OGH 3Ob193/03h

OGH3Ob193/03h21.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard L*****, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G*****gesellschaft m. b. H., ***** vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beseitigung (Streitwert 4.360,37 EUR) und Feststellung (Streitwert 2.906,91 EUR) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2003, GZ 35 R 661/02v-16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Juni 2003, AZ 35 R 661/02v, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. September 2002, GZ 28 C 935/01m-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft mit Haus in Wien-Favoriten. Vor dem Haus befindet sich auf öffentlichem Gut ein sogenannter "E-Bock" im Eigentum der beklagten Partei. Der Kläger begehrte die Beseitigung des E-Bocks und den Ausspruch der Haftung der beklagten Partei "für alle vermögenswerten Schäden und Folgeschäden" wegen dessen ab 1. Oktober 2001 unterbliebenen Beseitigung.

Die beklagte Partei wendete ein, es handle sich um eine behördlich genehmigte Anlage. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil der Kläger schon auf Leistung hätte klagen können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, aber nicht 20.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Letzteren Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 18. Juni 2003 dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei. Aus der bisherigen Rsp des Obersten Gerichtshofs sei nicht ableitbar, ob für Ansprüche aus der geltend gemachten Beeinträchtigung durch den auf öffentlichem Grund errichteten streitverfangenen E-Bock "die 30-jährige Verjährungsfrist wie bei unbeweglichen Sachen oder die 3-jährige wie bei beweglichen Sachen" maßgebend sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Das Erstgericht stellte im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung fest, der streitverfangene E-Bock sei als Anlage behördlich genehmigt worden. Diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht aufgrund von Schlussfolgerungen aus aufgenommenen Beweisen übernommen. Soweit der Kläger darin eine Aktenwidrigkeit erblickt, führt er in Wahrheit eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge aus. Das Beseitigungsbegehren hätte daher nach § 364a ABGB selbst dann scheitern müssen, wenn ein anderer nachbarrechtlicher Anspruch zu bejahen wäre.

2. Nach Ansicht der Vorinstanzen soll der mit dem Feststellungsbegehren geltend gemachte Anspruch verjährt sein. Die beklagte Partei erhob allerdings gar keine Verjährungseinrede. Sie behauptete im vorbereitenden Schriftsatz vom 5. November 2001 (Einlangen) lediglich, "im Hinblick darauf, dass dieser Strombock bereits im Jahre 1974 errichtet wurde, ist auch Ersitzung eingetreten" (ON 3). Unklar ist, was sie mit diesem Vorbringen zum Ausdruck bringen wollte. Gegen das Feststellungsbegehren wendete sie im Besonderen nur ein, es sei bereits eine Leistungsklage möglich (ON 3). In der Revision wird nicht gerügt, dass die Vorinstanzen die Verjährung des dem Feststellungsbegehren zugrunde liegenden Anspruchs ohne Vorliegen einer Verjährungseinrede unterstellten. Die Verjährungsfrage ist jedoch, wie sich aus den tieferstehenden Ausführungen ergeben wird, ohnehin nicht präjudiziell.

3. Der erkennende Senat führte in der Entscheidung 3 Ob 191/99f (= JBl 2001, 99 [Stefula]) aus, die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB beträfen Kollisionen gleichrangiger Eigentumsrechte. Sie sähen Einschränkungen der Nutzungsbefugnisse jedes Eigentümers im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn vor. Dieses Recht bezwecke die Bewirkung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Nutzungsinteressen der Liegenschaftsnachbarn; es solle dem einen Grundeigentümer die ortsübliche Nutzung seines Eigentums ermöglichen, den Nachbarn aber vor damit verbundenen wesentlichen Beschränkungen bewahren. Spezifische Schutzobjekte des Immissionsrechts seien unmittelbar weder die Substanz des Grundstücks noch dessen Wert noch die Person des Liegenschaftsnachbarn, sondern die Nutzungen des Nutzungsberechtigten kraft dessen Eigentumsrechts. Es sei jedoch keineswegs jede Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung eines Grundstücks als Immission unzulässig. Bei der Interessenabwägung im Einzelfall sei zu berücksichtigen, dass der Eigentümer gemäß § 362 ABGB grundsätzlich das Recht habe, seine Sache nach Willkür zu benützen. Lediglich bei gravierenden Einwirkungen iSd § 364 Abs 2 ABGB stehe dem Eigentümer des Nachbargrundstücks ein Unterlassungsanspruch zu. Bei negativen Immissionen werde das Tatbestandsmerkmal, dass die Einwirkung die ortsübliche Benutzung des Grundstücks "wesentlich" beeinträchtigen müsse, nur sehr selten erfüllt sein. Die Gewährung des Immissionsschutzes dürfe nicht überspannt werden.

4. An den soeben referierten Grundsätzen ist festzuhalten. Nach Ansicht des Erstgerichts soll der streitverfangene E-Bock eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung der Liegenschaft des Klägers nicht bewirken. Insofern ist wesentlich, dass der Kläger im Verhandlungstermin vom 9. April 2002 erklärte, das von der beklagten Partei vorgelegte Foto über die aktuelle Situation stimme "mit der Wirklichkeit" überein (ON 10 S. 2). Angesichts des nach dem Foto erkennbaren Grads der den Klagegrund bildenden Beeinträchtigung ist in der Ansicht des Erstgerichts - vor dem Hintergrund der unter 3. erläuterten Rechtslage - zumindest keine grobe Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Revision wäre daher auch dann unzulässig, wenn das Berufungsgericht dieser Ansicht beigetreten wäre und die Abweisung des Feststellungsbegehrens nicht mit dem Argument der Verjährung des ihm zugrunde liegenden Anspruchs bestätigt hätte.

5. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Aus allen bisherigen Erwägungen folgt, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof dabei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40, 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei unterließ einen Hinweis auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision. Ihre Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich.

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