejahen: Die bezirksgerichtliche Eigenzuständigkeit nach § 49 Abs 2 Z 2b JN („aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringende Streitigkeiten“) setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Streitigkeit ohne das Eheverhältnis gar nicht denkbar wäre (RIS‑Justiz RS0121843). Kann der geltend gemachte Anspruch auch in einem Rechtsverhältnis zwischen Personen bestehen, die nicht miteinander verheiratet sind oder waren, so liegt keine Streitigkeit aus dem Eheverhältnis vor. Für den anspruchsbegründenden Sachverhalt muss das Eheverhältnis daher zumindest mitbestimmend sein (RIS‑Justiz RS0044093; RS0046499). Der vorliegende Streit setzt den früheren Bestand einer Ehe zwischen den Streitteilen voraus; denn nur zwischen ehemaligen Ehegatten ist sowohl eine nacheheliche Unterhaltsverpflichtung als auch deren Ruhen denkbar, was auch für die Fragen einer Offenlegungs- oder Informationspflicht des Unterhaltsberechtigten und die Folgen deren Verletzung gilt. Der Umstand, dass die Unterhaltspflicht des Klägers in einer aus Anlass einer Scheidung geschlossenen Vereinbarung festgelegt wurde, ändert an dieser Abhängigkeit nichts.
Der Beklagten gelingt es aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb ihre Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang nicht nur (erneut) meritorisch ‑ wenn auch ohne Beschlussfassung über die von der Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede ‑ entschieden, sondern in den Entscheidungsgründen seine sachliche Zuständigkeit ausdrücklich bejaht (ON 22 S 7). Für diese nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidung greift der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN (RIS‑Justiz RS0046339). Alle Ausführungen in der Revision zu einer angeblichen Nichtigkeit des Verfahrens wegen Unzuständigkeit des Erstgerichts gehen daher ins Leere. Abgesehen davon ist ‑ wie bereits dargelegt ‑ ohnehin eine familienrechtliche Streitigkeit zu behandeln.
2. Die Beklagte tritt der vom Berufungsgericht auf der Grundlage einer Verletzung ihrer Offenlegungspflicht bejahten Verpflichtung zum Schadenersatz im Wesentlichen nur mit den Argumenten entgegen, es fehle an ihrem Verschulden und an der Kausalität. Ihrer Ansicht nach sei zwar nicht geklärt, wer unter welchen Voraussetzungen eine Lebensgemeinschaft offen legen müsse; dennoch trägt sie keinen einzigen Grund vor, warum eine solche Verpflichtung einer Unterhaltsberechtigten gegenüber einem Unterhaltspflichtigen nicht gegeben sein sollte.
Im Rahmen der Behandlung eines außerordentlichen Rechtsmittels erübrigt sich deshalb eine weitere Auseinandersetzung damit.
3. Ihr fehlendes Verschulden an der Verletzung der Offenlegungspflicht begründet die Beklagte in der Revision damit, sie habe die rechtlichen Details zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft als juristischer Laie nicht gekannt; es würden auch Feststellungen fehlen, um das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft und als Folge davon den Erfolg der Tätigkeit der Detektive beurteilen zu können. Sie habe auch keine Kenntnis davon gehabt, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft zum Ruhen ihres Unterhaltsanspruchs führe; das sei ihr nicht vorwerfbar.
3.1. In erster Instanz hat die Beklagte nie behauptet, sie sei sich gar nicht bewusst gewesen, eine Lebensgemeinschaft eingegangen zu sein. Auf diese unzulässige Neuerung ist daher nicht weiter einzugehen.
3.2. Feststellungen zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft (ab Juni 2010) waren nicht notwendig, weil die Beklagte eine solche ja ‑ erst nach Konfrontation mit den Rechercheergebnissen ‑ zugestanden hat. Jedenfalls wurde damit die Verdachtslage, die zur Einschaltung der Detektei führte, bestätigt.
3.3. Nach einer ‑ vom Kläger ohnehin bekämpften ‑ Feststellung war die Beklagte (entsprechend ihrer Behauptung) der Ansicht, dass die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft keinen Einfluss auf ihren Unterhaltsanspruch habe; sie befand sich dazu also in einem Rechtsirrtum, der Ausgangspunkt der Verletzung ihrer Offenlegungspflicht wurde.
Rechtsunkenntnis und der gleichzuhaltende Rechtsirrtum sind aber nur dann nicht vorwerfbar, wenn die (richtige) Rechtslage einem Betroffenen trotz zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erkennbar war; die Frage, ob die Kenntnis der richtigen Rechtslage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar war, ist unter Anlegung eines strengen Maßstabs zu beurteilen (6 Ob 43/08d; RIS-Justiz RS0008663).
Im Zusammenhang mit der Aufrechenbarkeit von Gegenforderungen durch den Oppositionskläger hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen sei, dass einer Unterhaltsberechtigten bewusst sei, dass sie trotz Ruhens ihres Unterhaltsanspruchs weiterhin zu Unrecht Unterhaltszahlungen entgegennimmt, und dass sie die hiedurch bewirkte Schädigung des Klägers zumindest in Kauf nahm (3 Ob 209/99b; 4 Ob 204/02g; Gitschthaler Unterhaltsrecht 2 Rz 881).
Gemessen am maßstabgetreuen Durchschnittsmenschen musste die Beklagte (auch als Pensionistin und Bewohnerin eines „kleinen Dorfs“) angesichts des erkennbaren Versorgungscharakters von nachehelichen Unterhaltszahlungen zumindestens Zweifel daran haben, ob sie auf diese weiter Anspruch hat, wenn sie eine Lebensgemeinschaft aufnimmt; das hätte sie zu geeigneten Erkundigungen veranlassen müssen. Diese waren ihr mit Rücksicht auf den hohen monatlichen Unterhaltsbeitrag und wegen der Möglichkeiten zur unentgeltlichen Rechtsberatung zweifellos zumutbar. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagten als deren Ergebnis die Rechtsfolge des Ruhens zur Kenntnis gelangt wäre, weil das langjähriger und einhelliger Judikatur des Obersten Gerichtshofs entspricht und die Beantwortung dieser Frage keine speziellen juristischen Fachkenntnisse erfordert. Die Rechtsunkenntnis der Klägerin ist ihr daher vorzuwerfen und vermag deshalb ihr Verschulden nicht zu beseitigen.
4.1. Soweit die Beklagte die Kausalität ihrer Unterlassung als ungeklärt ansieht, weil festgestellt worden sei, dass sie dem Kläger auf Nachfrage ohnehin mitgeteilt hätte, dass sie eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, entfernt sie sich vom festgestellten ‑ ohnehin vom Kläger bekämpften ‑ Sachverhalt. Das Erstgericht nahm nämlich nur an, dass sie die Frage des Klägers, ob der andere Mann bei ihr wohne, bejaht hätte; damit hätte sie aber nur eines der für die Annahme einer Lebensgemeinschaft relevanten Elemente zugestanden.
4.2. Die von der Beklagten als Beleg für eine Obliegenheit des Klägers, vor Beauftragung eines Detektivbüros mit ihr Kontakt aufzunehmen, zitierte Entscheidung 4 Ob 52/06k ist nicht einschlägig. Diese betrifft nämlich die Haftung einer der Ehestörung verdächtigen Dritten für Detektivkosten; abgesehen davon wurde eine vorhergehende Nachfrage bei der Dritten nur deshalb verlangt, weil aufgrund einer früheren Aussprache aller drei beteiligten Personen ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet worden sei, dem entsprochen hätte werden müssen. Für den Regelfall wurde vielmehr eine Verpflichtung zur Nachfrage ausdrücklich verneint, weil durch die damit möglicherweise verursachten (weiteren) Heimlichkeiten der Zweck eines Überwachungsauftrags gefährdet werden könnte; das gilt auch hier, sodass die unterbliebene Kontaktaufnahme durch den Kläger vor der Beauftragung der Detektei weder zu verlangen war, noch Grundlage für die Annahme eines von der Beklagten reklamierten Mitverschuldens des Klägers sein kann.
5. Ist ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu bejahen, kann dieser als Hauptanspruch geltend gemacht werden. Die eingewendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ist daher zu verneinen.
6. Eine Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.
In seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang hat es klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Verfahrensergänzung erforderlich ist, um beurteilen zu können, ob auch andere Möglichkeiten zum gleichen Erfolg, nämlich zur Kenntnis des Klägers vom Bestand einer Lebensgemeinschaft geführt hätten (ON 18 S 19).
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