OGH 3Ob172/19v

OGH3Ob172/19v4.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.‑Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Josefstadt zu AZ 11 C 2/18k anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*, Rechtsanwalt, *, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO) und Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO), hier wegen Ablehnung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 10. Juli 2019, GZ 12 Nc 21/18g‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126820

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der Kläger lehnte die für das Verfahren über seine Oppositions- und Impugnationsklage zuständige Richterin des Bezirksgerichts Josefstadt und die Vorsteherin dieses Gerichts wegen behaupteter Befangenheit ab. Nachdem der zuständige Senat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eine inhaltliche Entscheidung darüber mit der Begründung abgelehnt hatte, es handle sich um eine rechtsmissbräuchlich wiederholte Ablehnung, erhob der Kläger gegen diesen „Beschluss“ Rekurs. Dieses Rechtsmittel wies das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 9. August 2018, 11 R 102/18b, zurück, weil kein anfechtbarer Beschluss vorliege.

Der Kläger lehnte daraufhin die Mitglieder des Senats 11 des Oberlandesgerichts Wien als befangen ab. Diese Ablehnung wurde vom zuständigen Senat des Oberlandesgerichts Wien mit Beschluss vom 30. Oktober 2018, 13 Nc 21/18i, als unbegründet verworfen.

Dagegen erhob der Kläger einerseits Rekurs und lehnte andererseits die Mitglieder des Senats 13 des Oberlandesgerichts Wien als befangen ab.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss verwarf der nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung darüber berufene Senat 12 des Oberlandesgerichts Wien die Ablehnung der Mitglieder des Senats 13. Das Ablehnungsverfahren diene nicht dazu, die Richtigkeit der von den abgelehnten Richtern in der vom Ablehnungswerber bekämpften Entscheidung vertretenen Rechtsansicht zu überprüfen. Eine solche Überprüfung sei vielmehr dem Rechtsmittelverfahren vorbehalten. Der Umstand, dass die nun abgelehnten Richter aufgrund der in der Entscheidung 11 R 102/18b vertretenen Ansicht, die Rückstellung des Akts durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien an das Bezirksgericht Josefstadt ohne Behandlung der vorgelegten Ablehnungsanträge sei mangels Beschlussqualität nicht bekämpfbar, keine Befangenheit der Mitglieder des Senats 11 erblickt hätten, könne auch keine Befangenheit der nunmehr abgelehnten Mitglieder des Senats 13 begründen. Der Ablehnungswerber erblicke deren Befangenheit vor allem darin, dass sich der von ihnen gefasste Beschluss vom 30. Oktober 2018 mit den Ausführungen in der Ablehnung der Mitglieder des Senats 11 zur von ihm vermuteten (Teil- oder Total‑)Fälschung des Beschlusses vom 9. August 2018, 11 R 102/18b, nicht näher auseinandergesetzt hätten. Dem sei zu entgegnen, dass sich der Ablehnungsantrag insoweit in bloßen Vermutungen erschöpfe, die schon durch die Äußerung der abgelehnten Mitglieder des Senats 11, der Beschluss sei geschäftsordnungsgemäß zustande gekommen, widerlegt seien. Aus dem Umstand, dass sich der Beschluss vom 30. Oktober 2018, 13 Nc 21/18i, nicht näher mit den völlig haltlosen Verdächtigungen einer Teil- oder Totalfälschung des Beschlusses 11 R 102/18b auseinandersetze, sei keine Befangenheit der nunmehr abgelehnten Richter abzuleiten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers aus den Rekursgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Parallel dazu lehnte der Kläger auch die Mitglieder des Senats 12 des Oberlandesgerichts Wien als befangen ab; darüber wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass über den Rekurs trotz der neuerlichen Ablehnung bereits jetzt entschieden werden kann:

Die Geltendmachung der Befangenheit ist auch noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung zulässig, und zwar auch noch im Rechtsmittelschriftsatz. In einem solchen Fall ist vor Entscheidung über das Rechtsmittel grundsätzlich der ersten Instanz die Entscheidung über den Ablehnungsantrag aufzutragen, weil im Falle ihrer Stattgebung diese Instanz ihre vorangegangene Entscheidung als nichtig aufzuheben wäre (RS0042028 [T9, T16]). Anderes gilt jedoch, wenn die Ablehnung – wie im hier vorliegenden Fall einer Ablehnungskaskade mit im Wesentlichen bloß wiederholter Begründung – offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgt (RS0042028 [T7, T24]).

2. Dass die Ablehnung der Mitglieder des Senats 13 des Oberlandesgerichts Wien „entgegen § 183 Abs 3 Geo sofort in das Nc‑Register eingetragen wurde, ohne in einem Register des Präsidiums des Oberlandesgerichts Wien eine Spur zu hinterlassen und ohne Durchführung des Verfahrens nach § 183 Geo“, begründet entgegen der Ansicht des Klägers keine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Der Kläger wurde bereits mit Beschluss vom 12. März 2019 zu 3 Fsc 1/19f darauf hingewiesen, dass seit der Geo‑Novelle 1999 Ablehnungsanträge und Befangenheitsanzeigen ausschließlich in das Nc‑Register einzutragen sind und § 511 Abs 2 Geo, wonach Ablehnungsanträge in das Jv‑Register einzutragen waren, ersatzlos aufgehoben wurde. Damit setzt sich sein Rekurs allerdings nicht auseinander.

3. Es kann auch keine Rede davon sein, dass am angefochtenen Beschluss eine unzuständige Richterin mitgewirkt hätte. Richtig ist zwar, dass ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung regelmäßig auch eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bedeutet. Liegt allerdings ein Vertretungsfall vor, für den die Geschäftsverteilung durch entsprechende Regelungen Vorsorge zu treffen hat und der bei jedweder Abwesenheit des ursprünglich zuständigen Richters – also insbesondere auch im hier vorliegenden, im Akt dokumentierten Fall der urlaubsbedingten Abwesenheit des an sich als Beisitzer (Stimmführer) vorgesehenen Richters – eintritt, wurde das Recht der Parteien auf den gesetzlichen Richter durch die Mitwirkung der geschäftsordnungsmäßigen Vertreterin an der Senatsentscheidung nicht verletzt (vgl 16 Ok 8/13 mwN; RS0123066 [zur Haftverhandlung]).

4. Die Urschrift des angefochtenen Beschlusses wurde unzweifelhaft von allen drei im Kopf der Entscheidung als Senatsmitglieder angeführten Richtern eigenhändig unterfertigt. Entgegen der zitatlosen Behauptung des Rekurswerbers existiert keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wonach die Gültigkeit der Entscheidung die Beisetzung des Datums der Unterfertigung durch jedes einzelne Senatsmitglied voraussetzt. Das fordert auch § 429 Abs 1 ZPO nicht. Auch die im Rechtsmittel zitierte Bestimmung des § 121 Abs 5 Geo qualifiziert das Ersichtlichmachen der „Tagesangabe“ nicht zum Gültigkeitserfordernis einer schriftlichen Abstimmung. Abgesehen davon dokumentiert der (die) Senatsvorsitzende mit der Unterfertigung der Entscheidung unter Angabe des Datums das Zustandekommen einer Entscheidung und damit die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegende Unterfertigung des Entwurfs durch die übrigen Senatsmitglieder (vgl § 122 Abs 2 Geo). Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

5. Die vom Ablehnungswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin liegen soll, dass der Ablehnungsantrag nicht Bestandteil des (gemeint) Akts 12 Nc 21/18g des Oberlandesgerichts Wien sei, ist schon deshalb nicht gegeben, weil sich ein Ausdruck dieses Antrags ohnehin im Nc‑Akt befindet und der Anlassakt 13 Nc 21/18i des Oberlandesgerichts Wien mit dem Original des Antrags samt Beilagen angeschlossen war. Eine fehlende „Paginierung“ ist schon deshalb ohne Relevanz, weil der Rekurswerber (trotz Akteneinsicht) nicht einmal behauptet, die von ihm in den Raum gestellte Gefahr der „Unterschiebung eines Falsifikat-Antrags“ und von „Manipulationen“ habe sich hier verwirklicht. Seine bloße Mutmaßung, es sei davon auszugehen, dass im Fall einer ordnungsgemäßen Führung des Akts eine Entscheidung mit anderem Inhalt erlassen worden wäre, ist ohne Substanz und deshalb unbeachtlich.

6. Die Rechtsrüge beschränkt sich auf die pauschale, in keiner Weise substanziierte Behauptung von sekundären Feststellungsmängeln ua zu „einer innerhalb der Gerichtsbarkeit der Republik Österreich anscheinend bestehenden rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“ und unrichtiger rechtlicher Beurteilung im angefochtenen Beschluss, sodass darauf mangels gesetzmäßiger Ausführung nicht eingegangen werden kann (RS0043605).

7. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Wegen der offenkundigen Unbegründetheit der Ablehnung konnte von der Einholung einer Rekursbeantwortung Abstand genommen werden (RS0126587 [T2]).

8. Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil der Rekurswerber keine Kosten verzeichnet hat.

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