European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128362
Spruch:
I. Die Bezeichnung der klagenden Parteien wird wie im Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.
Die Kosten der Schriftsätze der Parteien vom 1. August 2019 und vom 13. September 2019 sind weitere Verfahrenskosten.
II.1. Der Rekurs der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.394 EUR (darin 399 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II.2. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
I. Über das Vermögen der ursprünglich klagenden Partei N* SRL (in Hinkunft: Schuldnerin) wurde in Rumänien am 16. Mai 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet und die E* S.P.R.L. als Insolvenzverwalter bestellt. Über Antrag der Klageseite wurde die Parteienbezeichnung in diesem Sinn berichtigt und das Verfahren mit dem darin genannten Insolvenzverwalter fortgesetzt.
Mit (nach Einbringung der Rechtsmittelschriften in dritter Instanz erstatteter) Bekanntgabe vom 1. August 2019, teilte die Beklagte ua mit, dass es bereits am 25. Juli/5. September 2018 zu einer Umbestellung des Insolvenzverwalters gekommen sei. Das gestand die Klageseite mit Äußerung vom 13. September 2019 zu und beantragte die neuerliche Berichtigung der Parteienbezeichnung.
Aus den von beiden Seiten vorgelegten Urkunden geht hervor, dass bereits mit Beschluss des rumänischen Gerichtshofs Ilfov vom 5. September 2018 die beiden im Kopf der vorliegenden Entscheidung angeführten rumänischen Gesellschaften zu gemeinsamen Insolvenzverwaltern der Schuldnerin bestellt wurden, dass sie den seit Beginn des Rechtsstreits auf Klageseite einschreitenden Rechtsanwälten Vollmacht dafür erteilten und dass sie die Prozessführung genehmigten.
Dieser Umbestellung war durch die im Spruch ersichtliche Berichtigung der Parteibezeichnung nach § 235 Abs 5 ZPO Rechnung zu tragen (vgl 6 Ob 99/05k).
Die weiteren Behauptung der Beklagten in der Bekanntgabe, die Klageforderung sei am 21. Februar 2018, also nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 25. Jänner 2018, abgetreten worden, sowie die darin gestellten Anträge stellen sich als unzulässige Ergänzungen ihrer Revision dar, die schon deshalb unbeachtet zu bleiben haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
II. Das Erstgericht erachtete das auf Wandlung gestützte Klagebegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises eines Luxuswagens von 178.313,45 EUR netto für berechtigt, die eingewendete Gegenforderung für Nutzungsentgelt von 8.000 EUR (wegen Unschlüssigkeit) jedoch nicht, und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung. Es hatte das Vorbringen der Beklagten samt Beweisanbot in der Tagsatzung vom 20. Februar 2017, mit dem sie die Gegenforderung an Nutzungsentgelt auf 68.313,45 EUR ausdehnte und weitere Gegenforderungen an Standgebühr und Wertverlust einwendete, ebenso wie das replizierende Vorbringen der Gegenseite dazu mit in dieser Tagsatzung verkündetem Beschluss zurückgewiesen. Im Ersturteil begründete der Erstrichter das im Wesentlichen mit der angesichts des gerichtlichen Auftrags anlässlich der Ausschreibung der vorbereitenden Tagsatzung, ua „das gesamte allfällige weitere Vorbringen“ spätestens in der vorbereitenden Tagsatzung zu erstatten, massiven Verspätung der Erstattung des Vorbringens erst in der zweiten Beweisaufnahmetagsatzung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es verpflichtete die Beklagte mit Teilurteil zur Zahlung von 69.296 EUR sA (das ist die Klageforderung abzüglich aller drei eingewendeten Gegenforderungen) und hob im Übrigen das Ersturteil, soweit die Klageforderung in Höhe weiterer 109.017,45 EUR als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und die Beklagte zur Zahlung weiterer 109.017,45 EUR sA verpflichtet wurde, auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Es ging – wie auch das Erstgericht – von einem schlüssigen Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verspätung der Mängelrüge aus, verlange doch Treu und Glauben, eine als verspätet erkennbare Mängelrüge ausdrücklich zurückzuweisen. Der Einwand der verspäteten Rüge sei jedoch erstmals im gegenständlichen Verfahren erhoben worden. Nach den Feststellungen könne von einem geringfügigen Mangel nicht gesprochen werden. Ein Anspruch auf Standgebühr und Wertverlust komme angesichts des berechtigten Wandlungsbegehrens nicht in Betracht. Anderes gelte aber für die Gegenforderung an Benützungsentgelt; dazu habe das Erstgericht aufgrund der erkennbar auf § 179 ZPO gestützten, aber mangels erheblicher Verzögerung ungerechtfertigten Zurückweisung des ergänzenden Vorbringens vom 20. Februar 2017 weder eine Konkretisierung des geforderten Betrags zugelassen noch entsprechende Feststellungen getroffen, was nachzuholen sei. Es werde jener Aufwand zu ermitteln sein, den ein Käufer hätte tragen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines gleichwertigen Gegenstands durch Kauf und Weiterverkauf nach Gebrauch zu verschaffen. Ergebe sich bei der Gegenüberstellung dieser Größenordnungen, dass die gebrauchte Sache schon durch den Verlust der Neuheit eine erhöhte Wertminderung erfahre, dürfe dies nicht zur Gänze zu Lasten des Käufers, der die Wandlung nicht zu vertreten habe, veranschlagt werden. Gegenüberzustellen sei der für den erworbenen Pkw konkret angemessene Kaufpreis mit dem Einkaufspreis im Wandlungszeitpunkt (RIS‑Justiz RS0018534; 5 Ob 274/09v). Es werde auch das Vorbringen, die Schuldnerin habe das Fahrzeug im Wesentlichen nur zu den von ihr nicht zu vertretenden Reparaturversuchen gefahren und daher keinen Gebrauchsnutzen gezogen, zu berücksichtigen sein. Der die von der Beklagten eingewendeten, konnexen Gegenforderungen übersteigende Teil der Klageforderung könne aber bereits zugesprochen werden.
Die Revision gegen das Teilurteil über die Kaufpreisforderung sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig; hingegen sei der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zuzulassen, weil zur Berechnung des Benützungsentgelts kritische Lehrmeinungen existierten und diese Frage auch in anderen Verfahren von Bedeutung sei.
II.1. Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise, dem Erstgericht aufzutragen, das Benützungsentgelt nach der linearen Berechnungsmethode zu berechnen. Sie machen im Wesentlichen geltend, das Erstgericht habe die Zurückweisung des Vorbringens auf § 180 Abs 2 ZPO gestützt, dessen Voraussetzungen angesichts des Prozessverhaltens der Beklagten, das Vorbringen zur Höhe des Benützungsentgelts trotz des gerichtlichen Auftrags und trotz der Erörterung durch den Erstrichter ohne genügende Entschuldigung erst in der zweiten Beweisaufnahme-Tagsatzung zu erstatten, erfüllt seien. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die dem Auftrag des Berufungsgerichts zur Ermittlung des Benützungsentgelts zugrunde liege, werde von der Lehre berechtigt kritisiert. Die gerechte Methode stelle die von der überwiegenden Lehre und vom deutschen Bundesgerichtshof judizierte lineare Methode zur Berechnung des subjektiven Gebrauchsvorteils des Käufers nach den gefahrenen Kilometern dar.
Die Beklagte beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerinnen ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt wird:
II.1.1. Es kann dahin stehen, ob das Erstgericht die Präklusion des ergänzenden Vorbringens der Beklagten auf § 179 Satz 2 ZPO oder auf § 180 Abs 2 ZPO stützte, weil der Rekurs gar nicht in Abrede stellt, dass die Voraussetzungen der erstgenannten Bestimmung nicht vorliegen, die Zurückweisung aber auch nicht der zweitgenannten Norm entspricht. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich schon mehrfach klargestellt, dass eine Präklusion von Vorbringen grundsätzlich erst nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der vorbereitenden Tagsatzung eingreifen kann (7 Ob 253/04p; 7 Ob 96/05a; 4 Ob 50/06s). Die Fristsetzung für die Erstattung von weiterem Vorbringen mit folgendem Eintritt von Rechtsfolgen darf daher im Regelfall nur erfolgen, nachdem zuvor dem § 182a iVm § 258 Abs 1 Z 3 ZPO entsprochen worden und eine Partei säumig geblieben war (4 Ob 50/06s; Rassi in Fasching/Konecny³ II/3 § 180 ZPO Rz 43); eine davor gesetzte Frist ist wirkungslos (4 Ob 50/06s).
Das Erstgericht hat zwar mit der Beklagten die mangelnde Konkretisierung des Vorbringens zum Kompensandoeinwand wegen Benützungsentgelts erörtert, worauf die Beklagte nur eine Bezifferung vornahm (ON 12 S 2 f). Ein befristeter Auftrag nach § 180 Abs 2 ZPO, die Gegenforderung zu präzisieren und/oder schlüssig zu stellen, erging allerdings danach nicht. Die vorweg im Zusammenhang mit der Ausschreibung der vorbereiteten Tagsatzung erfolgte Fristsetzung zum (ohnehin nur ganz allgemein gehaltenen, betreffend das zu erstattende Vorbringen gar nicht konkretisierten) Auftrag nach § 180 Abs 2 ZPO war verfrüht und daher wirkungslos. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen trägt § 180 Abs 2 ZPO daher die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten in der Tagsatzung vom 20. Februar 2017 nicht.
II.1.2. Die im Rekurs erwähnte, vereinzelte Kritik an der vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Ermittlung des Gebrauchsnutzen des Käufers nach Wandlung des Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug (vgl RS0018534) bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Diese Beurteilung der Frage, ob bzw welchen Nutzen sich der Kläger im Fall eines berechtigten Wandlungsbegehrens als Benützungsentgelt anrechnen lassen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (8 Ob 59/16h = RS0018534 [T13]). Nach herrschender Rechtsprechung kann die Bemessung des Benützungsentgelts gemäß § 273 ZPO erfolgen (RS0018534 [T5]). Der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, bewirkt entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816).
II.1.3. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt (RS0123222 [insb T2, T4]; RS0035976 [T2]). Der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, sind daher die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen.
II.2. Gegen das stattgebende Teilurteil wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klageabweisung, hilfsweise Aufhebung.
Einziger Kritikpunkt ist die Annahme eines schlüssigen Verzichts der Beklagten auf die Einrede der Verspätung der Mängelrüge, weil die strengen Anforderungen dafür nicht erfüllt seien. Die Beklagte zeigt allerdings damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist:
Allgemein stellt die Frage, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, – von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042555 [T2; T11]). Für die Maßgeblichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung und deren Bedeutung ist der Eindruck entscheidend, den der Erklärungsempfänger von der Erklärung haben musste, wobei es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Wenn nach den Umständen des Falls dem Verhalten des anderen Teils ein bestimmter Sinn entnommen werden kann, muss dies der andere gegen sich gelten lassen (RS0014158 [T4, T8, T11]).
Die Bestimmung des § 377 UGB ist abdingbar, weshalb auch ein schlüssiger Verzicht auf die Einrede der Verspätung der Mängelrüge möglich ist (RS0062648; RS0014240; RS0014264). Auch dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an (8 Ob 529/87). Ein schlüssiger Verzicht des Verkäufers auf die Geltendmachung der Verspätung der Mängelrüge wurde ua im sachlichen Eingehen auf die Mängelrüge erblickt, wenn auf deren Verspätung nicht hingewiesen wurde (5 Ob 560/83 = RS0014240 [T1]).
Die Beklagte, der zu diesem Zeitpunkt schon die zahlreichen ergebnislosen Behebungsversuche der Vertragshändlerin in Rumänien bekannt waren, reagierte auf die ihren Mitarbeitern gegenüber erfolgten Beanstandungen der Schuldnerin, mit der Aussage ihres Werkstättenleiters, dass „alle diese Modelle des Fahrzeugs diese Probleme haben“ (welche Kenntnis auch der Beklagten zu unterstellen ist), und auf die Erklärung der Schuldnerin, den Wagen zurückzugeben (was die Beklagte als Begehren auf Wandlung des Kaufvertrags wegen der gerügten Mängel verstehen musste) mit der vorbehaltslosen Übernahme des Wagens samt Schlüsseln nach der Räumung von privaten Sachen durch den Geschäftsführer der Schuldnerin bloß mit der Ankündigung eines Eintauschangebots. Nicht einmal nach Ablehnung ihres Angebots und anwaltlicher Forderung der Schuldnerin nach Rückzahlung des Kaufpreises wegen Wandlung wies die Beklagte darauf hin, dass sie eine Mängelrüge als verspätet ansehe. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch ihr Verhalten auf die entsprechende Einrede schlüssig verzichtet, ist daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung zu erblicken. Wenn die Beklagte in Kenntnis der Mängel des von ihr verkauften Wagens, deren Qualifikation als nicht bloß geringfügig sie nicht mehr bestreitet, dem durch Rückgabe des Wagens untermauerten Wandlungsbegehren (nur) mit einem Lösungsvorschlag entgegentritt, ohne über mehrere Monate ihre gewährleistungsrechtliche Haftung wegen Verspätung der Mängelrüge zu bestreiten, konnte die Schuldnerin als redliche Erklärungsempfängerin davon ausgehen, dass die Beklagte von dieser naheliegenden Einrede auch weiterhin keinen Gebrauch machen wird. Der auch in der höchstgerichtlichen Judikatur vertretenen Ansicht (RS0014532) des Berufungsgerichts, Treu und Glauben verlangten im geschäftlichen Verkehr, dass eine als verspätet erkennbare Rüge vom Vertragspartner, an den sie gerichtet ist, ausdrücklich zurückgewiesen wird, tritt die Beklagte inhaltlich auch gar nicht entgegen.
Die außerordentliche Revision der Beklagten macht daher insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend, weshalb sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist.
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