Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung
Der Kläger ist zu 107/3466 Anteilen, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien 1. Dieses Bestandobjekt vermietete er mit Vertrag vom 31.Juli 1986 für die Zeit vom 1.Mai 1986 bis 30.April 1987 an eine GmbH und an eine physische Person. Es sollte einem Fremdenbeherbergungsbetrieb der GmbH dienen und war den Mietern bereits vor Vertragsabschluß übergeben worden. Am 9. September 1986 schlossen die Mietvertragsparteien beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien folgenden prätorischen Vergleich:
"Die beklagten Parteien verpflichten sich zur ungeteilten Hand, der klagenden Partei bis spätestens 30.April 1996 (dreißigster April eintausendneunhundertsechsundneunzig) das Bürolokal ... geräumt von allen eigenen Fahrnissen unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub bei sonstiger Exekution zu übergeben."
Mittels der am 24.Oktober 1995 eingebrachten Klage begehrte der Vermieter, den gerichtlichen Räumungsvergleich im Verhältnis zur beklagten Partei als Rechtsnachfolgerin der Mieter für vollstreckbar zu erklären. Er brachte vor, die beklagte Partei habe ihm mit Schreiben vom 28.Oktober 1988 den Kauf und die Fortführung des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens mitgeteilt. Mangels einer Möglichkeit, den Übergang der Räumungsverpflichtung auf die beklagte Partei urkundlich nachzuweisen, bedürfe es eines Titelergänzungsurteils. Die Frist gemäß § 575 Abs 2 ZPO beginne nicht vor Eintritt der Vollstreckungsmöglichkeit. Zwischen den Streitteilen bestehe auch kein gesonderter Mietvertrag.
Die beklagte Partei wendete ein, der gerichtliche Räumungsvergleich sei als Exekutionstitel außer Kraft getreten, weil der Kläger den Räumungsanspruch entgegen § 575 Abs 2 ZPO nicht innerhalb von sechs Monaten ab Eintreten der Räumungsverpflichtung vollstreckt habe. Der Kläger könne überdies "aus dem von ihm behaupteten Räumungsvergleich mit Dritten, die mit der Beklagten diesbezüglich in keinem Zusammenhang" stünden, auch "keine Rechte gegen die Beklagte ableiten". Der Räumungsvergleich sei schließlich deshalb unwirksam, weil der ursprüngliche Mietvertrag unzulässig "auf ein Jahr befristet gewesen sei". Die Streitteile hätten außerdem im Oktober 1988 mündlich einen eigenen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen. Der Kläger weigere sich nun, eine Vertragsurkunde zu unterfertigen. Jedenfalls könne aus einem Exekutionstitel gegen Dritte kein Räumungsanspruch gegen die beklagte Partei, deren Bestandrechte auf einem späteren Mietvertrag beruhten, abgeleitet werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Frist gemäß § 575 Abs
2 ZPO beginne erst, sobald die Exekution objektiv möglich sei. Der
Exekutionstitel trete daher "bis zur rechtskräftigen Entscheidung
über die Titelergänzungsklage nicht außer Kraft". Die
Rechtsunwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs könne prozessuale
oder materiell-rechtliche Ursachen haben. Die Befristung des
Mietvertrags, der dem Räumungsvergleich zugrundeliege, sei
rechtsunwirksam. Der eigentliche Vergleichszweck sei die Umgehung
eines damals geltenden gesetzlichen Befristungsverbots für
Mietverträge über Geschäftsräume gewesen. Eine solche Gesetz- oder
Sittenwidrigkeit bewirke die materiell-rechtliche Unwirksamkeit des
Vergleichs. Darauf habe sich die beklagte Partei mit hinreichender
Deutlichkeit berufen. Die Rechtsunwirksamkeit der
Räumungsverpflichtung sei zwar an sich mit Oppositionsklage geltend
zu machen, es wäre jedoch "übertriebener Formalismus, ... den Einwand
der materiell-rechtlichen Unwirksamkeit ... im
Titelergänzungsverfahren" nicht zuzulassen und die beklagte Partei auf die Oppositionsklage zu verweisen. Aus der Unwirksamkeit der Räumungsverpflichtung folge die Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs als Exekutionstitels.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Exekution dürfe gemäß § 9 EO gegen einen anderen als den nach dem Exekutionstitel Verpflichteten nicht bewilligt werden. Könne die betreibende Partei den Übergang des im Exekutionstitel anerkannten Anspruchs oder der darin festgestellten Verpflichtung auf einen Dritten nicht mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde nachweisen, bedürfe es der Titelergänzungsklage gemäß § 10 EO. Das beziehe sich auf Fälle des Rechtsübergangs "nach Schaffung des Titels und vor Bewilligung der Exekution". Im Titelergänzungsverfahren sei, wie schon die Gesetzessystematik belege, nur das zu prüfen, was sonst urkundlich nachzuweisen wäre. Der Beklagte sei auf Einwendungen gemäß § 36 Abs 1 Z 1 EO beschränkt.
Spätestens seit der Entscheidung SZ 25/12 sei klargestellt, daß im Titelergänzungsverfahren weder ein neuer Exekutionstitel geschaffen werde noch - abseits vom Tatbestand des § 36 Abs 1 Z 1 EO - materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch von Bedeutung seien. Eine materiell-rechtliche Überprüfung des Exekutionstitels, die "bei bestehendem urkundlichen Nachweis unstrittig nicht stattzufinden" hätte, wäre nicht sachgerecht. Dagegen könnten Gründe der Prozeßökonomie ins Treffen geführt werden. Solchen Bedenken sei jedoch schon Stagel (ÖJZ 1952, 345) überzeugend entgegengetreten. Demnach habe das Erstgericht das Klagebegehren zu Unrecht aufgrund materiell-rechtlicher Einwendungen der beklagten Partei abgewiesen. Dem angefochtenen Urteil sei zwar keine Feststellung zur Rechtsnachfolge auf seiten des aus dem Räumungsvergleich Verpflichteten zu entnehmen, die beklagte Partei habe jedoch den behaupteten Übergang der Räumungsverpflichtung auf sie "gar nicht bestritten", sodaß insoweit von einer zugestandenen Tatsache, die keines Beweises bedürfe, auszugehen sei.
Die außerordentliche Revision ist, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird, zulässig; sie ist auch im Rahmen ihres Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Titelergänzungsklage gemäß § 10 EO setzt voraus, daß die urkundlichen Nachweise gemäß den §§ 7 und 9 EO nicht erbracht werden können. Zweck des Verfahrens ist bloß der erforderliche Nachweis bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit eines existenten Exekutionstitels (3 Ob 19/96; SZ 50/30 mwN), die Titelergänzungsklage hat dagegen nicht erst einen (neuen) Exekutionstitel herbeizuführen. Ein stattgebendes Urteil dient der ergänzenden Bestimmung des Vollstreckungsanspruchs und tritt an die Stelle urkundlicher Nachweise gemäß § 9 EO (SZ 61/188; JBl 1978, 383; SZ 50/30 je mwN). Deshalb sind im Titelergänzungsverfahren zwar Einwendungen nach § 36 Abs 1 Z 1 EO (SZ 25/12), jedoch, anders als die beklagte Partei meint, keine materiell-rechtlichen Einwendungen infolge einer allenfalls unzulässigen Befristung des dem Räumungstitel zugrundeliegenden Mietverhältnisses maßgeblich. Die bezügliche Prozeßbehauptung der beklagten Partei ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, unbeachtlich. Gleiches gilt für die Einwendung, die beklagte Partei leite ihre Mietrechte aus einem von den Streitteilen im Oktober 1988 - also nach dem gerichtlichen Räumungsvergleich vom 9.September 1986 - abgeschlossenen Bestandvertrag ab. Wäre die Räumungsverpflichtung nach dem Exekutionstitel gemäß § 9 EO auf die beklagte Partei als Rechtsnachfolgerin übergegangen, so wäre der Abschluß eines Mietvertrags zwischen den Streitteilen im Oktober 1988 eine anspruchsaufhebende Tatsache im Sinne des § 35 Abs 1 EO, die nach dem Verfahrenszweck im Titelergänzungsprozeß ebenfalls nicht zu prüfen ist.
Wäre dagegen der Exekutionstitel, wie die beklagte Partei behauptete, gemäß § 575 Abs 2 ZPO "außer Kraft" getreten, schlösse das einen Vollstreckungsanspruch aus. Das wäre im Titelergänzungsverfahren beachtlich, weil ein schon außer Kraft getretener und daher nicht mehr existenter Exekutionstitel nicht mehr durch den Nachweis bestimmter, für seine Vollstreckbarkeit wesentliche Umstände ergänzt, sondern die Durchsetzung einer allenfalls dennoch bestehenden materiell-rechtlichen Räumungsverpflichtung nur noch nach Schaffung eines neuen Exekutionstitels angestrebt werden kann. Gerade letzteres ist aber - wie bereits dargelegt - nicht Zweck des Titelergänzungsverfahrens. Daraus ist jedoch für den Prozeßstandpunkt der beklagten Partei nichts zu gewinnen, weil die Frist gemäß § 575 Abs 2 ZPO - abgesehen von hier nicht bedeutsamen Ausnahmen - erst beginnt, sobald die Vollstreckung des Räumungstitels nach objektiven Gegebenheiten möglich ist (JBl 1988, 595; MietSlg 29.660; MietSlg 6.844; EvBl 1957/411; Fasching, Kommentar IV 695; Rechberger in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 4 zu § 575). Ist daher der Übergang einer titulierten Räumungsverpflichtung auf einen Rechtsnachfolger nicht im Sinne des § 9 EO urkundlich nachweisbar und eine Titelergänzungsklage erforderlich, so beginnt die Frist gemäß § 575 Abs 2 ZPO jedenfalls dann nicht vor Rechtskraft eines klagestattgebenden Urteils, wenn die Klage - wie hier - vor dem titelgemäßen Räumungszeitpunkt eingebracht wurde. Demzufolge muß auch die Einwendung der beklagten Partei, die Räumungsverpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 9.September 1986 sei schon mangels Einhaltung der Frist gemäß § 575 Abs 2 ZPO erloschen, erfolglos bleiben.
Nicht zu folgen vermag der erkennende Senat dagegen der Ansicht des
Berufungsgerichts, die Tatsache der Rechtsnachfolge sei nicht
strittig. Die beklagte Partei wendete im Schriftsatz vom 6.Juni 1997
(ON 29 S. 2) ausdrücklich ein, der Kläger könne "aus dem von ihm
behaupteten Räumungsvergleich mit Dritten, die mit der Beklagten
diesbezüglich in keinem Zusammenhang" stünden, "keine Rechte gegen
die Beklagte ableiten". Das läßt sich nur als Verneinung der behaupteten Rechtsnachfolge verstehen. Im übrigen verwies die beklagte Partei im Verhandlungstermin vom 30.Juni 1997 zur Richtigkeit des Schreibens vom 28.Oktober 1988 (Beilage ./B), auf das der Kläger die vorgebrachte Rechtsnachfolge stützte, "aufs eigene Vorbringen" (ON 30 S. 1). Die beklagte Partei bot für ihre Einwendung auch Beweise an.
Demzufolge ist das Klagevorbringen, der gerichtliche Räumungsvergleich vom 9.September 1986 sei gegen die beklagte Partei als Rechtsnachfolgerin vollstreckbar, beweisbedürftig. Die unzutreffende gegenteilige Ansicht im angefochtenen Urteil beruht auf einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (SZ 66/59). Dieser Verfahrensmangel wurde von der beklagten Partei gerügt. Er wirft eine im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche - weil entscheidungswesentliche - Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb im Revisionsverfahren wahrzunehmen.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zur Ermöglichung einer abschließenden rechtlichen Beurteilung Feststellungen über die in der Titelergänzungsklage behauptete Rechtsnachfolge zu treffen haben.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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