OGH 3Ob119/12i

OGH3Ob119/12i8.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** B*****, vertreten durch Dr. Valentin Kakl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. S***** S***** und 2. M***** S*****, beide vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien Mag. I***** Ü*****, vertreten durch Dr. Harald Karl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit, Einwilligung in die Einverleibung, Unterlassung und Beseitigung (Streitwert je 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 3. Februar 2012, GZ 1 R 264/11k, 266/11d-40, womit das Urteil des Bezirksgerichts Ferlach vom 29. April 2011, GZ 1 C 148/10f-29, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juni 2011, GZ 1 C 148/10f-33, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht stellte das Bestehen der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen einschließlich Pkws mit Anhänger auf einem näher beschriebenen dreiecksförmigen Bereich des dienenden Grundstücks zu Gunsten der Eigentümer der klägerischen Grundstücke fest und verpflichtete die Beklagten, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Eigentümer des dienenden Gutes einer auf Feststellung abzielenden, sich auf Ersitzung stützenden Dienstbarkeitsklage entgegensetzen könne, der Berechtigte übe die Dienstbarkeit nicht schonend im Sinn des § 484 ABGB aus, um so die Feststellung einer zeitlich und örtlich „gemessenen“ ersessenen Dienstbarkeit zu erwirken.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Feststellungs- und Einverleibungsbegehrens anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil die Beklagten nicht das Erlöschen einer zunächst bestehenden Dienstbarkeit oder eine die Befugnisse des aus der Dienstbarkeit Berechtigten überschreitende Benützung einwendeten, woraus sich allenfalls das Erlöschen der Dienstbarkeit ergebe, sondern das Bestehen jeglicher Dienstbarkeit von Anfang an bestritten. Im vorliegenden Verfahren war ausschließlich die zwischen den Parteien strittige Frage zu klären, ob und in welchem Umfang die Klägerin (ihre Rechtsvorgänger) gegenüber den Beklagten (ihren Rechtsvorgängern) ein Geh- und Fahrrecht ersessen haben.

Die Beklagten vermögen überdies auch sonst keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Anpassung des Urteilsspruchs an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens abweichend von dessen Wortlaut ist zulässig (RIS-Justiz RS0041254). Das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren richtig zu fassen. Ein auf „Feststellung“ der eingetretenen Ersitzung gerichtetes Begehren hat das Gericht derart zu formulieren, dass es unzweifelhaft exekutions- und einverleibungsfähig ist (RIS-Justiz RS0041207). Das Gericht ist berechtigt, dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung zu geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357). Ob durch eine Neuformulierung des Spruchs nur eine Verdeutlichung vorgenommen oder das Begehren unter Berücksichtigung des dazu erstatteten Vorbringens in unzulässiger Weise überschritten wird, ist keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sondern betrifft ausschließlich den Einzelfall (RIS-Justiz RS0041192).

Es begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht angesichts der örtlichen Verhältnisse die irrtümlich bezeichnete Himmelsrichtung korrigiert (südwestlich statt südöstlich) und den Bereich des dienenden Grundstücks, in dem die ersessene Dienstbarkeit ausgeübt wird, nach den örtlichen Verhältnissen anstatt unter Bezugnahme auf eine unmaßstäbliche Lageskizze beschreibt. Die sich aus dem angegriffenen Urteilsspruch ergebende Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin Durchgang und Durchfahrt in einem bestimmten Bereich der belasteten Liegenschaft zu gewähren anstelle auf einem von der Klägerin in diesem Bereich gewählten Weg, der in der Natur als solcher gar nicht existiert, kann durchaus als geringere, im Klagebegehren aber Deckung findende Belastung aufgefasst werden.

Der Ersitzungsbesitzer hat außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzers am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich (oder) echt gewesen sei (RIS-Justiz RS0034251; vgl auch RS0034138). Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung kann von der Natur und dem Zweck der „Bestellung“ im wörtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es daher darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschende Gutes während dieser Zeit benötigte (RIS-Justiz RS0011664). Der Umfang des ersessenen Rechts lässt sich somit nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ermitteln.

Dass das Berufungsgericht aus den hier getroffenen Feststellungen, die im Gegensatz zu dem von den Beklagten vertretenen Standpunkt in ihrer Gesamtheit eine im Wesentlichen kontinuierliche und unbeanstandete Rechtsausübung über mehr als dreißig Jahre erkennen lassen, die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen einschließlich Pkws mit Anhänger ableitet, bildet gleichfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dass mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen im Hinblick auf die festgestellte und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegte Bewirtschaftung eines Obstgartens mit zwölf bis sechzehn Obstbäumen keine großen und überschweren Forstbearbeitungsmaschinen gemeint sind, ergibt sich schon aus der zusätzlichen Erwähnung von Pkws mit Anhänger, welche gegenüber durchschnittlichen in der Landwirtschaft eingesetzten Traktoren üblicherweise geringere Belastungen des dienenden Grundstücks bewirken. Damit ist hinreichend deutlich klargestellt, dass die ersessene Dienstbarkeit das Befahren des abgegrenzten Teils des dienenden Grundstücks der Beklagten nur mit Fahrzeugen umfasst, welches für die Pflege der klägerischen Wiese samt Obstbäumen (einschließlich des gelegentlich erforderlichen Baumschnitts oder auch der notwendigen Entfernung eines einzelnen Baums) nötig ist.

Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hinwies, hat sie ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

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