European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:0020OB00009.960.0229.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der Beklagte wurde als Fußgänger bei einem Verkehrsunfall am 22. 4. 1979 von dem von Peter F***** gelenkten und bei der klagenden Partei versicherten PKW schwer verletzt. Mit der am 19. 4. 1982 eingebrachten Klage begehrte er die Zahlung von S 687.131,80 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien (Lenker und Haftpflichtversicherung) für alle ihm aus dem Unfall künftig entstehenden Schäden. In diesem Verfahren war der Kläger (Beklagter des vorliegenden Verfahrens) anwaltlich vertreten. Am 13. 4. 1984 kam es zu einem außergerichtlichen Generalvergleich in dem sich die Haftpflichtversicherung (klagende Partei des vorliegenden Verfahrens) verpflichtete, S 650.000 zuzüglich eines Kostenbeitrages von 65.000 S zu leisten, womit sämtliche Ansprüche des Geschädigten aus dem Verkehrsunfall abgefunden sein sollten. Im Schadenersatzprozeß trat Ruhen ein. Mit Antrag vom 18. 9. 1992 begehrte der ‑ nunmehr durch einen Sachwalter vertretene ‑ Kläger (Beklagter des vorliegenden Prozesses) die Fortsetzung des Schadenersatzprozesses und brachte vor, er sei wegen der Folgen der beim Unfall erlittenen Verletzungen nicht dispositionsfähig und auch nicht in der Lage gewesen, Inhalt und Bedeutung der von ihm gegenüber seinem damaligen Vertreter Rechtsanwalt Dr. Arthur B***** abgegebenen Zustimmungserklärung zu erfassen.
Während das Erstgericht das Klagebegehren im Hinblick auf den Generalvergleich vom 13. 4. 1994 abwies, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung mit Beschluß vom 23. 6. 1994 auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit des Klägers auch im Zeitpunkt der Erteilung der Prozeßvollmacht die zwischen den Streitteilen geschlossene Abfindungsvereinbarung insgesamt als nichtig anzusehen sei.
Mit der etwa Anfang Mai 1984 erbrachten Geldleistung der gegnerischen Haftpflichtversicherung beschaffte sich der schwer beeinträchtigte Beklagte (des vorliegenden Verfahrens) eine im desolaten Zustand befindliche Gemeindewohnung, die er in der Folgezeit unter Verwendung von Geldmitteln aus der Versicherungsabfindung renovierte und einrichtete. Die verbleibenden Beträge verwendete er als Zubuße zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und zur Abgeltung von Pflegeleistungen. Der Abfindungsbetrag wurde auf diese Weise vom Beklagten zur Gänze verbraucht. Der Beklagte besitzt nur mehr ein Banksparbuch mit einem Einlagestand von ca 1.100 S, er bezieht seit dem Vekehrsunfall eine relativ kleine Pension.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die klägerische Haftpflichtversicherung die Zahlung von S 650.000 sA im Hinblick auf die Aufhebung des Generalvergleiches vom 13. 4. 1994. Insoweit sich der Beklagte darauf berufe, daß er die erbrachte Leistung verbraucht habe, könne dies den Rückforderungsanspruch nicht hindern, da von ihm die Tragweite der Geschäfte erkannt werde haben können.
Der Beklagte wendete ein, er sei nicht zur Rückzahlung verpflichtet, weil der Betrag nicht mehr vorhanden sei und er ihn als gutgläubiger Empfänger verzehrt habe. Jedenfalls stehe ihm aber der Betrag von 650.000 S als Schadenersatzbetrag nach dem Verkehrsunfall vom 22. 4. 1979 zu, er wendete compensando die ihm aus diesem Verkehrsunfall zustehende Geldleistung ein. Diese Forderung sei auch nach wie vor streitanhängig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren kostenpflichtig statt, wobei es ‑ ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt ‑ die Rechtsansicht vertrat, daß gemäß § 1424 ABGB gegen eine Person, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten dürfe, ein Rückforderungsanspruch nur dann bestehe, wenn der bezahlte Betrag noch wirklich vorhanden oder die Geldleistung zum Nutzen des Empfängers verwendet worden sei. Da der Beklagte die von ihm empfangenen Geldleistungen ausschließlich zu seinem Vorteil verwendet habe und diese offensichtlich auch in geringem Maß noch vorhanden seien, bestehe der Anspruch der klagenden Partei zu Recht.
Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hob die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht; der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.
Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß gemäß § 877 ABGB derjenige, der die Aufhebung eines Vertrages aus mangelnder Einwilligung verlange, alles zurückzustellen habe, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten habe. Unter diese Bestimmung seien auch Verträge zu subsumieren, die wegen Fehlens der Geschäftsfähigkeit ungültig seien. § 877 ABGB enthalte aber keine eigenen Regelungen über die bereicherungsrechtlichen Ansprüche, sondern verweise auf das allgemeine Bereicherungsrecht. Für Kondiktionsansprüche sehe § 1437 ABGB vor, daß der Empfänger einer bezahlten Nichtschuld als redlicher oder unredlicher Besitzer anzusehen sei, je nachdem ob er den Irrtum des Gebers wußte oder aus den Umständen vermuten mußte oder nicht. Für Unterhaltsleistungen und solche Leistungen, die wirtschaftlich gesehen ohne Rücksicht auf die rechtliche Konstruktion die Funktion hätten, dem Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen, werde daraus abgeleitet, daß dann, wenn eine Leistung irrtümlich erbracht und vom Empfänger gutgläubig verbraucht wurde, eine Rückforderung nicht möglich sei. Dies gelte auch, wenn die mangelnde Berechtigung der Leistung auf rückwirkenden Änderungen beruhe. Grundlage dieser Einwendung des "gutgläubigen Verbrauches" sei das Institut des "Nachteilsausgleiches". Der Vorteil der für den Unterhalt verbrauchten Leistung werde durch die Nachteile, die durch die Rückzahlung entstehen, übertroffen. Bei einem gutgläubigen Verbrauch könne von einer echten Bereicherung nicht mehr gesprochen werden.
Gemäß § 1424 ABGB sei das, was jemand an eine Person bezahlt habe, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten dürfe, insoweit wieder zu bezahlen, als das Bezahlte nicht wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden sei. Diese Bestimmung sei analog auch im Zusammenhang mit § 877 ABGB bei der Verpflichtung zur Rückabwicklung eines infolge Geschäftsunfähigkeit unwirksamen Vertrages anzuwenden. Demnach habe der Geschäftsunfähige nur dasjenige zurückzustellen, was bei ihm noch vorhanden sei oder zu seinem Vorteil verwendet wurde.
Während es also Grundlage für den Einwand des gutgläubigen Verbrauches sei, denjenigen, der für den Unterhalt geleistete Beträge gutgläubig auch für den Unterhalt verbraucht habe, vor einer plötzlichen Einschränkung seiner Unterhaltsbedürfnisse zu schützen, sei es wesentliche Grundlage des § 1424 ABGB, den Geschäftsunfähigen vor Nachteilen zu schützen, die dadurch entstehen, daß er durch die Leistungshandlung doch Vermögensgestaltungen vornehmen könne.
Da im vorliegenden Fall der erhaltene Betrag aber zum Nutzen des Beklagten verwendet worden sei, könne sich der Beklagte nicht auf die Bestimmung des § 1424 ABGB berufen.
Ungeprüft sei jedoch geblieben, inwieweit hier Unterhaltsleistungen erbracht und zu Unterhaltszwecken gutgläubig verbraucht wurden. Insoweit sei das Vorbringen des Beklagten, daß er die Leistungen gutgläubig erhalten und verbraucht habe, nicht ausreichend erörtert worden. Im fortgesetzten Verfahren werde also zu erörtern sein, inwieweit hier Leistungen erbracht wurden, die wirtschaftlich gesehen die Funktion hatten, dem Lebensunterhalt des Beklagten zu dienen. Nur insoweit die von der klagenden Partei erbrachten Leistungen solche mit Unterhaltscharakter seien, könne der Einwand des gutgläubigen Verbrauches als maßgeblich erachtet werden, etwa hinsichtlich des Verdienstentganges, nicht jedoch betreffend Schmerzengeldforderungen.
Ferner werde zu prüfen sein, inwieweit die Leistung mit Unterhaltscharakter auch tatsächlich für den Unterhalt verbraucht wurden und zu welchen Zeiten. Die Beweislast für einen allfälligen Mangel der Gutgläubigkeit treffe die klagende Partei, doch sei die Kenntnis und das Wissen des Sachwalters dem Beklagten zuzurechnen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, da eine Rechtsprechung dazu, inwieweit der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs auch im Zusammenhang mit der Rückabwicklung gemäß § 877 ABGB erhoben werden könne, nicht vorliege.
Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird beantragt, die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht oder Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es handle sich im vorliegenden Fall um keinen echten Bereicherungsanspruch, sondern sei der Vergleich infolge Fehlens der Geschäftsfähigkeit als nichtig aufgehoben worden, was unter die Bestimmung des § 877 ABGB zu subsumieren sei. Werde aber ein Vertrag nach dieser Gesetzesbestimmung aufgehoben, so sei das beiderseits Geleistete rückzustellen und die Rückgabepflicht "unabhängig von gutem oder bösem Glauben". Bei einer Rückabwicklung im Sinne des § 877 ABGB habe der Geschäftsunfähige dasjenige zurückzustellen, was bei ihm noch vorhanden sei oder zu seinem Vorteil verwendet wurde. Da der dem Beklagten bezahlte Betrag zu dessen Nutzen verwendet worden sei, bestehe die Verpflichtung zur Rückgabe. Einen allgemeinen Rechtssatz, wonach bei Nichtigkeit eines Vergleiches das mit Unterhaltscharakter gutgläubig Verzehrte nicht rückerstattet werden müsse, gebe es nicht, er könnte auch zu erheblichen Auffassungsschwierigkeiten darüber, was aus dem Titel des Unterhalts verbraucht wurde und was nicht, führen. Nicht erkennbar sei auch, weshalb die Beweislast für einen allfälligen Mangel der Gutgläubigkeit die klagende Partei treffen solle.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Da der Beklagten zum Zeitpunkte der Erteilung der Prozeßvollmacht im Schadenersatzprozeß nicht geschäftsfähig war konnte er keine rechtswirksame Vollmacht erteilen (Strasser in Rummel 2, Rz 6 und 7 zu § 1018). Dies hat zur Folge, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleich vom 13.4.1984 infolge vollmachtslosen Vertreterhandelns nicht wirksam war (Strasser, aaO, Rz 11 zu §§ 1016, 1017 mwN).
Es fehlte somit für die von der klagenden Partei auf Grund des Vergleiches erbrachte Leistung der Rechtsgrund, sodaß ihr grundsätzlich gemäß § 1431 ABGB ein Kondiktionsanspruch zusteht (s auch Rummel in Rummel 2 Rz 1 zu § 877). Auf diesen Kondiktionsanspruch ist § 1437 ABGB anzuwenden (EvBl 1991/138 = ecolex 1991, 557 = Arb 10.922 = SZ 64/47 = JBl 1992, 199; JBl 1992, 456). Im Wege der Analogie ist § 1424 ABGB auch auf Bereicherungsansprüche gegen Personen die in ihrer Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt sind, anzuwenden (Dullinger, Die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, ÖJZ 1987, 33 [40], JBl 1992, 39 = NZ 1992, 63 = EFSlg 66.281; SZ 60/119 = EFSlg 54.173; SZ 55/166). Der Beklagte kann sich aber, wie die Vorinstanzen bereits zutreffend erkannt haben, auf diese Bestimmung nicht berufen, weil ‑ was im Rekursverfahren nicht mehr strittig ist ‑ das Bezahlte zu seinem Nutzen verwendet worden ist.
Zutreffend hat allerdings das Berufungsgericht auch auf die auf das Judikat 33 neu zurückgehende Rechtsprechung verwiesen, wonach zu Unrecht ausgezahlte Dienstbezüge, sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt, dann nicht zurückgefordert werden können, wenn sie der Arbeitnehmer in gutem Glauben empfangen und verbraucht hat. Die neuere Rechtsprechung hat die Grundsätze des Judikates 33 neu nicht auf Unterhaltsleistungen im eigentlichen Sinn beschränkt, sondern sie auch dann gelten lassen, wenn die irrtümlich erbrachte Leistung, wirtschaftlich gesehen ‑ ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Konstruktion ‑ die Funktion hatte, dem Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen (SZ 62/15; SZ 60/136 jeweils mwN). Die dem Judikat 33 neu folgende Rechtsprechung wird nicht nur mit einem gewissen Schuldelement auf der Seite des Zahlenden begründet, es liegt ihr vornehmlich vielmehr der Gedanke zugrunde, daß bei gutgläubigem Verbrauch von Unterhaltsleistungen von einer echten Bereicherung nicht gesprochen werden kann (ZAS 1987/1 [Zemen]).
Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß es im Hinblick auf § 328 ABGB Sache des kondizierenden Klägers ist, die Unredlichkeit des Beklagten zu behaupten und zu beweisen (SZ 60/136), wobei eine Unredlichkeit eines Geschäftsunfähigen mangels einer Fähigkeit zur vernünftigen Motivation seiner Handlungen (vgl Koziol/Welser I10, 58) nicht in Frage kommt, wohl aber eine solche seines Sachwalters.
Die dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zugrunde liegende Rechtsansicht ist somit richtig, sodaß nicht weiter zu überprüfen ist, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger, Rz 5 zu § 519).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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