OGH 3Ob191/08x

OGH3Ob191/08x19.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden, widerbeklagten sowie des Gegners der gefährdeten Partei Johann Alfred A*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgit Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte, widerklagende und gefährdete Partei Denise Anna Katharina A*****, Hausfrau, (zuletzt) *****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH Dr. Wilfried Ludwig Weh in Bregenz, wegen Ehescheidung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten, widerklagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 21. Juli 2008, GZ 1 R 188/08t‑63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 27. Mai 2008, GZ 7 C 104/07p‑44, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00191.08X.1119.000

 

Spruch:

1.) Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2.) Der Schriftsatz der beklagten, widerklagenden und gefährdeten Partei vom 22. August 2008 (ON 69) wird zurückgewiesen, soweit er als Nachtrag zum außerordentlichen Revisionsrekurs zu verstehen ist (§ 520 Abs 1 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu 2.): Da jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht, war die zwei Tage nach Einbringung des außerordentlichen Revisionrekurses erfolgte „Urkundenvorlage zu den Rechtsmitteln vom 18. August 2008 und im Hauptverfahren" zurückzuweisen, insoweit sie eine Ergänzung des Revisionsrekurses darstellt. Ein derartiger Nachtrag ist unzulässig, auch wenn er - wie hier - noch innerhalb der 14‑tägigen Frist zur Einbringung des Revisionsrekurses erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0041666).

Zu 1.) a): Zu dem im außerordentlichen Revisionsrekurs enthaltenen Ablehnungsantrag:

Erstmals lehnte die nunmehrige Rechtsmittelwerberin den das erstinstanzliche Verfahren führenden Richter mit ihrem Antrag ON 35 erfolglos ab (siehe Beschluss ON 40). Einen neuerlichen Ablehnungsantrag erhob sie im Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung ON 44 und verwies auf ihr dazu bisher erstattetes Vorbringen. Das Rekursgericht ging davon aus, dass damit keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt worden seien und eine sofortige Entscheidung zulässig wäre, ohne dass die gemäß § 23 JN zuständigen Organe befasst werden müssten. In ihrem (dritten) Ablehnungsantrag (ON 62) brachte die Rechtsmittelwerberin vor, die Befangenheit des Erstrichters ihr gegenüber ergebe sich nunmehr eindeutig nicht nur aus dem Inhalt des mittlerweile ergangenen Beschlusses vom 29. Juli 2008, mit dem nun ihre Wegweisung gemäß § 382b EO verfügt worden war, sondern auch aus der Art und Weise der Zustellung dieses Beschlusses. Die Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag erfolgte am 20. August 2008 (ON 67); eine Befangenheit wurde neuerlich verneint. Noch bevor der Rechtsmittelwerberin die Entscheidung zugestellt war - die Zustellung erfolgte erst am 25. August 2008 -, wiederholte sie im außerordentlichen Revisionsrekurs ihren dritten Ablehnungsantrag mit identer Begründung.

Grundsätzlich ist die Geltendmachung der Befangenheit noch im Rechtsmittelschriftsatz unter der Voraussetzung zulässig, dass das Verfahren insgesamt noch nicht rechtskräftig erledigt ist (RIS‑Justiz RS0046032) und erst im Rechtsmittelverfahren Gründe bekannt werden, die die Ablehnung eines Richters unterer Instanz rechtfertigen. Im Falle einer erfolgreichen Ablehnung wäre die Entscheidung nichtig (Kodek in Rechberger3 § 477 ZPO Rz 4). Zur Entscheidung über einen in einem Revisionsrekurs erhobenen Ablehnungsantrag ist gemäß § 23 JN nicht der Oberste Gerichtshof, sondern sind die in § 23 JN genannten Organe berufen (im vorliegenden Fall das Landesgericht, da der abgelehnte Richter Vorsteher eines Bezirksgerichts ist). Seit der Entscheidung 8 N 10/88 = EvBl 1989/18 hat der Oberste Gerichtshof aber wiederholt ausgesprochen, dass eine sofortige oberstgerichtliche Entscheidung dann zulässig ist, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden (1 Ob 623/92) oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgt (RIS‑Justiz RS0046015). Letzteres ergibt sich hier aus dem Umstand, dass die Rechtsmittelwerberin - obwohl sie einen gleichlautenden Ablehnungsantrag bereits einmal eingebracht hatte - diesen mit identer Begründung wiederholte, ohne die noch ausständige Entscheidung abgewartet zu haben. Rechtsmissbräuchlich wiederholte Ablehnungsanträge müssen aber nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung werden. Es besteht daher kein Anlass, vor der Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs das Revisionsrekursverfahren zu unterbrechen und eine Beschlussfassung gemäß § 23 JN durch den Ablehnungssenat des zuständigen Landesgerichts herbeizuführen.

b) Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund ist zu verneinen. Solange eine - im Sinne der obigen Ausführungen erforderliche - Beschlussfassung über die Befangenheit des abgelehnten Richters nicht vorliegt, kann die Entscheidung durch den abgelehnten Richter keine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO bewirken (stRsp, Nachweise bei Kodek aaO).

c) Die im Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete - abstrakt formulierte - Rechtsfrage, „ob ein langjähriges Opfer nicht ein Mindestmaß an Rechten auf eine entsprechende Behandlung durch das Scheidungsgericht habe und dem Opferschutz eine entsprechende Priorität einzuräumen sei", ist im Konkreten darauf zu reduzieren, dass - nach Ansicht der Revisionsrekurswerberin - der vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Sachverhalt eklatant unrichtig sei. Schon dem Rekursgericht war im Sicherungsverfahren aber die Überprüfung der Beweiswürdigung insoweit verwehrt, als das Erstgericht den Sachverhalt aufgrund der vor ihm abgelegten Parteienaussagen oder sonstiger Bescheinigungsmittel als bescheinigt angenommen hat (verstärkter Senat 6 Ob 650/93 = SZ 66/164; RIS‑Justiz RS0012391; Kodek in Angst, EO2, § 402 Rz 7). Dies trifft auch für den Obersten Gerichtshof zu, der im Verfahren über einstweilige Verfügungen nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist und daher bei der rechtlichen Beurteilung von dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt auszugehen hat.

d) Vom Rekursgericht verneinte (angebliche) Mängel des Verfahrens - hier die Unterlassung der Bestellung eines psychiatrischen Sachverständigen - können auch im Verfahren über einstweilige Verfügungen im Revisionsrekurs nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek in Angst aaO Rz 18).

e) Ob im Hinblick auf den als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zum Verhalten einer Person ein Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO gerechtfertigt ist oder nicht, stellt nach ständiger Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar, weil diese Beurteilung immer nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0118857). Das gilt auch für die Frage, wann ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten vorliegt, welches das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (7 Ob 237/07i). Eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung dieser Fragen ist in den ausführlich begründeten Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu erblicken; auch deren Beurteilung, dass „Psychoterror", der die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens bewirkt, (noch) nicht vorliegt, hält sich im Rahmen der bisher zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0110444 [T2], RS0110446 [T4]).

Der außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich demnach mangels erheblicher Rechtsfragen als unzulässig.

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