Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.069,75 (darin S 240 Barauslagen und S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger forderte von der Beklagten einen Betrag von S 44.751,32 s.A. mit der Begründung, er habe diesen Betrag an Anwaltskosten aufwenden müssen, damit die Beklagte die seinerzeit von ihr in Bestand genommene Tankstelle ordnungsgemäß räume und dem Kläger übergebe. Ohne Intervention eines Rechtsanwaltes wäre die Beklagte nicht bereit gewesen, das Bestandobjekt ordnungsgemäß zu übergeben. Der einschreitende Vertreter des Klägers Dr.Herbert Duma habe Kostennote über den obgenannten Betrag gelegt, welchen der Kläger bezahlt habe. Er mache nunmehr diesen Betrag aus dem Titel des Schadenersatzes gegen die Beklagte geltend.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete ein, daß das Einschreiten eines Rechtsanwaltes gar nicht notwendig gewesen wäre. Die Beklagte hätte von sich aus das Bestandobjekt ordnungsgemäß übergeben. Die Beklagte habe sich verpflichtet, am 31.5.1980 das Bestandobjekt zu räumen, doch habe dieser Räumungstermin wegen Abwesenheit des Klägers auf den 10.6.1980 verschoben werden müssen. Im übrigen sei der Klagsbetrag überhöht.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 42.139,90 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 2.591,42 sowie ein Zinsenmehrbegehren von 8 % ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Der Kläger ist gemeinsam mit Josefine C Eigentümer der Liegenschaft Groß Enzersdorferstraße/Baranygasse, auf welcher sich eine Tankstelle befindet. Die Beklagte war durch 24 Jahre hindurch von 1956 bis 1980 Pächterin der vom Kläger und seiner Großmutter Josefine C errichteten Tankstelle. Mit Räumungsvergleich zu 4 C 2112/79 des Bezirksgerichtes Floridsdorf verpflichtete sich die Beklagte, die Tankstelle per 31.5.1980 dem Kläger und Josefine C geräumt zu übergeben. Das Objekt mußte in betriebs- und konsensbereitem Zustand übergeben werden. Unter konsensbereit ist zu verstehen, daß die Tankstelle sich in so einem Zustand befinden mußte, daß die Gewerbebehörde ihre Zustimmung zum Betrieb der Tankstelle geben kann. An Stelle des 31.5.1980 wurde zwischen den Streitteilen der 4.6.1980 als Übergabstermin vereinbart. Der Grund lag nicht daran, daß der Kläger keine Zeit hatte. Er wäre zum im Vergleich festgelegten Termin zur Übernahme bereit gewesen. Beim Termin am 4.6.1980 waren der Kläger, Ing.D, der Subpächter sowie ein Herr der Firma E, welche der Nachfolger der Beklagten ist, anwesend. Nicht anwesend waren damals Dr.F und Ing.G.
Die Fa E weigerte sich als Nachfolgerin der Beklagten, die Tankstelle zu übernehmen. Es wurden zahlreiche im Ersturteil auf Aktenseite 65 und 66 näher beschriebene Mängel am Bestandobjekt beanstandet und deren Behebung von der Beklagten verlangt. Die Beklagte erklärte sich dem Kläger gegenüber bereit, die Schlaglöcher in der Fahrbahn zu reparieren, die anderen Mängel aber nicht. Der Kläger selbst konnte bei der Beklagten nichts erreichen; er übernahm das Bestandobjekt im damaligen Zustand nicht. Noch am selben Tag besichtigte der Zeuge Dr.F mit dem Kläger das Objekt und stellte die genannten Mängel fest. Er setzte sich mit der Beklagten in Verbindung und vereinbarte als neuen Termin den 10.6.1980. Am 10.6.1980 erfolgte abermals eine Besichtigung durch den Kläger, Ing.D, Ing.G, Dr.H, dem damaligen Konzipienten
des Rechtsanwalts Dr.F und einem Vertreter der Fa E. Die am 4.6.1980 festgestellten Mängel waren am 10.6.10980 noch nicht behoben. Dr.F hielt mit Schreiben vom 11.6.1980, Beilage ./I fest, was am 10.6.1980 mündlich gerügt wurde. Der Beklagten wurde zur Behebung der Mängel eine Frist bis zum 16.6.1980 gesetzt. Doch auch zu diesem Termin waren nur einige Mängel behoben. Dr.F wies darauf schriftlich hin und urgierte die Behebung. In der Zwischenzeit war die Fa E, welche mit 1.6.1980 die Tankstelle in Betrieb hätte nehmen wollen, ungehalten und drohte ihrerseits dem Kläger mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen. Um die Fa E zu beruhigen, waren verschiedene Telefonate und Schreiben notwendig.
Schließlich hatte die Beklagte bis Ende Juni alle Mängel behoben und es konnte für den 2.7.1980 die Übergabe vereinbart werden. Tatsächlich konnte die Übergabe auch zu diesem Termin erfolgen. Es wurde ein übernahmeprotokoll von beiden Seiten unterfertigt. Mit Schreiben vom 10.7.1980 machte der Kläger durch Dr.F Schadenersatzansprüche in der Höhe von S 19.000,-- für entgangene Miete und einen Kompressor geltend, außerdem begehrte er die Kosten für die Tätigkeit Dris.F. Dem Schreiben war die Kostennote angeschlossen, in welcher die vom Erstgericht auf Aktenseite 67 und 68 näher bezeichneten anwaltlichen Leistungen verzeichnet waren. Die Beklagte erklärte sich bereit, den Betrag von S 19.000,--, nicht aber die Kosten zu bezahlen. Die vom Zeugen Dr.F verzeichneten Kosten wurden vom Kläger bezahlt. Außer den Briefen an die ARAG-Versicherung und das Telefonat mit derselben waren die verzeichneten Tätigkeiten und Kosten, auch die Schreiben und Telefonate mit der Fa E - notwendig, damit das Bestandobjekt in ordentlichem Zustand dem Kläger übergeben wurde. Die notwendigen Kosten betrugen S 42.139,50.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß die Beklagten aus dem Grunde des Schadenersatzes im Ausmaß des zugesprochenen Betrages hafte, den der Kläger für das Einschreiten eines Rechtsanwalts habe aufwenden müssen. Aus dem Verschulden der Beklagten sei die Tätigkeit eines Rechtsbeistandes notwendig geworden, weil ohne diese die Beklagte das Bestandobjekt nicht mängelfrei übergeben hätte.
Infolge Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung ab und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungssgericht führte aus, infolge der festgestellten Mängel habe der Kläger das Bestandobjekt nicht übernommen; erst nach deren Beseitigung sei am 26.6.1980 die Übergabe bzw Übernahme erfolgt, worüber am 2.7.1980 das Übernahmeprotokoll Beil./X errichtet worden sei. Die gegenständliche Klage sei am 8.Juni 1983 bei Gericht eingebracht worden. Die Rückstellungsverpflichtung beinhalte die Räumung und Übergabe des Bestandobjektes, wobei jedoch für die Übergabe der Zustand des Bestandobjektes bedeutungslos sei. Der Ersatzanspruch des Bestandgebers nach § 1111 ABGB auf Wiederherstellung des früheren Zustandes des Bestandstückes sei grundsätzlich und in erster Linie ein Anspruch auf Naturalrestitution und müsse längstens binnen eines Jahres nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich gefordert werden, ansonsten das Recht erloschen sei. Bei der Frist des § 1111 ABGB handle es sich um eine Präklusivfrist und nicht um eine Verjährungsfrist. Die Rückstellung des Bestandobjektes sei am 26.6.1980 erfolgt, die Klage sei am 8.6.1983 somit lange nach Ablauf der Jahresfrist des § 1111 ABGB eingebracht worden. Demnach sei der Anspruch des Klägers auf Wiederherstellung jenes Zustandes, in dem er das Bestandobjekt der Beklagten übergeben habe, erloschen. Nach Rückstellung der Bestandsache könne stets Geldersatz wegen Untunlichkeit der Naturalrestitution begehrt werden, für den die Fallfrist ebenso gelte. Der Kläger begehre den Ersatz jenes Aufwandes, den er zur Abwendung eines Schadens gemacht habe, dessen Ersatz er binnen Jahresfrist hätte geltend machen müssen. Damit sei die Akzessorietät dieses Aufwandes offensichtlich. Würde man diesen Ersatzanspruch anders als den eigentlichen Schadenersatz behandeln, liefe dies dem Zweck der Bestimmung des § 1111 ABGB zuwider und gäbe dem Vermieter die Möglichkeit, die Beweislast des Mieters für das Nichtvorliegen eines Verschuldens durch Zuwarten mit der Klageführung ungebührlich zu erschweren. Bediene sich daher der Vermieter eines Rechtsanwalts, um die Herstellung des bedungenen Gebrauchs durch den Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zu erwirken, so könnten die Kosten des Rechtsanwalts kein anderes Schicksal haben, als die Naturalrestitution selbst. Es unterliege daher auch die Geltendmachung dieser Kosten der Frist des § 1111 ABGB. Diese Frist habe der Kläger aber - wie ausgeführt - versäumt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf "Aufhebung" (richtig wohl: Abänderung) im Sinne der Wiederherstllung des Urteiles des Erstgerichtes.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zu der Rechtsfrage, ob es sich
bei der im § 1111 ABGB normierten Jahresfrist um eine
Verjährungs- oder um eine Präklusivfrist handelt, eine bis in die
jüngere Zeit reichende uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofes vorliegt (siehe dazu die Darstellung der Judikatur bei
Würth in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1111, und SZ 56/103 = JBl 1984,489
in EvBl 1984/2 = MietSlg Bd 35/2. Teil/17) sie ist aber sachlich
nicht berechtigt.
Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, mangels ordnungsgemäßer Ausführung der Rechtsrüge in der Berufung der Beklagten hätte das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes nicht überprüfen dürfen, sondern die Berufung verwerfen müssen. Die Frist des § 1111 ABGB sei entgegen der Auffassung der Berufung nicht eine Präklusiv-, sondern eine Verjährungsfrist, auf die mangels Erhebung einer Verjährungseinrede im Verfahren erster Instanz nicht Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Schließlich sei der geltend gemachte Anspruch nicht unter § 1111 ABGB zu subsumieren, es seien darauf die allgemeinen Regeln des Schadenersatzes und damit auch die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB anzuwenden.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung der Revision entbehrt die Rechtsrüge der Berufung nicht der gesetzmäßigen Ausführung, sodaß das Berufungsgericht zur Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes in jeder Richtung berechtigt und verpflichtet war.
Nach Lehre und Rechtsprechung (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1451; SZ 30/34 ua.; zuletzt 8 Ob 555/85) ist der Grundsatz, daß Fallfristen von Amts wegen wahrzunehmen sind, nicht dahin zu verstehen,daß auch ihre tatsächlichen Voraussetzungen von Amts wegen zu untersuchen wären. Er besagt nur, daß es nicht der formellen Erhebung einer diesbezüglichen Einwendung bedarf; die tatsächlichen Voraussetzungen müssen aber bereits im Verfahren erster Instanz behauptet und bewiesen werden. Dies ist im vorliegenden Fall durch die Feststellung der Zeitpunkte der Rückstellung des Bestandobjektes und der Klagseinbringung geschehen. Obgleich weder im Verfahren erster Instanz, noch im Berufungsverfahren auf den Ablauf der Frist des § 1111 ABGB hingewiesen wurde, war das Berufungsgericht im Rahmen seiner Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes somit berechtigt, diesen rechtlichen Gesichtspunkt aufzugreifen.
In der Sache selbst tritt der erkennende Senat aus den in der in SZ 56/103 = EvBl 1984/2 = JBl 1984, 489 = MietSlg Bd 35/2.Teil/17 veröffentlichten Entscheidung des 6.Senates des Obersten Gerichtshofes ersichtlichen Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, der dort vertretenen Rechtsansicht bei, daß es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um eine Präklusivfrist und nicht um eine Verjährungsfrist handelt. Diese Auslegung entspricht im Sinne des § 6 ABGB sowohl dem Wortlaut des Gesetzes (... "sonst ist das Recht erloschen") als auch der klaren Absicht des Gesetzgebers, Forderungen aus der Beschädigung von Bestandgegenständen einer raschen Klärung zuzuführen und sie nicht nur im Rahmen der im § 1489 ABGB normierten allgemeinen Verjährung von Schadenersatzansprüchen zeitlich zu beschränken. Dem Argument Würths in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1111, der Gesetzeswortlaut spreche zwar für die Annahme einer Präklusivfrist, die Rechtsähnlichkeit zu § 1489 ABGB aber für die Annahme einer Verjährungsfrist, ist zu entgegnen,daß der Gesetzgeber - aus systematischen Gründen - wohl kaum eine solche allgemeine Verjährungsbestimmung geschaffen hätte, wenn er die Verjährung besonders gearteter Schadenersatzansprüche, wie etwa solcher aus der Beschädigung eines Bestandgegenstandes durch den Mieter, anders hätte regeln wollen. Die im § 1489 ABGB normierten Fristen sind nicht nur wesentlich länger als die Frist des § 1111 ABGB, sondern im Gegensatz zu dieser ausdrücklich als Verjährungsfrist bezeichnet. Diese Überlegungen ergeben, daß auch aus einem Vergleich der Bestimmungen des § 1489 ABGB und des § 1111 ABGB nichts für die Annahme der Normierung einer Verjährungsfrist durch die letztgenannte Gesetzesstelle abgeleitet werden kann (so auch zuletzt 8 Ob 555/85).
Schließlich kann der Revision auch darin nicht gefolgt werden, daß der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht unter die Bestimmungen des § 1111 ABGB zu subsumieren sei, sondern die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gelte. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der Anspruch des Bestandgebers auf Wiederherstellung des früheren Zustandes der Bestandsache grundsätzlich ein Naturalersatzanspruch (§ 1323 ABGB). Geldersatz kann aber dann verlangt werden, wenn der Bestandnehmer sich zur Leistung von Naturalersatz nicht bereit erklärt, sondern die Schadenersatzforderung dem Grunde nach bestreitet (MietSlg 19.136, 7.074 ua). Der Geschädigte hat Anspruch darauf, daß ihm der notwendige und zweckmäßig gemachte Aufwand ersetzt wird (vgl MietSlg 33.182, 25.175 ua).
Der Kläger forderte im vorliegenden Fall den Ersatz jener Kosten, die er durch Beiziehung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der Verpflichtung des Bestandnehmers, das Bestandobjekt nach Beendigung des Bestandvertrages in dem Zustand, in welcher er es übernommen hat, zurückzustellen (§ 1109 ABGB), aufwenden mußte. Daß diese Kosten das rechtliche Schicksal des aus § 1111 ABGB abzuleitenden Schadenersatzanspruches des Bestandgebers, den die Beklagten im übrigen schon ersetzt haben, teilen, und damit auch auf diesen Ersatzanspruch die Ausschlußfrist des § 1111 anzuwenden ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannt. Da die genannte Frist im Zeitpunkt der Klagseinbringung längst verstrichen war, hat das Berufungsgericht zutreffend das Klagebegehren abgewiesen. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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