OGH 3Ob160/06k

OGH3Ob160/06k30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer, Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael D*****, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei W*****-KG, *****, vertreten durch Dr. Danil Charim und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 19.620 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 22. März 2006, GZ 22 R 50/06v-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Frankenmarkt vom 22. Dezember 2005, GZ 2 C 71/05k-11, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.063,80 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 177,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Handelsgericht Wien verbat dem Kläger mittels einstweiliger Verfügung vom 4. Dezember 2003 folgende Behauptungen:

a) dass die „W***** mit der organisierten Kriminalität in Kroatien zusammenarbeite" und dass „die W***** einen Geheimvertrag" mit der G*****, bei der es sich um eine Mafia-Vereinigung handle, abgeschlossen habe, gemäß dem G***** „an Geschäften, die die W***** am Balkan tätigt, beteiligt" wäre.

Der Kläger behob diese einstweilige Verfügung am 15. Dezember 2003 beim Zustellpostamt. Am selben Tag führte er mit einer Journalistin einer Tageszeitung ein Gespräch, in dem er äußerte: „Wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?". Unter der Überschrift: „D***** hat „den Scherben auf", erschien daraufhin in der Online-Ausgabe einer Tageszeitung noch am 15. Dezember 2003 und in deren Druckausgabe vom 16. Dezember 2003 ein Artikel folgenden Inhalts:

„D***** hat „den Scherben auf" ...

„Wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?" Wenn Michael D***** auch auf Grund einer einstweiligen Verfügung nicht wieder sagen darf, dass ***** W***** am Balkan Geschäfte mit der Mafia treibe: An seiner Einstellung ändere das nichts. Vor Gericht werde er den Wahrheitsbeweis gegen den Verlagskonzern antreten, kündigte D***** im Gespräch mit ***** an.

...

Jetzt habe ich den Scherben auf, empört sich der ältere Sohn Hans D***** zum erbitterten Streit zwischen der W***** und seinem Vater. Nur wenige gebe es, die dazu nicht ihren Senf gegeben haben. Aber ich werde geklagt". ...

Infolge Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Kläger am 15. Dezember 2003 war diese das Thema des Gesprächs zwischen ihm und der Journalistin der Tageszeitung. Dabei sagte der Kläger sinngemäß, dass er zu seinem Wort stehe und ein Gericht klären werde, ob seine Aussagen korrekt gewesen seien. Solange dieses Verfahren nicht abgewickelt sei, werde er in der Öffentlichkeit keine Stellungnahme abgeben, weder etwas zurücknehmen, noch etwas wiederholen noch sonst etwas. So wollte der Kläger auch den ersten Satz des Interviews „Wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?" verstanden wissen. Was diesem Satz im Gespräch genau vorausging, war nicht feststellbar. Es war jedenfalls nicht die Frage, ob der Kläger „das" zurücknehme. Er erwähnte gegenüber der Journalistin, dass er nicht aussprechen und sagen dürfe, dass die beklagte Partei mit der Mafia am Balkan Geschäfte mache. Auch die Äußerung, an seiner Einstellung ändere das (gemeint offenbar die einstweilige Verfügung) nichts, wurde sinngemäß vom Kläger vorgebracht. Ob dieser Äußerung eine Frage oder Äußerung der Journalistin voranging, war ebensowenig feststellbar, wie deren allfälliger Inhalt.

In der Äußerung des Klägers im Telefonat/Interview erblickte die beklagte Partei einen Verstoß gegen das mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Unterlassungsgebot. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 die von der beklagten Partei beantragte Unterlassungsexekution nach § 355 EO und verhängte über den Kläger eine Geldstrafe von 10.000 EUR. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Der Kläger begehrte, diese Exekution für unzulässig zu erklären. Er habe nicht gegen den Exekutionstitel verstoßen, weil er die ihm verbotenen Behauptungen nicht wiederholt habe. Der Kläger habe lediglich auf den von ihm vor Gericht angebotenen Wahrheitsbeweis hingewiesen und dazu erklärend geäußert: „Wieso soll ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin". Die darüber hinaus von der beklagten Partei beanstandeten Behauptungen habe der Kläger gar nicht selbst aufgestellt, diese seien von der Journalistin zum Verständnis des Zusammenhangs für den Leser in ihrem Artikel angeführt worden. Dies sei dem Kläger nicht zuzurechnen. Ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot liege nicht vor. Der Kläger habe seine Äußerungen nicht wiederholt, sondern nur erklärt, dass er diese nicht widerrufen werde. Dies sei ihm nicht aufgetragen worden. Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe gegen das Verbot der einstweiligen Verfügung verstoßen.

Das Erstgericht erkannte die bewilligte Exekution als unzulässig. Die sinngemäße Äußerung des Klägers, „die einstweilige Verfügung ändere an seiner Einstellung nichts", sei kein Zuwiderhandeln gegen die einstweilige Verfügung. Der Kläger habe lediglich bestimmte Behauptungen zu unterlassen. Dass er seine innere, nicht nach außen kundgemachte Einstellung, insbesondere bis zum Abschluss des Hauptprozesses, nicht ändere, komme keiner neuerlichen Behauptung der ihm verbotenen Äußerungen gleich. Auch das „Nicht-Zurücknehmen" sei keine neuerliche Behauptung der zur unterlassenden Äußerung. Die innere subjektive Einstellung begründe keinen Verstoß. Das Berufungsgericht wies das Impugnationsklagebegehren ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Fall zulässig sei. Die Äußerung des Verpflichteten „Wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?" müsse mit der ursprünglich aufgestellten Tatsachenbehauptung in Zusammenhang gebracht werden. Der Kläger habe diese Äußerung, die für einen durchschnittlich interessierten Zeitungsleser auch nur im Zusammenhang mit der ihm untersagten (und medial verbreiteten) Äußerung verständlich werde, gegenüber der Journalistin einer österreichischen Tageszeitung abgegeben und habe angesichts des damals gegebenen medialen Interesses an der Auseinandersetzung zwischen der betreibenden Partei und seinem Vater als Geschäftsführer der „K*****" auch mit einer Veröffentlichung dieser Aussage in Kontext mit seiner früheren, ihm untersagten Äußerung rechnen müssen. Im Zusammenhang mit der neuerlichen Wiedergabe dieser Äußerung - wenn auch durch die Verfasserin des Zeitungsartikels - komme daher die Aussage „wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?" einer Wiederholung der verbotenen Äußerung gleich. Der der Impugnationsbeklagten obliegende Beweis für die materielle Vollstreckbarkeit des Anspruchs sei erbracht. Einen strikten Nachweis eines Verschuldens des Klägers habe die beklagte Partei nicht zu erbringen gehabt, weil schon ein objektiver Verstoß gegen den Unterlassungstitel einer Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB gleichkomme, der den Impugnationskläger mit dem Beweis seiner Schuldlosigkeit am Titelverstoß belaste. Diesen Nachweis mangelnden Verschuldens habe der Kläger nicht erbringen können. Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob das Aufrechterhalten einer verbotenen Äußerung gegenüber einem Medium auch ohne explizite Wiederholung bereits einen Verstoß gegen ein auferlegtes Unterlassungsgebot bildet, ist nichts anderes zu beurteilen als die Frage, wie eine Äußerung auszulegen ist. Es entspricht stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass hiefür die Sicht eines redlichen Mitteilungsempfängers ausgehend von einem objektiven Maßstab maßgeblich ist. Abzustellen ist auf den vermittelten Gesamteindruck ausgehend vom umbefangenen Durchschnittsadressaten, wobei bei Mehrdeutigkeit der Aussage die für den Äußernden ungünstigste Auslegung maßgebend ist (RIS-Justiz RS0043590, RS0031815, RS0031883; Reischauer in Rummel3 § 1330 ABGB Rz 8b; Danzl in KBB § 1330 ABGB Rz 2, je mwN zu Rsp).

Das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ist stets eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt, hängt sie doch ausschließlich von den jeweiligen konkreten Formulierungen ab, sodass sie keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Beurteilung ähnlicher Fälle erwarten lässt (6 Ob 75/00y mwN; vgl RIS-Justiz RS0031869). Analoges gilt für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Verpflichteten noch vom Exekutionstitel erfasst wird (RIS-Justiz RS0004662). Die Auslegung der zweiten Instanz hält sich im Rahmen der Grundsätze der Rsp des Obersten Gerichtshofs. Ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Ein Fall grober Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht hat einen Titelverstoß angenommen, weil es in der Äußerung des Klägers „Wieso sollte ich in der Öffentlichkeit etwas zurücknehmen, von dem ich überzeugt bin?" sowie der Äußerung, das einstweilige Verbot ändere nichts an seiner Einstellung, eine Wiederholung/Bekräftigung der einstweilen verbotenen Behauptung erkannte. Der Kläger beschränkte sich nicht auf eine bloße Information über den Verfahrensstand (Erhalt der einstweiligen Verfügung, Fortgang des (Haupt-)Verfahrens, Antritt des Wahrheitsbeweises), was für sich allein genommen sicher keinen Titelverstoß gebildet hätte. Es geht im vorliegenden Fall im Übrigen weder um „Gedankenfreiheit" noch um die Verpflichtung, eine innere Einstellung zu ändern oder aber - entgegen fehlender titelmäßiger Verpflichtung - beanstandete Behauptungen ausdrücklich zurückzunehmen. Zu beurteilen war lediglich die Frage, ob der Kläger in einer durch den bestehenden Exekutionstitel verbotenen Weise Behauptungen (= Kundgabe seiner inneren Überzeugung nach außen) verbreitete. Der Revisionswerber stellte den Sinn und Zweck des Unterlassungsgebots, einen zukünftigen oder weiteren Schaden für eine von einer Behauptung betroffene Person dadurch hintanzuhalten, dass Dritte mit dieser Behauptung nicht mehr konfrontiert werden, ausdrücklich nicht in Zweifel.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens fußt auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen, weshalb ihr der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen ist.

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