Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
„Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Sicherungsantrag aufgetragen.“
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. Mai 2009, AZ 3 C 44/08a, im Einvernehmen geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich wurde die Obsorge für die beiden Minderjährigen dem Vater übertragen. Festgehalten wurde auch, dass zwei Sparbücher bei einer Raiffeisenbank lautend auf die Vornamen der beiden Minderjährigen deren Vermögen bildeten.
Der Vater beantragte beim Erstgericht, der Mutter aufzutragen, zwei bestimmte - von einer anderen Bank ausgestellte - Sparbücher binnen drei Tagen dem Vater herauszugeben und weiters die unverzügliche Sperre beider Sparbücher zu Gunsten der Minderjährigen als Mündelvermögen. Das Guthaben auf beiden Sparbüchern sei Kindesvermögen, es müssten jeweils etwa 7.000 EUR als Guthaben vorhanden sein. Tatsächlich seien aber auf dem Sparbuch des Sohnes nur noch 5.476,62 EUR und auf jenem der Tochter 4.938,20 EUR vorhanden. Die Mutter, die beide Sparbücher in Händen habe, habe Behebungen vorgenommen. Die Mutter habe darauf angesprochen erklärt, sie müsse ja von irgendwas leben. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Mutter weiter vom Vermögen der Minderjährigen Geld zuwende. Bereits anlässlich der Scheidung habe der Vater die Herausgabe der Sparbücher gefordert. Die Mutter habe damals aber bestritten, dass sie diese in Verwahrung habe.
Das Erstgericht verfügte die Kontosperre mit der Begründung, aus dem Scheidungsvergleich sei ersichtlich, dass zwei Sparbücher Kindesvermögen seien. Um Schaden hintanzuhalten, sei vorweg die gerichtliche Sperre anzuordnen. Das Gericht werde nun weitere Erhebungen tätigen.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der Mutter dahin ab, dass der Antrag auf Sperre der beiden in Händen der Mutter befindlichen Sparbücher zurückgewiesen wird. Es sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil man auch die Auffassung vertreten könnte, schon die Indizienlage spreche für das Eigentum der Kinder an den Sparbüchern, weshalb das außerstreitige Sicherungsverfahren zulässig sei.
Auszugehen sei davon, dass zwischen den Eltern Streit über das Eigentum an den gegenständlichen Sparbüchern herrsche. Im Scheidungsfolgenvergleich seien zwar zwei Sparbücher als Vermögen der Kinder erwähnt worden, dabei habe es sich aber um Sparbücher bei einer anderen Bank gehandelt. Derzeit sei daher unklar, ob es sich bei den im Antrag des Vaters genannten Sparbüchern um Vermögen der Kinder handle. Diese Frage sei aber nicht im außerstreitigen Vermögensverwaltungsverfahren, sondern im Streitverfahren zu klären. Der Umstand, dass beide Sparbücher auf je einen Namen der Kinder lauteten, sei für den Eigentumsnachweis unerheblich. Da die Mutter im Besitz beider Sparbücher sei und sie damit die Vermutung des Eigentums für sich habe, könne gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Sparbüchern um Kindesvermögen handle. Aus diesem Grund scheide eine Maßnahme nach § 133 Abs 4 AußStrG aus. Der Vater sei mit dem Begehren der Kinder auf den Rechtsweg zu verweisen, wo er - auch vor Einleitung eines Rechtsstreits - eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des behaupteten Anspruchs seiner beiden Kinder beantragen hätte können. Der Sicherungsantrag sei daher zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die Bestätigung der erstgerichtlichen Sicherungsanordnung, hilfsweise die Rückverweisung der Sache zur neuerlichen Entscheidung anstrebt, ist zulässig und berechtigt.
Der Vater beantragte als gesetzlicher Vertreter der beiden Minderjährigen einerseits die Herausgabe der im Besitz der Mutter befindlichen näher bezeichneten Sparbücher und darüber hinaus deren gerichtliche Sperre als Mündelvermögen. Verfahrensgegenstand ist nur der letztgenannte Sicherungsantrag. Das an das Erstgericht gerichtete Herausgabebegehren war bislang noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass die Gründe, aus welchen das Judikat 237 Alimentationsansprüche pflegebefohlener Kinder gegen ihre Eltern in das Außerstreitverfahren verwiesen hat, auch in dem Fall, dass dem Kind ein ihm nach dem Gesetz gebührendes Vermögen - Geldbeträge, Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände usw - von einem Elternteil vorenthalten werden, den Rechtsweg für den diesbezüglichen Herausgabeanspruch als ausgeschlossen erscheinen lassen. Dabei wurde auf die Pflicht des Pflegschaftsgerichts zur amtswegigen Wahrnehmung der Ansprüche des Pflegebefohlenen gegenüber dem vermögensverwaltenden Vater und zum Einschreiten bei Missbrauch der elterlichen Gewalt hingewiesen und der Standpunkt vertreten, dass das Vorenthalten eines dem minderjährigen Kind nach dem Gesetz zukommenden Vermögens durch einen Elternteil einem Missbrauch der elterlichen Gewalt und einer Nichterfüllung der mit dieser Gewalt verbundenen Pflichten gleichkommt (8 Ob 542/88 = EvBl 1989, 123 ua; RIS-Justiz RS0048055). Die diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte waren dadurch gekennzeichnet, dass die Rechte der Minderjährigen gar nicht strittig waren, sodass der gesetzliche Vertreter keine sein Verhalten rechtfertigenden Befugnisse ins Treffen führen konnte. Fehlt diese Voraussetzung, ist hingegen der streitige Rechtsweg zu beschreiten (1 Ob 558/94 = SZ 67/129).
In diesem Fall geht es aber nicht um die Verwaltung des Vermögens Minderjähriger durch den Obsorgeberechtigten (Vater), sondern um die Herausgabe von Vermögensbestandteilen, die die nicht obsorgeberechtigte Mutter in Händen haben soll. Das außerstreitige Verfahren ist nur für den Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnis des Obsorgeberechtigten vorgesehen (§ 133 AußStrG; 9 Ob 117/04b). Der Herausgabeanspruch der Minderjährigen ist daher auf dem streitigen Rechtsweg zu verfolgen.
In welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei. Ist zweifelhaft, welches Verfahren anzuwenden ist, so hat das Gericht darüber zu entscheiden; dieser Beschluss ist selbständig anfechtbar (§ 40a JN). Ein in der falschen Verfahrensart gestelltes Rechtsschutzgesuch ist nicht zurückzuweisen, sondern umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln (zuletzt 5 Ob 175/09k = wobl 2009, 384 [Hausmann]; RIS-Justiz RS0116390). Dies gilt ungeachtet der Anordnung des § 56 Abs 1 AußStrG, wonach in einer Sache, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, ein angefochtener Beschluss vom Rekursgericht aufzuheben und das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären und der ihm vorangegangene Antrag zurückzuweisen sei, zumal durch § 56 Abs 1 AußStrG § 40a JN nicht derogiert wurde (so die ErläutRV zu § 56, abgedruckt in Fucik/Kloiber AußStrG, 207, § 56 Rz 1; Klicka in Rechberger, AußStrG § 56 Rz 1). Eine Zurückweisung eines im außerstreitigen Verfahren gestellten Antrags wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs kommt nur in Betracht, wenn das Gericht für das richtige Verfahren nicht sachlich und örtlich zuständig und auch nicht § 44 JN anzuwenden ist. Sonst ist über den Antrag als Klage im streitigen Verfahren - wenn mehrere Gerichtsabteilungen bestehen - durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu verhandeln und zu entscheiden (RIS-Justiz RS0057140).
Im vorliegenden Fall ist das angerufene Bezirksgericht, in dessen Sprengel sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin wohnen, örtlich zuständig. Auch die sachliche Zuständigkeit liegt vor, weil die von den Minderjährigen jeweils beanspruchten Sparbücher behauptetermaßen einen jeweils 10.000 EUR nicht übersteigenden Einlagestand aufweisen bzw aufweisen sollen. Bei Ansprüchen auf Herausgabe von Sparbüchern inländischer zahlungsfähiger Banken ist keine Bewertung des Begehrens nötig (Kodek in Rechberger³ § 500 Rz 6 mwN zur Rsp).
§ 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die bis zum Eintritt der Rechtskraft von Amts wegen wahrzunehmende Unzulässigkeit des (außer-)streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt, es sei denn, es wäre nach § 42 Abs 3 JN schon bindend über die Zulässigkeit des (außer-)streitigen Rechtswegs abgesprochen worden. Der verfahrenseinleitende Akt wird somit von der Nichtigkeit eines nicht in der richtigen Verfahrensart abgewickelten Verfahrens nicht erfasst (1 Ob 137/02g; vgl RIS-Justiz RS0046245).
Im vorliegenden Fall ist infolge Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs der vom Rechtspfleger dennoch in diesem Verfahren gefasste Beschluss im Sicherungsverfahren infolge Überschreitung dessen Entscheidungsbefugnis nichtig und daher aufzuheben, mangels (bislang) vorliegender Hinweise auf die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts der Sicherungsantrag, der mit dem Begehren auf Herausgabe verbunden wurde, aber noch nicht zurückzuweisen.
Das Erstgericht wird (durch den für Streitsachen zuständigen Richter) neuerlich zu entscheiden haben. Dies gilt auch für das Verfahren über den bislang noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesenen, als Herausgabeklage zu behandelnden Herausgabeantrag des Vaters (Verbesserungsverfahren).
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