OGH 3Ob147/22x

OGH3Ob147/22x29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen J*, geboren * 2009, wohnhaft beim Vater R*, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, Mutter E*, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. Juni 2022, GZ 21 R 99/22p‑156, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00147.22X.0929.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Die Entscheidung, ob und inwieweit einem Elternteil ein Kontaktrecht eingeräumt wird, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass mit ihr regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen verbunden sind, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RS0087024 [T6, T9]; RS0097114) oder das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (RS0097114 [T1, T18]). Oberstes Prinzip der Gestaltung des Kontaktrechts ist immer das Wohl des Kindes (RS0047958; RS0087024); im – auch unverschuldeten – Konfliktfall hat das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (RS0048068 [T5]; RS0048062). Bei der Regelung des Kontaktrechts stellt der Wille des Kindes ein wichtiges, jedoch nicht allein maßgebliches Kriterium dar; je älter ein bereits einsichts‑ und urteilsfähiges Kind ist, desto eher wird seinem Wunsch zu entsprechen sein (vgl etwa RS0115962).

[2] 1.2 Wenn die Mutter meint, die Entscheidung des Rekursgerichts widerspreche der Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Kindeswillens, so ist ihr entgegenzuhalten, dass ihr Sohn im kommenden Jänner bereits 14 Jahre alt wird und feststeht, dass er seine (derzeitige) ablehnende Haltung gegen Kontakte mit der Mutter selbst entwickelt und unbeeinflusst gefasst hat und dass sie im Wesentlichen auf die in der Vergangenheit liegenden, krankheitsbedingten Verhaltensänderungen der Mutter zurückzuführen ist. Wenn das Rekursgericht daher – ebenso wie das Erstgericht – den ablehnenden Willen des Minderjährigen bei seiner Entscheidung über die Verweigerung der beantragten Kontaktrechte berücksichtigte, so ist dies nicht korrekturbedürftig. Wenngleich § 108 AußStrG auf einen noch nicht Vierzehnjährigen keine Anwendung findet, kommt dennoch der Verweigerung des Kontakts mit dem anderen Elternteil durch den unmündigen Minderjährigen ein gewisses Gewicht bei der Beurteilung zu, inwieweit gegen dessen feststehenden Willen die Ausübung des Besuchsrechts ermöglicht werden soll, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann (RS0047981 [T12]).

[3] 1.3 Von einer – wie die Mutter meint – „generellen Entziehung des Rechts auf persönlichen Kontakt“ ist in der angefochtenen Entscheidung nicht die Rede; das Besuchsrecht kann immer nur vorübergehend oder bis auf Weiteres untersagt werden (RS0047950 [T10]). Für eine – im Rechtsmittel behauptete – Beeinflussung des Kindeswillens durch den Vater findet sich im Sachverhalt kein Anhaltspunkt, weshalb die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043312 [T12, T14]; RS0043603 [T2, T8]).

[4] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor. In ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhob die Mutter keine Mängelrüge, sondern wendete sich gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsantrags betreffend den Sachverständigen M*. Die – umfangreichen – Ausführungen der Mutter, dass der Sachverständige seinen Gutachtensauftrag nicht vollständig erfüllt und die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen angeregt habe, betreffen letztlich nur die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbare Tatsachenebene (vgl RS0108449; RS0007236 [T7]).

[5] 3. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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