European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00018.17V.0222.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die mit 860,58 EUR bestimmten Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei (darin 143,43 EUR USt) werden als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Begründung:
Der minderjährige Betreibende beantragte gemäß der Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) wider den Verpflichteten die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung des aufgrund eines bestimmten slowenischen Urteils titulierten Unterhaltsrückstands von 10.273,40 EUR sA und der laufenden Unterhaltsforderung von 400 EUR pro Monat ab 1. Jänner 2016 (Fahrnis‑ und Forderungsexekution nach § 294a EO).
Das Erstgericht bewilligte diese Exekution mit dem Beisatz, dass es das näher bezeichnete slowenische Urteil in Österreich für vollstreckbar erklärte. Diese Entscheidung wurde dem Verpflichteten am 20. Jänner 2016 zugestellt.
Das Rekursgericht wies den vom Verpflichteten gegen diesen Beschluss gerichteten und erst am 17. Februar 2016 übermittelten Rekurs wegen Verspätung zurück. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zu, wie vorzugehen sei, wenn überflüssigerweise ohne diesbezüglichen Antrag ein ausländisches Urteil für vollstreckbar erklärt werde und ob in einem solchen Fall die längere Rechtsmittelfrist von einem Monat herangezogen werden könne. Die hier anwendbare EuUVO sehe für einen durch das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Staat (hier Slowenien) nach Art 17 vor, dass die ergangene Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werde, ohne dass es hiefür eines besonderen Verfahrens bedürfe und ohne, dass die Anerkennung angefochten werden könne (Abs 1), und dass eine in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sei, ergangene Entscheidung, die in diesem Staat vollstreckbar sei, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar sei, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedürfe (Abs 2). Der dessen ungeachtet vom Erstgericht beigesetzte Ausspruch über die Vollstreckbarerklärung des Unterhaltsurteils sei nicht nur verfehlt, sondern jedenfalls unanfechtbar. Auch fehle dem Verpflichteten die Beschwer (das Rechtsschutzbedürfnis), weil jegliche Rekursentscheidung von vornherein nicht geeignet wäre, die Kraft der Unterhaltsverordnung bereits eingetretene Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils zu beseitigen. Zwar könne bei einer Entscheidungsausfertigung, die eine Mehrzahl von Beschlüssen enthalte, jeder der Beschlüsse innerhalb der längsten in Betracht kommenden Frist bekämpft werden, die Inanspruchnahme der längeren Frist setze allerdings die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit der längeren Frist voraus. Da der Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung unzulässig sei, komme für die Bekämpfung der Exekutionsbewilligung nur die dafür gemäß § 521 ZPO iVm § 78 EO sowie Art 41 Abs 1 EuUVO vorgesehene 14‑tägige Frist zum Tragen. Da diese bei Erhebung des Rechtsmittels bereits abgelaufen gewesen sei, sei der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung als verspätet zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Verpflichteten, mit dem er die Aufhebung der Zurückweisung seines Rekurses anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof hielt bereits zu 1 Ob 1739/95 fest, dass zwar bei allen Rechtsmitteln der Grundsatz, dass dann, wenn eine Ausfertigung Entscheidungen enthält, für die verschieden lange Rechtsmittelfristen gelten, immer – gleichgültig, welche ihrer Teile angefochten wird – die längere Rechtsmittelfrist zum Tragen kommt, dies aber voraussetzt, dass das Rechtsmittel mit der längeren Frist grundsätzlich zulässig ist (vgl RIS‑Justiz RS0041696 [T4, T6]). Dem trug die rekursgerichtliche Zurückweisungsentscheidung Rechnung.
Entgegen dem Standpunkt des Revisionsrekurses führt ein allfälliger Gerichtsfehler (wie zB bei der Wahl der Entscheidungsform) nicht zur Gewährung einer im konkreten Fall nicht gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelfrist. So steht etwa dem Rechtsmittelwerber auch dann nur die Rekursfrist zur Verfügung, wenn das Erstgericht eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs unrichtigerweise in Urteils‑ statt in Beschlussform zurückgewiesen hat (10 ObS 66/16b mwN; vgl RIS‑Justiz RS0040285, RS0036324).
Der gänzliche Entfall des Vollstreckbarerklärungsverfahrens und damit auch der Anfechtbarkeit einer dessen ungeachtet erfolgten Vollstreckbarerklärung sowie der hiefür geltenden besonderen Rechtsmittelfrist des § 84 Abs 1 EO ergibt sich aus der gemäß § 86 Abs 1 EO die diesbezüglichen österreichischen Regelungen vollständig verdrängenden Bestimmung des Art 17 EuUVO, die eine unmittelbare Anerkennung des slowenischen Unterhaltstitels in Österreich vorsieht.
Art 17 EuUVO lautet:
„Abschaffung des Exequaturverfahrens
(1) Eine in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidung wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt, ohne dass es hiefür eines besonderen Verfahrens bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.
(2) Eine in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidung, die in diesem Staat vollstreckbar ist, ist in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf.“
Da das Rekursgericht seiner Entscheidung den klaren Gesetzeswortlaut zugrunde legte und der Rechtsprechung folgte, ist der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Da der Betreibende auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies, sind seine Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gemäß § 74 Abs 1 EO als weitere Exekutionskosten zu bestimmen.
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