OGH 3Ob181/13h

OGH3Ob181/13h28.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwäte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Mai 2013, GZ 39 R 311/12t-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 1. August 2012, GZ 45 C 22/12p-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00181.13H.1128.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer jener Liegenschaft samt Haus, in der ua sich das von der Beklagten gemietete und nunmehr gekündigte Bestandobjekt (Büro) befindet.

Ein Rechtsvorgänger des Klägers räumte mit 1. Jänner 1971 einer Dritten das verbücherte Fruchtgenussrecht auf die Dauer von 40 Jahren, somit bis 31. Dezember 2011, ein. Die Fruchtnießerin übernahm ua die Verpflichtung, sowohl bei vorzeitiger Vertragsauflösung als auch bei Ablauf der Vertragsdauer die von ihr ab Beginn des Vertrags vermieteten Bestandobjekte zu räumen bzw auf ihre Kosten räumen zu lassen, sodass der Servitutsgeber in seinem Verfügungsrecht über diese Bestandobjekte in keiner Weise behindert ist.

Im Jahr 1998 schloss die Fruchtnießerin mit der Beklagten über das gekündigte Bestandobjekt top 4b einen Mietvertrag auf bestimmte Dauer, der mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erlöschen sollte; als Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG wurde die aus welchem Grund immer eintretende Beendigung des Fruchtgenussvertrags vereinbart; in diesem Zusammenhang wurde auf die erwähnte, bei jeder Beendigung des Fruchtgenussvertrags geltende Räumungsverpflichtung der Fruchtnießerin mit dem Zweck, den Servitutsgeber in seinem Verfügungsrecht über diese Bestandobjekte in keiner Weise zu behindern, hingewiesen, der die Beklagte vollinhaltlich beitrat, soweit es das von ihr übernommene Mietobjekt betrifft.

Das Fruchtgenussrecht ist mit Ablauf des 31. Dezember 2011 vereinbarungsgemäß erloschen.

Die Vorinstanzen hoben die auf § 30 Abs 2 Z 13 MRG gestützte Aufkündigung des Mietverhältnisses als rechtsunwirksam auf.

Rechtliche Beurteilung

In der gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Nicht strittig ist, dass die vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses über ein zu Geschäftszwecken vermietetes Büro der damals geltenden Rechtslage (§ 29 Abs 3 MRG idF BGBl I 1997/22) widersprach und damit für den Vermieter nicht durchsetzbar war.

2. Das Berufungsgericht hat die Aufkündigung nicht mit der Begründung aufgehoben, dass bei befristeten Mietverträgen kein Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart werden könnte. Es hat vielmehr die Auffassung vertreten, die Beendigung des Fruchtgenussrechts sei ‑ in sinngemäßer Anwendung der Rechtsprechung, die zum vereinbarten Kündigungsgrund des Verkaufs des Hauses ergangen sei ‑ nicht wirksam als Kündigungsgrund iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart worden: Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Ein- oder Zweifamilienhäusern, bestehe ein anerkennenswertes Bedürfnis des (neuen) Vermieters, das Bestandobjekt selbst für Wohn- oder Geschäftszwecke zu nützen.

3. Auf die in der Revision angesprochene (und bejahte) Frage, ob bei (unwirksam) befristeten Verträgen ein Kündigungsgrund vereinbart werden könne, kommt es hier nicht an, weil die tragende Begründung des Berufungsgerichts, dass die Kündigungsvereinbarung an sich nicht wirksam ist, mit den dazu entwickelten Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht und sich als nicht korrekturbedürftige Einzelfallbeurteilung erweist:

3.1 Ein vereinbarter wichtiger Grund, der den Vermieter nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG zur Aufkündigung eines Mietvertrags berechtigt, muss im Mietvertrag bestimmt bezeichnet und den im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Kündigungsgründen an Bedeutung nahekommen (RIS‑Justiz RS0070705; RS0070752; vgl Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht I 22 § 30 MRG Rz 60). Jene Tatsache, die nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG einen Kündigungsgrund bilden soll, muss aber bereits im Mietvertrag zur Gänze konkret angeführt sein. Die Nennung eines nur allgemeinen Tatbestands genügt nicht (RIS‑Justiz RS0070739). Diese Judikatur hat ihren Zweck darin, dass im Sinne des Kündigungsschutzes des Mieters die Umgehung der Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG nicht dadurch ermöglicht werden soll, dass zB im Mietvertrag die Veräußerung der Liegenschaft als wichtiger Umstand für die Kündigung ohne besonderes Bedürfnis des Vermieters nach dieser Auflösungsmöglichkeit vereinbart wird (1 Ob 180/09s; RIS‑Justiz RS0070712).

3.2 Die vom Fruchtnießer einer Liegenschaft abgeschlossenen Bestandverträge, die Hauptmietrechte begründen, erlöschen gemäß § 2 Abs 1 MRG nicht mit dem Fruchtgenussrecht, sondern es kommt zum Eintritt des Eigentümers; es bedarf einer ordnungsgemäßen Aufkündigung oder einer sonst im Gesetz vorgesehenen Auflösung des Bestandverhältnisses, um den Bestandnehmer zur Räumung des Bestandobjekts zwingen zu können (vgl RIS‑Justiz RS0013481; RS0069497 [T1]). Der Rechtsnachfolger ist jedoch legitimiert, einen nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbarten Kündigungsgrund geltend zu machen (3 Ob 508/88 MietSlg 40.471/11).

3.3 Auf die Einhaltung der vom Fruchtnießer übernommenen Räumungsverpflichtung bei Beendigung des Fruchtgenusses als wichtigen Grund kann sich der Kläger als nunmehriger Vermieter keinesfalls berufen. Es lag am Fruchtnießer, bei der Verwertung des Rechts so zu disponieren, dass ihm die Einhaltung seiner übernommen Vertragspflicht unter Berücksichtigung der zwingenden Rechtslage nach dem MRG möglich ist.

3.4 Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beendigung des Fruchtgenussrechts an der Liegenschaft aus der Sicht des Rechtsnachfolgers in der Vermieterstellung wirtschaftlich dem Verkauf des Hauses gleichzusetzen ist.

3.5 Der Verkauf des Hauses kann nicht in jedem Fall zulässig als Kündigungsgrund vereinbart werden. Andernfalls würden die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG, die gemäß § 2 Abs 1 MRG auch für den Erwerber gelten, umgangen (7 Ob 570/91; 3 Ob 542/91; 1 Ob 180/09s). Lediglich der Verkauf eines Hauses mit nur ein oder zwei Bestandobjekten oder der Verkauf eines Fabriksareals wurde in einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für sich allein als bedeutsamer Umstand iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG qualifiziert (zB 3 Ob 508/88 = SZ 61/52 = MietSlg 40.471/11; weitere Nachweise in 1 Ob 180/09s).

3.6 Ein solcher Fall liegt hier unstrittig nicht vor. Unabhängig davon, ob es sich, wie die Revision meint, bei dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude um kein „klassisches“ Zinshaus handelt, ist jedenfalls unstrittig, dass das von der Beklagten gemietete Büro nicht in einem Ein- oder Zweifamilienhaus, sondern in einem Gebäude mit mehreren Bestandobjekten liegt. Ein konkretes Bedürfnis des Klägers an der Auflösungsmöglichkeit wegen persönlicher oder geschäftlicher Eigennutzung (vgl 3 Ob 542/91) wurde im Mietvertrag nicht festgelegt. Als wichtiger und bedeutsamer Grund, der den vereinbarten Kündigungsgrund rechtfertigen soll, wurde hier vielmehr nur vereinbart, dass der Servitutsgeber in seinem Verfügungsrecht über diese Bestandobjekte in keiner Weise behindert sein soll; es soll daher die von bestehenden Bestandverträgen ungehinderte Verwertbarkeit des gesamten Objekts für den Eigentümer als Rechtsnachfolger auf Vermieterseite (= Kläger) gesichert werden. Damit unterblieb schon jede Konkretisierung der (beabsichtigten) Verwertung (sei es durch Verkauf oder durch Eigennutzung).

Für den Kläger lässt sich auch nichts daraus gewinnen, dass bei Beurteilung, ob ein vereinbarter Kündigungsgrund objektiv wichtig und bedeutsam sein muss, auf die Wertungen des § 30 Abs 2 Z 12 MRG zurückgegriffen werden kann (vgl Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht I 22 § 30 MRG Rz 60): Um einen dem Eigenbedarf eines Untervermieters ähnlichen Fall handelt es sich bei der Beendigung eines Fruchtgenussrechts an einer Liegenschaft mit mehreren Bestandobjekten gerade nicht.

3.7 Ein Vertrauen darauf, dass der Vertragspartner von Rechten, auf die er im Voraus wirksam nicht verzichten kann (wie auf den Kündigungsschutz [RIS‑Justiz RS0034015]), nicht Gebrauch machen werde, ist nicht schutzwürdig (RIS‑Justiz RS0016138).

4. Da vom Berufungsgericht somit die wirksame Vereinbarung des Kündigungsgrundes iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG zumindest vertretbar verneint wurde, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen, ohne dass es eines Eingehens darauf bedurfte, ob nicht im Anlassfall überhaupt eine unzulässige Umgehung der zum maßgeblichen Abschlusszeitpunkt geltenden Befristungsbestimmungen des MRG vorliegt: Tatsächlich wurde nämlich ein von vornherein feststehendes und auch datumsmäßig bestimmtes Ereignis ‑ die Beendigung des Fruchtgenussrechts am 31. Dezember 2011 ‑ als Kündigungsgrund vereinbart.

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