European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00136.21B.1021.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.170,20 EUR (hierin enthalten 195,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt von den Beklagten mit der am 26. Juli 2019 eingebrachten Klage den Ersatz der ihm wegen der unrichtigen steuerrechtlichen Beratung vorgeschriebenen Anspruchszinsen in Höhe von 984,21 EUR sA, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen weiteren Schäden aus dieser Fehlberatung.
[2] Die Beklagten wendeten insbesondere Verjährung ein.
[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren (ua) wegen Verjährung ab.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die verkürzte subjektive Verjährungsfrist nach den AAB habe hier nicht erst mit der Übermittlung der Bescheide des Finanzamts zu laufen begonnen, sondern bereits mit der Besprechung vom 26. November 2018, als ihm der Primärschaden (in Gestalt der von ihm beginnend mit 1. Oktober 2016 zu entrichtenden Anspruchszinsen) dem Grunde nach bekannt geworden sei. Da er die Klage nicht innerhalb von sechs Monaten ab diesem Tag eingebracht habe, sei nicht nur der Anspruch auf Ersatz des Primärschadens verjährt, sondern auch sein Feststellungsbegehren.
[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision in Hinblick auf die Entscheidung 4 Ob 7/08w zu, weil sich daraus allenfalls ableiten lasse, dass die Verjährungsfrist erst mit Zustellung des Steuerbescheids erster Instanz zu laufen beginne.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[7] 1. Im Verfahren ist unstrittig, dass die in den AAB festgelegte verkürzte subjektive Verjährungsfrist hier anwendbar ist, weil der Kläger kein Verbraucher ist (vgl RS0114323, RS0126231).
[8] 2. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt – ebenso wie die durch die AAB verkürzte Frist – mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RS0034951). Kenntnis der Schadenshöhe ist nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns (RS0034440 [T1]). Ist ein wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, so sind damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und ist dieser dem Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RS0034524 [T11]). Die Verjährung beginnt allerdings nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des (Primär-)Schadens zu laufen (vgl RS0083144). Auch das Entstehen einer Verbindlichkeit ist ein möglicher, nach dem ABGB zu ersetzender Schaden (RS0022568 [T16]; vgl auch RS0022518).
[9] 3.1. Der in der Verpflichtung zur Zahlung von Anspruchszinsen nach § 205 BAO bestehende (Primär‑)Schaden des Klägers ist gemäß § 205 Abs 1 BAO mit 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs (= 2015) folgenden Jahres, also mit 1. Oktober 2016 entstanden. Nach den Feststellungen hatte der Kläger von seiner aus der behaupteten Fehlberatung resultierenden Verpflichtung zur Zahlung solcher Anspruchszinsen bereits seit der Besprechung am 26. November 2018 (wenn auch nur dem Grunde und noch nicht der Höhe nach) Kenntnis. Das Berufungsgericht ist daher den zuvor dargestellten Grundsätzen gefolgt, wenn es den Beginn der Verjährungsfrist bereits mit diesem Tag und nicht erst mit jenem der Zustellung des Bescheids, mit dem der Kläger zur Zahlung von Anspruchszinsen seit 1. Oktober 2016 verpflichtet wurde, annahm.
[10] 3.2. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung 4 Ob 7/08w, in der die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gebilligt wurde, die Verjährung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs wegen behaupteter Schlechterfüllung des mit dem dort beklagten Steuerberater abgeschlossenen Vertrags, der sich aus dem erlittenen Steuerschaden samt Stundungszinsen, Beratungs- und Vertretungskosten sowie Verfahrenskosten im Steuerverfahren zusammensetze, habe mit dem Entstehen der Abgabenschuld durch den Steuerbescheid erster Instanz (und nicht erst mit dessen Rechtskraft) zu laufen begonnen, weil in diesem Zeitpunkt der nicht mehr abwendbare Vermögensschaden (Primärschaden) eingetreten und den dortigen Klägern erkennbar gewesen sei. Der vorliegende Fall ist nämlich insofern anders gelagert, als der behauptete Primärschaden gerade nicht in der Begründung einer Abgabenschuld (hier also der Neufestsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2015) besteht, sondern bloß in den vom Kläger deswegen zu zahlenden Anspruchszinsen, wobei ihm diese Zahlungspflicht, wie bereits ausgeführt, eben nicht erst durch die Zustellung des Steuerbescheids, sondern schon am 26. November 2018 bekannt wurde.
[11] 4. Dass das Berufungsgericht aufgrund seiner Bejahung des Verjährungseinwands weder den gerügten Stoffsammlungsmangel (zum Grund des Schadenersatzanspruchs) noch die (eine Feststellung zu einem anderen vom Erstgericht überdies herangezogenen Abweisungsgrund betreffende) Beweisrüge behandelte, begründet von vornherein keinen (primären) Verfahrensmangel, sondern könnte nur für den – hier aber nicht gegebenen – Fall der Unrichtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts mit Rechtsrüge geltend gemacht werden (vgl RS0043304).
[12] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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