OGH 3Ob130/21w

OGH3Ob130/21w21.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des 1. mj P* F* (Kollisionskurator: Dr. M* S*), und 2. mj T* F* (Kollisionskurator: Mag. G* H*), beide *, beide vertreten durch die Mutter Mag. M* F*, diese vertreten durch die Eiselsberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, hier wegen Bestätigung der Rechnung und Entschädigung (§ 137 AußStrG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen und der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 12. Mai 2021, GZ 21 R 60/21d‑118, mit dem der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 16. Dezember 2020, GZ 1 Pg 179/17g‑77, zurückgewiesen und der Beschluss über Rekurs der Minderjährigen aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00130.21W.1021.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen wird zurückgewiesen. Der Revisionsrekurs der Mutter wird – soweit er sich gegen die Rechnungslegung richtet – mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die beiden Minderjährigen sind sehr vermögend. Die Obsorge kommt ihrer Mutter zu. Für die Verwaltung und Veranlagung bestimmter Vermögensteile – den Minderjährigen nach Ableben ihres Vaters zugekommene Geschäftsanteile an einer GmbH und Goldbarren – wurde für jeden der beiden Minderjährigen rechtskräftig ein Rechtsanwalt zum Kollisionskurator bestellt. Die Interessenkollision zwischen der Mutter und den Minderjährigen wurde im Kuratorenbestellungsbeschluss damit begründet, dass auch die Mutter Gesellschafterin der GmbH ist und sie selbst einen Teil der vorhandenen Goldbarren erhielt.

[2] Das Erstgericht bestätigte über Antrag die vom einen und anderen Kurator gelegte Antrittsrechnung und erkannte gemäß § 283 ABGB dem einen Kurator eine Entschädigung in der Höhe von 200.869,41 EUR, dem anderen in der Höhe von 200.863,46 EUR zu.

[3] Das Rekursgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung den von der Mutter im eigenen Namen erhobenen Rekurs zurück, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs, soweit sich der Rekurs der Mutter gegen die Rechnungslegung richtete, (mangels Rechtsfrage erheblicher Bedeutung) nicht zulässig und in Ansehung der Zurückweisung betreffend den Zuspruch der Entschädigung jedenfalls unzulässig sei (Spruchpunkt 1.). Dem von der Mutter als gesetzliche Vertreterin der Minderjährigen erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht demgegenüber Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück (Spruchpunkt 2.).

Rechtliche Beurteilung

[4] Mit dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Spruchpunkt 1. des rekursgerichtlichen Beschlusses von der Mutter im eigenen Namen und Spruchpunkt 2. von ihr im Namen der Minderjährigen angefochten.

[5] Zum Revisionsrekurs der Minderjährigen:

[6] Wird für einen Minderjährigen zur Erledigung einer bestimmten Angelegenheit iSd § 277 Abs 2 ABGB ein Kollisionskurator bestellt, so scheidet damit diese Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des gesetzlichen Vertreters aus. Der gesetzliche Vertreter verliert die Befugnis, für den Minderjährigen in der Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten, solange der Kollisionskurator im Amt ist (RS0006257, jüngst 4 Ob 47/21x [Rz 17]).

[7] Die Kuratoren wurden zur Verwaltung und Veranlagung bestimmter Vermögensteile bestellt. Von dieser Angelegenheit zu unterscheiden ist der Umstand, dass die Kuratoren rechnungslegungspflichtig und nach § 283 ABGB berechtigt sind, eine Entschädigung zu begehren. Hinsichtlich dessen ist eine Kollision der Interessen der Mutter mit jenen der Minderjährigen nicht ersichtlich, vielmehr dient das vertretungsweise Einschreiten der Mutter dem Interesse der Minderjährigen auf Kontrolle der von den Kuratoren gelegten Rechnungen und dem Hintanhalten überhöhter Entschädigungsansprüche. Hinsichtlich der Rechnungslegungspflicht und der Entschädigungsansprüche der Kuratoren ist die Mutter als Obsorgeberechtigte weiterhin gesetzliche Vertreterin der Minderjährigen und grundsätzlich legitimiert, in deren Namen insofern Rechtsmittel zu ergreifen.

[8] Gemäß § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Auf die Gründe für die Aufhebung kommt es nicht an (vgl RS0044102 [T4, T5]).

[9] Fehlt – wie hier – ein Ausspruch des Rekursgerichts über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss, so ist auch ein „außerordentlicher Revisionsrekurs“ unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen (RS0030814; RS0109580). Auch eine Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG kommt – aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 64 Abs 2 AußStrG – nicht in Betracht (idS bereits RS0109580 [T7]; jüngst 3 Ob 79/21w [Rz 5 f]).

[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen ist somit jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen.

[11] Zum Revisionsrekurs der Mutter:

[12] I. Gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs über den Kostenpunkt jedenfalls unzulässig. Den Kostenpunkt betreffen unter anderem alle Entscheidungen über die Entschädigung eines Kurators oder gerichtlichen Erwachsenenvertreters (vgl RS0008673 [T12]). Warum wie im Revisionsrekurs vertreten die Entschädigung eines Kurators anders als jene eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nicht den Kostenpunkt betreffen soll, ist nicht nachvollziehbar. Dass die Anwendung der Bestimmung des § 283 ABGB über die Entschädigung eines Kurators bei großem Vermögen zu einem hohen Betrag führen kann, stellt keinen Grund dar, weil die Vorschrift in Aufbau und Systematik § 276 ABGB entspricht, der gegebenenfalls auch zu hohen Ansprüchen eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters führt. Soweit sich der zurückgewiesene Rekurs der Mutter gegen die vom Erstgericht beschlossene Entschädigung der Kuratoren richtete, ist ihr Revisonsrekurs gegen die Zurückweisung ihres Rekurses somit jedenfalls unzulässig.

[13] II. Soweit sich der zurückgewiesene Rekurs der Mutter gegen die Bestätigung der gelegten Rechnungen richtete, ist der Revisionsrekurs gegen seine Zurückweisung zwar nicht jedenfalls unzulässig (e contrario § 62 Abs 2 AußStrG), seine Zulässigkeit hängt aber vom Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab.

[14] Das Rekursgericht begründete die Zurückweisung des Rekurses der Mutter damit, dass diese zu seiner Erhebung im eigenen Namen nicht legitimiert gewesen sei. Rechtsmittellegitimation komme grundsätzlich nur den Parteien des jeweiligen Verfahrensgegenstands zu und darüber hinaus nur Personen, deren rechtlich geschützte Stellung durch den anzufechtenden Beschluss unmittelbar berührt werde. Die Berührung bloß wirtschaftlicher Interessen genüge nicht. Die Mutter habe sich mittels Pflichtteilsübereinkommen zwar dazu verpflichtet, die Kosten für die Kollisionskuratoren in voller Höhe zu übernehmen und habe damit deren Entschädigung faktisch zu tragen. Dadurch würden allerdings nur wirtschaftliche Interessen ihrerseits tangiert.

[15] Die Mutter wendet im Revisionsrekurs ein, das Rekursgericht habe bei der Beurteilung ihrer Parteistellung die Regelung des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG unvertretbar angewendet, da es nicht erkannt habe, dass sie durch den erstinstanzlichen Beschluss in ihrer eigenen rechtlich geschützten Stellung als obsorgeberechtigter Elternteil unmittelbar berührt werde. Zum einen sei ihr durch die Kuratorenbestellung die Vermögensverwaltung für bestimmte Angelegenheiten entzogen worden. Ihre damit gegebene Parteistellung habe nicht mit der Rechtskraft der Kuratorenbestellung geendet, sondern erstrecke sich auf das gesamte weitere, einheitlich unter einem Aktenzeichen geführte Pflegschaftsverfahren und damit auch auf den von ihr mit Rekurs bekämpften Beschluss des Erstgerichts. Zum anderen kämen ihr als restlich Obsorgeberechtigte eigene Informations- und Kontrollbefugnisse zu, was sich aus einem Größenschluss aus § 189 Abs 1 Z 1 (iVm § 167 Abs 3) ABGB ergäbe. Sie benötige zur Ausübung der ihr verbleibenden Obsorgebereiche, insbesondere im Bereich der Vermögensverwaltung und der gesetzlichen Vertretung, verlässliche Informationen über die Vermögens- und Einkommenslage der Pflegebefohlenen.

[16] II.1. Nach § 2 Abs 1 AußStrG sind Parteien 1. der Antragsteller, 2. der vom Antragsteller als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete, 3. jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde, sowie 4. jede Person oder Stelle, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften in das Verfahren einzubeziehen ist.

[17] Die Anträge auf Bestätigung der Rechnungen wurden von den Kuratoren gestellt. Die Mutter ist weder Antragstellerin noch Antragsgegnerin, somit nicht Partei nach § 2 Abs 1 Z 1 oder 2 AußStrG des über diese Anträge geführten Verfahrens. Da auch keine Vorschrift iSd § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG zur Einbeziehung der Mutter in das über diese Anträge geführte Verfahren besteht, könnte ihr (materielle) Parteistellung nur nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG zukommen.

[18] II.2. Die in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG vorausgesetzte „rechtlich geschützte Stellung“ ist noch nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse, sondern es ist auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen (idS RS0128451). Die von der Vorschrift verlangte „unmittelbare Beeinflussung“ der rechtlich geschützten Stellung einer Person durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung liegt vor, wenn die Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Die Rechtsstellung muss daher unmittelbar vom Ausgang des Verfahrens abhängig sein (RS0123028; RS0128451 [T3]). Ob – im Sinne einer unmittelbaren Beeinflussung einer rechtlich geschützten Stellung durch eine Entscheidung – ein subjektives Recht einer Person betroffen ist, ist nicht abstrakt, sondern bezogen auf die konkrete Stellung der Person in dem einzelnen zu entscheidenden Fall zu beurteilen (RS0006641 [T24]). Es kommt also darauf an, ob die rechtlich geschützte Stellung im jeweiligen Verfahren oder Verfahrensabschnitt tangiert wird (16 Ok 2/20k [Pkt II.4.]). Für die Parteistellung muss mit anderen Worten nach der jeweiligen Verfahrenslage differenziert werden (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 52 mwN).

[19] II.3. Weil es auf die jeweilige Verfahrenslage ankommt, kann daraus, dass die Mutter in Bezug auf die Frage, ob die Voraussetzungen einer Kollisionskuratel vorliegen, und damit in Bezug auf den Kuratorenbestellungsbeschluss Parteistellung besaß, weil durch den Beschluss der Umfang ihrer Obsorge eingeschränkt wurde (vgl 6 Ob 390/66 = SZ 40/5; RS0006257), nicht abgeleitet werden, ihr komme auch in Bezug auf die Bestätigung der von den Kuratoren gelegten Rechnungen Parteistellung zu.

[20] II.4. Soweit sich die Mutter zur Darlegung ihrer Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG auf ihre Stellung als (restlich) Obsorgeberechtigte der Kinder beruft, ist ihr zu erwidern, dass sie insofern gerade nicht in Ausübung eines eigenen Rechts, sondern bloß als Vertreterin der Kinder fungiert. Ihr diesbezügliches Informationsinteresse wird im Rahmen der Ausübung ihrer gesetzlichen Vertretung für die beiden Minderjährigen in vollem Umfang gewahrt.

[21] II.5. Soweit die Mutter aus einem Größenschluss aus § 189 ABGB ein eigenes Informationsrecht abzuleiten versucht, ist auf Folgendes hinzuweisen: Diese Vorschrift gibt nicht nur dem nicht obsorgeberechtigten, sondern unter Umständen, wie schon aus seinem Abs 5 ABGB ersichtlich, auch dem obsorgeberechtigten Elternteil ein (persönliches) Informationsrecht. Dabei erfasst Abs 5 auch Fälle, in denen ein Elternteil nur mit Teilen der Obsorge betraut ist (Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB5 I § 189 Rz 17), etwa weil – wie hier – für einen Teil der Obsorge eine Kollisionskuratel besteht. Damit haben Personen, die jeweils einen Teil der Obsorge für ein Kind ausüben, einander in den in § 189 Abs 1 Z 1 ABGB genannten Angelegenheiten zu informieren und Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl Hopf/Höllwerth in KBB6 § 189 ABGB Rz 7).

[22] Das der Mutter gegenüber den beiden Kollisionskuratoren grundsätzlich zustehende (persönliche) Informations-(und Äußerungs-)recht iSd § 189 Abs 1 Z 1 ABGB würde nach § 2 Abs 1 Z 1 oder 2 AußStrG ihre Parteistellung in einem über einen solchen Informationsanspruch geführten Verfahren begründen. Ein solches Verfahren liegt hier aber nicht vor.

[23] Das hier geführte Verfahren über den Antrag der Kuratoren auf Bestätigung der von ihnen gelegten Rechnungen beschränkt sich auf eine Plausibilitätsprüfung derselben (vgl 10 Ob 79/16i [Pkt 2.4.]). Die Rechnungsprüfung im Verfahren außer Streitsachen soll im Wesentlichen künftige Prozesse vermeiden oder zumindest im Sinne der Prozessökonomie vorbereiten (Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 137 Rz 2), etwa allfällige Schadenersatzprozesse des Pflegebefohlenen gegen den Rechnungslegungspflichtigen. Es ist hingegen nicht Zweck des über die Frage der Bestätigung der Rechnungslegung geführten Verfahrens, dem persönlichen – wenngleich unter Umständen berechtigten – Informationsinteresse einer anderen Person zu dienen. Da für eine Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse ausreicht, sondern auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen ist (RS0128451), vermag ein allfälliger Informationsanspruch der Mutter nach § 189 Abs 1 Z 1 AußStrG gegenüber den Kollisionskuratoren keine Parteistellung der Mutter im Verfahren über die Bestätigung der von den Kuratoren gelegten Rechnungen nach § 137 AußStrG zu begründen.

[24] II.6. Die Einzelfallanwendung der Regelung über die materielle Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG durch das Rekursgericht ist entgegen dem außerordentlichen Revisionsrekurs somit nicht zu beanstanden.

[25] Weil es der Mutter nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG darzustellen, ist ihr Revisionsrekurs auch in Ansehung der Zurückweisung ihres Rekurses, soweit er sich gegen die Bestätigung der Rechnungslegung richtete, zurückzuweisen.

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