Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Teilurteil und Teilzwischenurteil vom 29. Mai 2009 (ON 88) hat das Oberlandesgericht Wien ausgesprochen, dass das Begehren des Klägers auf Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Ersatz vermehrter Aufwendungen und Pflegeaufwand gegenüber der beklagten Krankenhausträgerin dem Grunde nach zu Recht besteht (Teilzwischenurteil), und festgestellt, dass die beklagte Partei dem Kläger für sämtliche derzeit nicht bekannte Schäden aus dem operativen Eingriff vom 13. März 2002 haftet (Teilurteil).
Der Kläger hatte seinerzeit mit in der am 13. Oktober 2005 eingebrachten Klage ein Schmerzengeld von 90.000 EUR begehrt. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 dehnte er das Schmerzengeldbegehren um 910.000 EUR auf 1.000.000 EUR aus (ON 100, vorgetragen in der Streitverhandlung vom 14. März 2012, ON 160). Die Grundlage für diese Klageausdehnung bildete ein am 27. Februar 2008 erstattetes neurochirurgisches Sachverständigengutachten (ON 56). Die beklagte Partei wandte Verjährung (auch) des erweiterten Schmerzengeldbegehrens ein (ON 119, ebenfalls vorgetragen in der Streitverhandlung vom 14. März 2012, ON 160): Das Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Forderungen unterbreche nicht die Verjährung von bereits bekannten und fälligen Schadenersatzforderungen. Die in der Ausdehnung geltend gemachten Schmerzen seien bereits bei der ursprünglichen Klageerhebung voraussehbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Teilbegehren von 910.000 EUR wegen Verjährung ab. Über Berufung des Klägers sprach das Berufungsgericht mit Teilzwischenurteil aus, dass das Schmerzengeldbegehren im Umfang der Klageausdehnung um 910.000 EUR nicht verjährt sei. Im Fall der Erhebung eines Feststellungsbegehrens für künftige Schäden sei nach ständiger Rechtsprechung eine Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist auch dann zulässig, wenn die Klageausdehnung nicht auf neue Schadenswirkungen, sondern - wie hier - lediglich auf die Ergebnisse eines für den Kläger günstigen Sachverständigengutachtens gestützt werde.
In ihrer außerordentlichen Revision vertritt die beklagte Partei zusammengefasst den Standpunkt, dass sich ein Feststellungsbegehren grundsätzlich nur auf zukünftige, nicht aber auf bereits bekannte und fällige Schadenersatzansprüche beziehe. Werde ein (später erfolgreiches) Feststellungsbegehren mit einer Leistungsklage verbunden, stehe der Verjährungseinwand einer Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist nur dann nicht entgegen, wenn die Klageausdehnung auf neuen, inzwischen eingetretenen Schadenswirkungen beruhe oder auf den Ergebnissen eines für den Kläger unverhofft günstigen Sachverständigengutachtens. Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, wonach hier kein „unverhofft“ (im Sinne von unvorhersehbar) günstiges Sachverständigengutachten vorliege, sei zutreffend, weil die während des Verfahrens eingeholten Gutachten keine wesentlich neuen Erkenntnisse gebracht, sondern den Prozessstandpunkt des Klägers zum Thema der Schadenswirkungen bestätigt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass durch die Einbringung der (später erfolgreichen) Klage auf Feststellung der Haftung aus einem bestimmten Schadensereignis die Verjährung der in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche aus dem Schadensereignis unterbrochen wird (RIS-Justiz RS0034771 [T1]; die kritische Ansicht von M. Bydlinski [in Rummel 3 § 1497 Rz 7a und 10] ablehnend 2 Ob 129/09y = EvBl 2010/60, 414 [Frauenberger-Pfeiler]). Als Folge ist die Ausdehnung eines Leistungsbegehrens nach Ablauf der Verjährungsfrist „zulässig“ (gemeint: der Ausdehnung kann nicht erfolgreich ein Verjährungseinwand entgegengesetzt werden), wenn die Leistungsklage mit einer in der Folge erfolgreichen Feststellungsklage verbunden war (RIS-Justiz RS0031702 [T5]). Dies gilt auch dann, wenn die Klageausdehnung nicht auf neue Schadenswirkungen, sondern lediglich auf die Ergebnisse eines für den Kläger („unverhofft“) günstigen Sachverständigengutachtens gestützt wird (RIS-Justiz RS0031702 [T3]; diese Rechtsprechung referierend Dehn in KBB³ § 1497 Rz 10; Mader/Janisch in Schwimann³ § 1497 Rz 21; kritisch dagegen noch Mader in Schwimann 2 § 1497 Rz 21). Die Rechtsprechung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die endgültige Bezifferung eines Schmerzengeldanspruchs typischerweise erst nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens möglich ist (2 Ob 33/09f = ZVR 2010/200, 406 [Huber]).
Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich im Laufe des Verfahrens keine maßgebliche Änderung in den Schadenswirkungen ergeben hat, liegt die „unverhoffte“ Günstigkeit des Sachverständigengutachtens im vorliegenden Fall darin, dass der neurochirurgische Sachverständige auf Dauer (also für den Rest des Lebens) leichte Schmerzen von durchschnittlich 12 Stunden pro Tag angenommen hat.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb die außerordentliche Revision der beklagten Partei mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen ist (§ 502 Abs 1 ZPO).
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