Spruch:
Der Antrag des Antragstellers, zur Verhandlung und Entscheidung das Bezirksgericht Krems an der Donau, in eventu ein anderes sachlich zuständiges Gericht, als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Krems an der Donau beabsichtigt, gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die Rückzahlung des bereits geleisteten Reisepreises samt pauschalem Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude klageweise geltend zu machen, weil die vom Kläger bei der Beklagten bestellte Reise aus Verschulden der Beklagten nicht habe angetreten werden können. Der Kläger bringt vor, für ihn liege ein Verbrauchergeschäft vor, die Beklagte habe ihre Tätigkeit nach Österreich ausgerichtet und mit ihm an seiner österreichischen Anschrift korrespondiert, weshalb er den Gerichtsstand nach Art 14 LGVÜ in Anspruch nehme. Da diese Bestimmung nur die internationale, nicht aber eine örtliche Zuständigkeit festlege, beantrage er die Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts in Österreich, vorzugsweise des Bezirksgerichts Krems an der Donau, in dessen Sprengel er seinen Aufenthalt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (§ 28 Abs 1 Z 1 JN). Prämisse einer Ordination ist daher das Fehlen eines Gerichtsstands im Inland, was der ordinierende Oberste Gerichtshof - in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 JN - von Amts wegen zu prüfen hat, wobei diese Prüfung - auch in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 2 JN - aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw aufgrund der Aktenlage erfolgt (Matscher in Fasching 2 I § 28 JN Rz 11 mwN).
Im Hinblick auf den Sitz der beklagten Partei in der Schweiz richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem am 30. Oktober 2007 in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art 64 Abs 2 lit a LGVÜ 2007, auch LGVÜ II). Der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist nach seinem Art 63 im Verhältnis zur Schweiz seit 1. Jänner 2011 eröffnet (ABl L 2011/138, 1).
Nach Art 15 Abs 1 lit c LGVÜ 2007 bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit - unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5 - nach dem Abschnitt 4 des LGVÜ („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“), wenn der andere Vertragspartner im Heimatstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Von der für die Erfüllung des Verbraucherbegriffs erforderlichen Privatbezogenheit ist nach den maßgeblichen Angaben des Antragstellers auszugehen, ebenso vom Ausrichten der Tätigkeit der beklagten Partei auf Österreich. Reiseverträge unterliegen nach Art 15 Abs 3 LGVÜ 2007 dem Abschnitt 4 des Übereinkommens. Es liegt somit im vorliegenden Fall eine Verbrauchersache iSd Art 15 ff LGVÜ 2007 vor.
Nach der Präambel wollen die Hohen Vertragsparteien des Übereinkommens zwecks Verstärkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit die Grundsätze der Brüssel I-Verordnung (EuGVVO) auf das LGVÜ 2007 übertragen. In diesem Sinn entspricht auch der Art 16 LGVÜ 2007 in seinen maßgeblichen Passagen wortwörtlich dem Art 16 EuGVVO und nicht - wie in der Entscheidung 5 Nc 6/11v unrichtig zum Ausdruck gebracht wird (dort allerdings wegen der Antragstellung vor dem 1. Jänner 2011 nicht enscheidungswesentlich) - dem Art 14 LGVÜ 1988. Während Art 14 LGVÜ 1988 nur die internationale Zuständigkeit (und nicht auch die örtliche Zuständigkeit) regelt, bietet Art 16 LGVÜ 2007 dem Verbraucher einen Wahlgerichtsstand an seinem Wohnsitz und regelt insoweit auch die örtliche Zuständigkeit (Nemeth in Burgstaller/Neumayr, IZVR [9. Lfg 2009] Art 16 EuGVO Rz 7; Furrer/Glarner in Dasser/Oberhammer, LugÜ2 [2011] Art 16 Rz 8-9).
Wie der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen nach dem Inkrafttreten der Brüssel I-Verordnung zum Ausdruck gebracht hat, ist angesichts der Neufassung des Art 16 Abs 1 eine Ordination nicht mehr erforderlich (9 Nd 502/02 = AnwBl 2002/7828 [zust Mayr] ua; RIS-Justiz RS0106680 [T8, T9]; RS0108686 [T15]). Liegt somit - entgegen der Annahme des Antragstellers - ein Gerichtsstand im Inland vor, ist der Ordinationsantrag als unbegründet abzuweisen (Matscher in Fasching 2 I § 28 JN Rz 12 mwN).
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