OGH 2Ob87/15f

OGH2Ob87/15f12.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Rudeck ‑ Schlager Rechtsanwalts KG in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers Dr. W***** G*****, gegen die beklagte Partei Ing. W***** B*****, vertreten durch Mag. Peter Abmayer, Rechtsanwalt in Mödling, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. D*****gmbH & Co KEG, *****, und 2. Dr. M***** G*****, beide vertreten durch Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Herausgabe und Einwilligung (Streitwert 79.940,57 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2015, GZ 15 R 229/14b‑56, womit über Berufung des Beklagten und der Nebenintervenienten auf Beklagtenseite das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. September 2014, GZ 6 Cg 80/12x‑51 teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00087.15F.0412.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass auch das Begehren, der Beklagte sei schuldig, binnen 14 Tagen (Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 79.940,57 EUR) die *****‑stel Miteigentumsanteile, B‑LNR *****, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2/3, und die *****‑stel Miteigentumsanteile, B‑LNR *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung Top 5, der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Grundstück *****, an den Kläger geldlastenfrei herauszugeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechts an diesen Miteigentumsanteilen für den Kläger, Dr. G***** S*****, geboren am *****, einzuwilligen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 33.915,16 EUR (darin 3.898,53 EUR USt und 10.524 EUR Barauslagen) sowie den Nebenintervenienten auf Beklagtenseite die mit 23.161,64 EUR (darin enthalten 4.081,78 EUR USt) bestimmten Kosten des gesamten Verfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 1. 2. 2000 kaufte die Erstnebenintervenientin auf Beklagtenseite (iF: Erstnebenintervenientin) die streitgegenständlichen Miteigentumsanteile (folgend: Erstverkauf). Wegen fehlender Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie mangels notarieller Beglaubigung einer Unterschrift der Verkäuferseite konnte sie am 23. 10. 2001 als Eigentümerin lediglich vorgemerkt werden. Zwischen der Verkäuferin und ihrem Generalbevollmächtigten für Liegenschaftsangelegenheiten, der den hier in Rede stehenden Kaufvertrag sowohl auf Seiten der Käuferin als auch der Verkäuferin unterzeichnet hatte, sowie dem damaligen Geschäftsführer der Käuferin entwickelte sich in der Folge ein Schadenersatzprozess wegen behaupteten unterpreisigen Verkaufs diverser Liegenschaften.

Im Jahr 2002 bot der Generalbevollmächtigte, dessen Bevollmächtigung bis dahin trotz der bestehenden Rechtsstreitigkeiten nicht widerrufen worden war, dem Kläger die beiden Wohnungen zum Kauf an. Der Kläger war sehr interessiert und man einigte sich auf einen Kaufpreis von insgesamt rund 80.000 EUR. Zunächst sollte ein Notar den Vertrag errichten, der diese Aufgabe jedoch in Kenntnis der Rechtsstreitigkeiten und der undurchschaubaren rechtlichen Verhältnisse zurücklegte. Der Generalbevollmächtigte bot daher an, dass sein Rechtsanwalt, der Nebenintervenient auf Klagsseite, die Vertragsurkunde erstellen sollte. Der Kläger war damit einverstanden. Der Generalbevollmächtigte und der Kläger unterfertigten am 3. 6. 2003 diesen Vertrag (folgend: Zweitverkauf), in dem sich der Kläger verpflichtete, den Kaufpreis von 79.940,57 EUR dem Vertragserrichter nach Mitteilung, dass alle für die Einverleibung des lastenfreien Eigentumsrechts für den Käufer erforderlichen Urkunden vorlägen, zu überweisen. Im Vertrag wurde eine auflösende Bedingung für den Fall vorgesehen, dass dem Vertragserrichter nicht bis 30. 6. 2008 alle zur Einverleibung des Eigentumsrechts für den Kläger notwendigen Urkunden vorlägen. Trete die auflösende Bedingung ein, habe der Kläger die Wohnungen geräumt zurückzustellen. Der Käufer verpflichtete sich deshalb, ob dieser Wohnungen keine Hauptmietverträge abzuschließen.

In wessen Verantwortungsbereich die Beschaffung der Urkunden fiel, wurde nicht besprochen.

Nach Unterfertigung des Kaufvertrags erkundigte sich der Kläger beim Generalbevollmächtigten nach einer Lösung für den Fall, dass er bei Ablauf der Bedingungsfrist trotz Fehlens der Urkunden weiterhin am Vertrag festhalten wolle. Am 4. 6. 2003 wurde daher eine Zusatzvereinbarung unterfertigt, nach der der Kläger den Eintritt der auflösenden Bedingung verhindern konnte, wenn er bis 30. 6. 2008 dem Vertragserrichter gegenüber schriftlich bekanntgab, den Kaufvertrag weiterhin aufrecht erhalten zu wollen. Nach einer solchen Erklärung sollte die auflösende Bedingung erst nach weiteren fünf Jahren eintreten, wobei dann wieder eine derartige Erklärung abgegeben werden konnte, usw.

Nach der Unterfertigung des Kaufvertrags wurden die Wohnungen dem Kläger übergeben und die jeweiligen Schlüssel ausgehändigt. Der Kläger bezahlte in der Folge die Betriebskosten an die Hausverwaltung von seinem Konto. Mit Schreiben vom 18. 6. 2008 teilte der Kläger dem Vertragserrichter mit, den Kaufvertrag aufrecht erhalten zu wollen.

Der Kläger ist bis heute bereit, zur Erwirkung seiner Einverleibung den Kaufpreis zu bezahlen.

Mittlerweile war die Komplementärin der Erstnebenintervenientin am 6. 9. 2006 gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht und am 30. 10. 2007 der Zweitnebenintervenient auf Beklagtenseite (iF auch: Zweitnebenintervenient) zu deren Nachtragsliquidator bestellt worden. Es war nämlich hervorgekommen, dass diese Gesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin diverser KEGs, darunter auch der Erstnebenintervenientin war, die ihrerseits Wohnungseigentumsanteile an diversen Liegenschaften hielten.

Die Recherchen des Zweitnebenintervenienten gestalteten sich mühevoll und langwierig, weil mittlerweile auch über das Vermögen des ehemaligen Geschäftsführers und alleinigen Gesellschafters der Komplementär‑GmbH und über diverse KEGs, darunter auch die Erstnebenintervenientin, das Konkursverfahren eröffnet worden war. Der Zweitnebenintervenient beabsichtigte daher, sämtliche Wohnungseigentumsanteile als Gesamtpaket möglichst rasch zu veräußern.

An diesem Kauf „im Paket“ zeigte in der zweiten Jahreshälfte 2008 der Beklagte Interesse. Er erhielt vom Zweitnebenintervenienten eine Adressenliste übermittelt, auf der sich auch die hier strittigen Wohnungseigentumsanteile befanden, aber ohne nähere Details. Der Beklagte sammelte in der Folge selbst Informationen. Zu den beiden hier streitgegenständlichen Wohnungen brachte er in Erfahrung, dass Vorschreibungen der Hausverwaltung vom Kläger bezahlt würden. Der Zweitnebenintervenient wies auch darauf hin, dass er insbesondere für die hier streitgegenständlichen Wohnungen für die Veräußerung ein Gutachten bräuchte und dass die grundbücherliche Rechtfertigung der Unterschrift des Geschäftsführers der immer noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragenen Verkäuferin des Erstverkaufs notwendig sei. Der Beklagte kontaktierte daraufhin den Geschäftsführer dieses Unternehmens und erreichte letztlich, dass dieser gegen Zahlung von 10.000 EUR zur Unterschriftsleistung bereit war. In weiterer Folge fand er auch einen Gutachter für die Wohnungen und trat mit den diesbezüglichen Kosten in Vorlage. Er fuhr die Objekte ab, um mit allfälligen Bewohnern einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Da er mit Bewohnern der hier streitgegenständlichen Wohnungen keinen Kontakt aufnehmen konnte, hielt er Rücksprache mit dem Zweitnebenintervenienten, der sich einverstanden zeigte, dem Sachverständigen Zutritt mittels eines Schlossers zu verschaffen. Anlässlich der Wohnungsöffnungen stellte sich heraus, dass sie bewohnt waren. Während der Besichtigung stieß eine Bewohnerin des Hauses hinzu, die den Kläger anrief und ihm von der Wohnungsöffnung berichtete. Sie übergab ihr Mobiltelefon einem Mitarbeiter des Beklagten, dem der Kläger ua erklärte, er sei Eigentümer beider Wohnungen. Der Mitarbeiter nahm Einsicht in den Mietvertrag der Mieterin der Wohnung Top 3 und sah, dass der Vertrag bis 30. 9. 2009 befristet war. Der Mitarbeiter teilte seine Erkenntnisse dem Beklagten mit.

Ein paar Tage später rief der Beklagte den Kläger an und entschuldigte sich. Er erklärte, dass er von einem Salzburger Rechtsanwalt beauftragt sei, die Objekte zu sichern, dass sie verkauft und hiezu von einem Sachverständigen besichtigt werden sollten. Dass er selbst am Kauf der beiden Wohnungen interessiert war, teilte er dem Kläger nicht mit. Ebenso wenig gab er ihm die Kontaktdaten des Zweitnebenintervenienten bekannt, oder dass dieser Nachtragsliquidator war. Er wies den Kläger auch nicht auf den bestehenden Zusammenhang zur vorgemerkten Eigentümerin hin. Der Kläger deponierte, er sei Eigentümer dieser Wohnungen, und las dem Beklagten auszugsweise aus seinem Kaufvertrag vor, unter anderem auch den vereinbarten Kaufpreis. Die Frage des Beklagten, ob das Geld schon geflossen sei, verneinte der Kläger. Der Beklagte sagte dem Kläger zu, er werde ihn in der Folge auf dem Laufenden halten. Dass der Kläger mit dem Zweitnebenintervenienten Kontakt aufnehmen oder bestimmte Unterlagen übermitteln sollte, empfahl der Beklagte dem Kläger nicht.

Dem Zweitnebenintervenienten berichtete der Beklagte in der Folge über die bekannt gewordenen Umstände. Der Beklagte rief den Kläger nicht neuerlich an, um ihn nach einer Dokumentation der von ihm behaupteten Rechte zu fragen, ebenso wenig versuchte der Zweitnebenintervenient Kontakt mit dem Kläger aufzunehmen und der Behauptung seines Eigentums nachzugehen. Am 3. 9. und 29. 9. 2009 leistete der Geschäftsführer der noch immer im Grundbuch als Eigentümerin einverleibten ursprünglichen Verkäuferin des Erstverkaufs gegen eine Abschlagszahlung des Beklagten die erforderlichen Unterschriften. Hierauf unterfertigten am 7. 9. 2009 der Zweitnebenintervenient und der Beklagte den Paket‑Kaufvertrag unter anderem über die hier streitgegenständlichen Wohnungen (folgend: Drittverkauf). Die zuständige Hausverwaltung zog ab 1. 10. 2009 die Vorschreibungen beim Beklagten ein. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 11. 12. 2009 wurde die Rechtfertigung der vorgemerkten Käuferin hinsichtlich der gegenständlichen Miteigentumsanteile angemerkt.

Am Vormittag des 23. 12. 2009 fertigte der Zweitnebenintervenient das Grundbuchsgesuch zur Eintragung des Beklagten ab. Am Nachmittag dieses Tages langte bei ihm ein Schreiben des Nebenintervenienten auf Klagsseite ein, der namens des Klägers um Aufklärung zur allfälligen Veräußerung der Anteile ersuchte und auf die Doppelveräußerungsproblematik hinwies. Der Zweitnebenintervenient bestätigte die Veräußerung und ersuchte um Übermittlung des Kaufvertrags des Klägers und Auskunft, weshalb seit 2003 keine Verbücherung erfolgt sei. Am 13. 1. 2010 erhielt er den Kaufvertrag mit der Erklärung, dass die Verbücherung aufgrund des bloß vorgemerkten Eigentumsrechts der Verkäuferin nicht möglich gewesen sei. Dem Hinweis des Zweitnebenintervenienten auf die auflösende Bedingung im Kaufvertrag hielt der Nebenintervenient auf Klagsseite die Zusatzvereinbarung und die Verlängerungserklärung des Klägers vom 18. 6. 2008 entgegen.

Der Kläger begehrte wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte dazu vor, dass der Beklagte Kenntnis von seinem außerbücherlichen Eigentum und Besitz an den Wohnungen gehabt habe. Er könne sich daher nicht darauf berufen, die Wohnungen im Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben zu haben. Vielmehr habe er in das besitzverstärkte Forderungsrecht des Klägers eingegriffen, weshalb der nunmehr geltend gemachte schadenersatzrechtliche Herausgabeanspruch samt Einwilligung in die grundbücherliche Eigentumseinverleibung bestehe.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, er habe gutgläubig Eigentum erworben. Der Zweitverkauf, auf den sich der Kläger stütze, sei nichtig bzw der Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt erklärt worden. Die vorgemerkte Eigentümerin sei 2008 aufgelöst worden. Der Kläger deklariere sich als außerbücherlicher Eigentümer, obwohl er keinen Kaufpreis erlegt habe, nie ein perfekter Vertrag bzw alle Urkunden zu seinem Eigentumserwerb (aus dem Zweitverkauf) vorgelegen seien und er sich auch nicht darum bemüht habe. Der Kläger sei nicht schutzwürdig, weil er niemals den Kaufpreis bezahlt habe und es von Juni 2003 bis September 2009 unterlassen habe, sein angebliches Eigentum verbüchern zu lassen. Es treffe ihn ein Mitverschulden. Nach dem Grundbuchsstand sei das Eigentumsrecht der vorgemerkten Eigentümerin (der Käuferin des Erstkaufs) nach Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen der mangelnden Beglaubigung der Unterschrift des Geschäftsführers der ursprünglichen Verkäuferin nicht eingetragen worden. Die erforderliche einverleibungsfähige Fertigung sei durch maßgebliche Mitwirkung sowie Kosten‑ und Zeitaufwand des Beklagten und Nachdruck des Zweitnebenintervenienten erzielt worden. Bei entsprechenden Bemühungen wäre dies auch dem Kläger und seinem Vertragserrichter möglich gewesen. Dass es dem Vertragserrichter binnen sechseinhalb Jahren nicht gelungen sei, die Rechtfertigung zu erreichen, sei dem Kläger als Verschulden zuzurechnen.

Im Hinblick auf die Mieteinnahmen des Klägers von Oktober 2009 bis Oktober 2012 wendete der Beklagte eine Gegenforderung von insgesamt 22.725 EUR gegen das Klagebegehren ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies die Gegenforderung (rechtskräftig) zurück. Dem Kläger habe ein besitzverstärktes Forderungsrecht zugestanden, in das der Beklagte eingegriffen habe. Der Anspruch auf Naturalersatz umfasse, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Stehe im Sinne der Entscheidung 1 Ob 140/13i fest, dass der Kläger ohne den rechtswidrigen Eingriff bereits Eigentümer der Eigentumswohnungen geworden wäre, sei ihm durch Eigentumsübertragung die gebührende Rechtsposition zu verschaffen. Mangels Gleichartigkeit komme eine Aufrechnung nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Beklagten und beider Nebenintervenienten auf Beklagtenseite teilweise Folge und änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass die Herausgabe der Wohnungen und Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers ob der entsprechenden Miteigentumsanteile „Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 79.940,57 EUR“ ausgesprochen wurde. Das Berufungsgericht verwarf die Beweisrügen und gelangte rechtlich zu dem Ergebnis, dass die behauptete Nichtigkeit des Kaufvertrags über den Zweitverkauf an den Kläger nicht vorliege und die Aufrechterhaltung dieses Kaufvertrags vom Kläger wirksam ausgesprochen worden sei. Der Beklagte habe bei seinem Kenntnisstand die Verkäuferin zum Vertragsbruch verleitet, was seine Haftung zur Naturalrestitution begründe. Den Kläger habe keine Verpflichtung getroffen, die zum Erwerb des Eigentumsrechts erforderlichen Veranlassungen zu treffen; auch sein langes untätiges Zuwarten, das die Gefahr eines gutgläubigen Eigentumserwerbs Dritter in sich getragen habe, könne ihm nicht als Sorglosigkeit vorgeworfen werden, weil es sich nur zu seinem eigenen Nachteil auswirken habe können. Dagegen habe der Beklagte in Kenntnis des fremden Rechts und damit sogar vorsätzlich Handlungen gesetzt, die den Kläger schädigten, woran auch der Umstand nichts ändern könne, dass erst die Vertragsparteien des zweiten Verkaufs (richtig: Drittverkaufs) die für die Rechtfertigung des Voreigentums erforderlichen Urkunden beigeschafft hätten. Der geltend gemachte Grund für den Rücktritt vom Zweitverkauf liege nicht vor. Der Kläger hätte nach den Feststellungen den Kaufpreis bei Vorliegen der Treuhandbedingungen erlegt. Ohne den rechtswidrigen Eingriff des Beklagten wäre er daher bereits Eigentümer der Liegenschaftsanteile, sodass es einen bloß unvollständigen Ersatz darstelle, den Beklagten dazu zu verhalten, das Eigentum an die ursprüngliche Verkäuferin zurückfallen zu lassen bzw rückzuübertragen. Zutreffend machten die Berufungswerber aber geltend, dass der Kläger entsprechend der mit der Zweitverkäuferin getroffenen Vereinbarung nur bei Zahlung des Kaufpreises die Stellung als Eigentümer erlangt hätte, sodass er durch eine uneingeschränkte Klagestattgebung ungerechtfertigt bereichert wäre. Auch wenn diese „Zug um Zug“-Beschränkung nicht vom Klagebegehren umfasst sei, könne sie als bloßes Minus vom Rechtsmittelgericht wahrgenommen werden.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage wurde die ordentliche Revision nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt , weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Naturalrestitution bei Doppelveräußerung abgewichen ist:

I. Revisionsvorbringen:

I.1.  Der Beklagte meint, einem Käufer, der selbst Jurist sei, und sich jahrelang nicht um die Verbücherung kümmere und bis zum Schluss den Kaufpreis nicht leiste, komme kein schützenswertes Forderungsrecht gegen den verbücherten Eigentümer, der die Liegenschaft vom bücherlich Berechtigten gegen Zahlung eines Kaufpreises erworben habe, zu. Es stelle sich die Frage, ob die in eigenen Belangen an den Tag gelegte Sorglosigkeit schützenswert sei, und ob jahrelange Untätigkeit und eine ungewöhnliche Nachtragsvereinbarung, die es dem Käufer auf Jahre hinaus ermögliche, das Kaufobjekt ohne Kaufpreiszahlung zu nützen, die „Bausteine des Grundbuchrechts“ durchbrechen könnten. Das Berufungsgericht behandle das eingewendete Mitverschulden überhaupt nicht, obwohl sich der Kläger über Jahre hinweg nicht um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert habe. Es bestehe keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wie das außerordentlich massive Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen sei.

I.2.  Das gefundene Ergebnis durchbreche die Grundsätze des Grundbuchsrechts durch eine letztlich sittenwidrig gestaltete, eine Partei bevorzugende Verlängerungsoption. Die Judikatur, wonach die Schadenersatzpflicht dann bestehe, wenn der Täter den Schuldner in Kenntnis des Forderungsrechts des Dritten zum Vertragsbruch verleite, impliziere, dass der Dritte vom Forderungsrecht keine Ahnung habe. Dies sei hier gerade nicht der Fall gewesen. Auch liege keine Täuschungshandlung des Beklagten vor, sondern habe dieser vielmehr für Aufklärung gesorgt.

I.3.  Der Spruch des Berufungsgerichts sei im Übrigen unklar. Der Kläger könne danach die Wohnungen nur Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises erlangen. Der Beklagte habe mit dem Kläger aber keinen Kaufvertrag geschlossen und er habe daher auch kein Recht auf Bezahlung des dort vereinbarten Kaufpreises. Auch andere Rechtsgrundlagen seien nicht zu erkennen. Es hätte daher im Spruch der Entscheidung angeführt werden müssen, an wen der Kläger den Kaufpreis zu zahlen hätte. Der Spruch sei nicht exekutierbar.

II. Erwägungen:

II.1.  Nach der nunmehr gefestigten Judikatur des Obersten Gerichtshofs ist auch eine nur schuldrechtliche Beziehung zwischen zwei Personen gegen Eingriffe Dritter grundsätzlich zu schützen; ein Dritter darf das Recht des Gläubigers auf obligationsgemäße Willenserrichtung des Schuldners nicht beeinträchtigen. Verleitet ein Dritter den Vertragspartner des Geschädigten zum Vertragsbruch, besteht eine deliktische Haftung des Verleitenden, ohne dass eine besondere Schädigungsabsicht nach § 1295 Abs 2 ABGB erforderlich ist. Für ein „Verleiten“ genügt schon die bewusste Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunkts unter bewusster Übergehung der dagegen sprechenden triftigen Argumente. Weiß daher der Eingreifer vom Bestand des Gläubigerrechts, kann ihm durchaus zugemutet werden, dieses zu respektieren. Der Dritte beeinträchtigt das Forderungsrecht nicht nur, wenn er auf den schuldnerischen Leistungswillen in Richtung Vertragsbruch einwirkt, sondern auch, wenn er in Kenntnis des fremden Forderungsrechts die schlichte Leistungsbewirkung vereitelt (RIS‑Justiz RS0025920 [T2, T3, T6 und T8]).

II.2.  Bei der Verletzung eines besitzverstärkten Forderungsrechts genügt zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruchs bereits, dass der Erwerber die obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (RIS‑Justiz RS0113118). Der Besitz bildet gleichsam ein Alarmsignal, das den Erwerber zu Nachforschungen verpflichtet (RIS‑Justiz RS0023657). Dem ersten Käufer der Liegenschaft wird gegen den Zweiterwerber ein Schadenersatzanspruch nach § 1323 ABGB mit dem Ziel der Übergabe der gekauften Liegenschaft gewährt, doch wird er mit diesem Begehren nur dann durchdringen, wenn sein durch den Besitz verstärktes Forderungsrecht für den Gegner (zweiten Käufer der Liegenschaft) deutlich erkennbar war. In diesem Falle genügt zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruchs des Erstkäufers bereits, dass sein Gegner seine obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (RIS‑Justiz RS0011224 [T5]). Der schadenersatzrechtliche Herausgabeanspruch gegen den Zweiterwerber besteht schon dann, wenn er leicht fahrlässig das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Erwerbers nicht kannte (6 Ob 169/07g; RIS‑Justiz RS0011224 [T11]).

II.3.  Ziel der Naturalrestitution ist es, jenen Zustand herbeizuführen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde (4 Ob 198/08h, 1 Ob 140/13i JBl 2014, 113; Danzl in KBB 4 § 1323 Rz 1). In Fällen der Doppelveräußerung von Liegenschaften bejaht die Rechtsprechung regelmäßig einen Anspruch des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer auf Herausgabe (RIS‑Justiz RS0083005; 1 Ob 140/13i), wozu auch die Eigentumsverschaffung gehört, sofern das Eigentum des Zweitkäufers bereits bücherlich einverleibt ist (1 Ob 140/13i mwN).

Dazu hat der 4. Senat in 4 Ob 198/08h dargelegt, dass dann, wenn der Erstkäufer mangels Zahlung des Kaufpreises noch keinen fälligen Anspruch auf Einverleibung seines Eigentumsrechts erworben habe, er die Übertragung des Eigentumsrechts auch nicht vom Zweitkäufer im Wege der Naturalrestitution verlangen könne. In diesem Fall könne die Wiederherstellung des vorigen Zustands im Wege der Naturalrestitution nur im Rückfall des Eigentumsrechts an den Verkäufer bestehen, die den Verkäufer in die Lage versetze, dem Erstkäufer ‑ nach Erlag des vereinbarten Kaufpreises ‑ Eigentum zu verschaffen. Erst dann könne der Erstkäufer aufgrund seines Eigentumsrechts seinerseits die physische Herausgabe der Liegenschaft vom Zweitkäufer verlangen.

II.4.  Dem hat der 1. Senat in 1 Ob 140/13i entgegengesetzt, dass in Fällen, in denen nicht eine reale Beschädigung einer körperlichen Sache vorliege, wie es die Bestimmung des § 1323 Satz 1 ABGB mit Anordnung der Rückversetzung in den vorigen Stand primär im Auge habe, der Geschädigte nicht auf die Herstellung des Zustands vor der schädigenden Handlung beschränkt sei, sondern vielmehr verlangen könne, so gestellt zu werden wie er „heute“ nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge stünde, wenn der Schädiger sein schuldhaft rechtswidriges Verhalten unterlassen hätte. Hätte demnach der Kläger aber den Kaufpreis bezahlt und die Verkäuferin das Eigentum an der Liegenschaft übertragen, wenn die Abwicklung des Vertrags nicht vereitelt worden wäre, ginge der Einwand, dass der Kläger den Kaufpreis nicht erlegt habe, ins Leere, sei es doch allein dem beklagten Zweitkäufer zuzuschreiben, dass dem klagenden Erstkäufer die Möglichkeit der mit dem Verkäufer vereinbarten Vertragsabwicklung einschließlich des Erlags des Kaufpreises genommen worden sei. In diesem Fall sei der Anspruch auf Naturalersatz nicht auf die Herstellung des vor der Schädigung bestehenden Zustands zu beschränken, sondern habe der Geschädigte grundsätzlich Anspruch darauf so gestellt zu werden, wie er heute ohne das schädigende Ereignis stünde.

II.5.  Im vorliegenden Fall ist es nun aber so, dass der Beklagte keineswegs in eine in ordnungsgemäßem Gang befindliche Abwicklung der Eigentumsübertragung an einer Liegenschaft aus dem Zweitverkauf eingegriffen hat, sondern vielmehr ein jahrelanger Stillstand dieser Abwicklung wegen des nicht abgeschlossenen Erstverkaufs eingetreten war. Es bestehen keine Hinweise, dass der Vorgang ohne Einwirken des Beklagten wieder aufgenommen worden wäre, hat doch der Kläger keinerlei Anstrengungen unternommen und war die Komplementärin der Verkäuferin des Zweitverkaufs im Firmenbuch gelöscht worden. Auch wenn das Erstgericht daher festgestellt hat, dass der Kläger grundsätzlich zur Leistung des Kaufpreises nach wie vor bereit ist, gibt es keine Hinweise dafür, dass der Kläger „heute“ ‑ ohne das Eingreifen des Beklagten ‑ grundbücherlicher Eigentümer der Miteigentumsanteile und des damit verbundenen Wohnungseigentums (geworden) wäre.

II.6.  Der hier festgestellte Sachverhalt erfüllt daher die Tatbestandsvoraussetzungen für die ansonsten in der Judikatur bejahte Naturalrestitution durch Herausgabe der Liegenschaft an den Erstkäufer nicht.

II.7.  Auf die Frage der Berücksichtigung des Mitverschuldens des Käufers, zu der es bislang lediglich ansatzweise Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl 8 Ob 715/89, 6 Ob 169/07g) und Literatur ( Schilcher/Holzer , Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl 1974, 445 [513] sowie Pletzer , Doppelveräußerung und Forderungseingriff, 251 f) gibt, muss daher auch hier nicht abschließend Stellung genommen werden.

II.8.  Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass zumindest nach Schilcher/Holzer aaO (513), eine bereits erfüllte Obligation, also im Fall, dass der Kaufpreis für die Liegenschaft bereits bezahlt wurde, den Eingreifer stärker belastet als eine nicht erfüllte. Noch schwächer wirkt demnach die Unentgeltlichkeit. Dem ist auch der Oberste Gerichtshof bereits gefolgt und hat ausgesprochen, dass der unentgeltliche Erwerber weniger schützenswert ist als der entgeltliche (8 Ob 715/89, 2 Ob 81/14x). Auf die Frage, ob diese Abwägung der Schutzwürdigkeit auch im Falle eines jahrelang nicht bezahlten Kaufpreises, also bei nicht erfüllter Obligation, zu gelten hätte, muss hier aber ebenfalls nicht mehr eingegangen werden.

II.9.  Aus all diesen Überlegungen waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.

III.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Beim Kostenzuspruch an die beklagte Partei war zu berücksichtigen, dass entsprechend der Einwendung der klagenden Partei die gesonderte Vollmachtbekanntgabe vom 9. 7. 2012 und der Antrag vom 17. 2. 2014 (der Strafakt war bereits beigeschafft) nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, wohingegen im Bezug auf die Streitverkündung vom 10. 9. 2012 und den Schriftsatz vom 20. 11. 2012 die Notwendigkeit gemeinsamer Einbringung nicht anzunehmen ist. Im Revisionsverfahren war ein Streitgenossenzuschlag für die Pauschalgebühr von 10 % zu berücksichtigen. Der Kostenzuspruch an den Nebenintervenienten auf Beklagtenseite war entsprechend den Einwendungen um den dem selbstständigen Zwischenstreit (RIS‑Justiz RS0035436) über die Zulassung als Nebenintervenient zuzurechnenden Schriftsatz vom 8. 2. 2013 zu berichtigen.

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