OGH 2Ob61/09y

OGH2Ob61/09y18.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Marina D*****, 2. mj Thomas D*****, 3. mj. Michael D*****, alle vertreten durch Forcher-Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Markus J*****, 2. H***** GmbH, *****, 3. D***** Versicherungs-AG, *****, sämtliche vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, 4. Ö*****Gesellschaft m.b.H. & Co. KG., und 5. Ö*****Gesellschaft m.b.H., *****, beide vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, wegen (restlich) Feststellung, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2008, GZ 2 R 242/08t-66, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 13. August 2008, GZ 57 Cg 78/06s-55, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 514,86 EUR (darin enthalten 85,81 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung der viert- und fünftbeklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Am 5. 9. 2005 wurde der Ehemann der Erstklägerin und Vater des Zweit- und des Drittklägers als Fahrgast der Seilbahn der Viertbeklagten (deren Komplementärin die Fünftbeklagte ist) getötet, als bei einem über die Seilbahntrasse geführten Hubschraubertransportflug der Zweitbeklagten infolge einer Fehlfunktion der Auslösevorrichtung eine transportierte Außenlast samt Lastengehänge aus großer Höhe auf den Förderstrang der Liftanlage fiel. Eine Gondel stürzte samt Insassen aus ca 10 m Höhe zu Boden. Der Erstbeklagte war der Pilot des bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Hubschraubers.

Die Drittbeklagte anerkannte ihre Haftung bis zu den Haftungshöchstbeträgen nach dem Luftfahrtgesetz (LFG).

Die Kläger begehren ua die Feststellung der Haftung des Erstbeklagten für alle künftigen Schäden aus den beim gegenständlichen Seilbahnunglück erlittenen Verletzungen.

Das Erstgericht gab diesem Teil des Klagebegehrens statt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Erstbeklagten nicht Folge. Aufgrund der (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten sei davon auszugehen, dass er durch vorschriftswidriges Überfliegen einer im Betrieb befindlichen Seilbahn das Delikt der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB begangen habe. Das Verschulden des Erstbeklagten sei wegen der Bindungswirkung des gegen ihn ergangenen Strafurteils im vorliegenden Verfahren nicht nochmals zu prüfen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil trotz einhelliger oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Bindungswirkung strafgerichtlicher Verurteilungen (1 Ob 612/95) nicht auszuschließen sei, dass sich die Bindungswirkung nur auf den im Tenor des Strafurteils umschriebenen Sachverhalt und nicht auch auf die darin enthaltene rechtliche Subsumtion beziehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Erstbeklagten releviert weiters, es fehle an Rechtsprechung, ob die mangelnde Bestimmtheit einer Verordnungsbestimmung (hier § 16 AOCV), auf die eine strafgerichtliche Verurteilung aufbaue, zum Wegfall der Bindung der Zivilgerichte an die strafgerichtliche Verurteilung führe. Weiters fehle Rechtsprechung dazu, ob die zu § 28 KHVG ergangene Rechtsprechung über die fehlende Bindung an ein strafgerichtliches Urteil für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung im Luftfahrthaftpflichtversicherungsrecht analog anzuwenden sei.

Die Revision des Erstbeklagten ist unzulässig.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (8 Ob 23/08b mwN). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde.

Dieser Fall liegt hier vor: In der jüngst - ebenfalls zum Seilbahnunglück in Sölden gegen dieselben Beklagten - ergangenen Entscheidung 2 Ob 119/09b ist der Senat zur Auffassung gelangt, dass auch im Bereich der Luftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bei Drittschadensfällen in analoger Anwendung der zu § 28 KHVG ergangenen Rechtsprechung keine Bindungswirkung des Strafurteils gegen den mitversicherten Piloten unabhängig davon besteht, wen der Geschädigte klageweise in Anspruch nimmt und wann dies geschieht; es sei denn, es kann ausgeschlossen werden, dass es noch zu einem weiteren, das Klagebegehren abweisenden Urteil zugunsten des Versicherers kommen kann. Weiters wurde - unabhängig von der strafgerichtlichen Verurteilung - das Verschulden des Piloten (hier wie dort der Erstbeklagte) an der Tötung des (ebenfalls in der abgestürzten Gondel beförderten) Vaters des dortigen Klägers im Licht von § 16 AOCV geprüft und bejaht.

Der Ehemann der Erstklägerin und Vater des Zweit- und Drittklägers wurde durch dieselbe Handlung des Erstbeklagten, die auch schon in 2 Ob 119/09b geprüft wurde (Überfliegen der Seilbahn), getötet, weshalb zum Verschulden des Erstbeklagten auf die genannte Vorentscheidung verwiesen werden kann.

Sämtliche vom Berufungsgericht und vom Revisionswerber aufgezeigten Rechtsfragen sind somit durch die Entscheidung 2 Ob 119/09b bereits beantwortet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht (im Ergebnis) mit dieser Rechtsprechung im Einklang, weshalb Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht (mehr) vorliegen und die Revision zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der Viert- und Fünftbeklagten war als unzulässig zurückzuweisen, weil diese nicht Revisionsgegner des Erstbeklagten sind.

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