OGH 2Ob580/84

OGH2Ob580/843.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irene F*****, vertreten durch Dr. Alfred Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Heinz Paradeiser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. Februar 1984, GZ 32 R 419/83-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 10. August 1983, GZ 18 C 1525/82-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Beklagten die mit 2.603,68 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 240 S Barauslagen und 214,88 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 13. 7. 1926 erteilte die Beklagte der Mutter der Klägerin die Erlaubnis, auf einer im Eigentum der Beklagten befindlichen Grundfläche einen Verkaufspavillon zu errichten. Die Genehmigung erfolgte als Provisorium für die Dauer von fünf Jahren gegen Zahlung einer „Pachtgebühr“. Der Pavillon durfte nicht an dritte Personen verkauft oder verpachtet werden. Nach erfolgter Kündigung durch die Beklagte war die Grundfläche auf Kosten der „Pächterin“ wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Nach Ablauf von fünf Jahren war der Pavillon der Beklagten zum Kauf anzubieten und im Fall des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung zu entfernen. Die Mutter der Klägerin ließ noch im Jahre 1926 mit eigenen finanziellen Mitteln das Bauwerk in fester Bauweise aus Ziegelsteinen errichten. Die Innenfläche des Bauwerks beträgt etwa 23 bis 24 m2. Bei der Errichtung bestand nicht die Absicht, das Bauwerk dauernd auf dem Grundstück zu belassen. Das ursprünglich auf fünf Jahre befristete Vertragsverhältnis wurde in der Folge jeweils verlängert. Die Klägerin übernahm von ihrer Mutter den Pavillon und die dort betriebene Tabak-Trafik. Im Jahr 1973 ersuchte die Klägerin neuerlich um die Verlängerung des Vertragsverhältnisses, und zwar bis 1980 und begründete dies damit, der Tabak-Trafik-Kiosk stelle ihre Haupteinnahmsquelle dar, sie könne erst mit ihrem 60. Lebensjahr eine Selbständigenpension beziehen. Während Vertragsverlängerungen früher anstandslos bewilligt worden waren, gab es diesmal Schwierigkeiten. Zermürbt von den Verhandlungen stimmte die Klägerin schließlich einer endgültigen Befristung des Vertragsverhältnisses bis 31. 12. 1980 und einer unentgeltlichen Überlassung des Kiosks an die Beklagte mit diesem Zeitpunkt zu. Das Entgelt für die Benützung der Grundfläche betrug ab 1976 jährlich 2.000 S samt 8 % Umsatzsteuer. Mit Kaufvertrag vom 29. 6. 1979 verkaufte die Klägerin den Kiosk samt Inventar, Warenlager und Zubehör und trat dem Käufer die ihr gegen die Beklagte als Vermieterin zustehenden Gläubigerrechte des Mieters ab. Eine Zustimmung der Beklagten zur Veräußerung wurde nicht eingeholt.

In ihrer am 12. 6. 1981 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen sie den für den Bestand des Trafik-Kiosk benötigten Grund benütze, ein den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegender Mietvertrag sei. In der Verhandlungstagsatzung vom 30. 8. 1982 führte sie aus, der Kiosk sei Bestandteil der Grundfläche und damit Eigentum der Beklagten geworden, er sollte nach dem Willen beider Parteien auf der Grundfläche verbleiben. Die Klägerin änderte ihr Begehren dahin ab, dass das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen sie den Kiosk benütze, ein den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliegender Mietvertrag sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Grundfläche sei prekaristisch zur Verfügung gestellt worden; der Kiosk stelle ein Superädifikat dar.

Das Erstgericht sprach aus, dass das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Klägerin den für den Bestand des Trafik-Kiosks benötigten Grund benütze, ein der kündigungsrechtlichen Übergangsregelung des § 49 Abs 1 erster Satz MRG unterliegender Mietvertrag sei, also auf dieses Rechtsverhältnis bis zum 31. 12. 1986 die §§ 19 bis 23 MG anzuwenden seien. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Erstgericht gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, bei dem Kiosk handle es sich um ein Superädifikat, das Rechtsverhältnis der Grundbenützung sei wegen der von der Klägerin zu leistenden Zahlungen als Mietvertrag zu beurteilen. Im Geltungsbereich des Mietengesetzes sei die Miete von Grundstücken dann der Geschäftsraummiete gleichzuhalten, wenn sie geschäftlichen Zwecken diene, unter anderem auch, um darauf ein Gebäude zu errichten, in welchem die geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werde. Nach dem MRG sei die Miete von Grundstücken zu geschäftlichen Zwecken nicht mehr als Geschäftsraummiete zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz billigte die - von der Klägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich nicht mehr bestrittene - Ansicht des Erstgerichts, beim Kiosk handle es sich um ein Superädifikat. Die Ansicht der Klägerin, der zu § 1 Abs 1 MG entwickelte Grundsatz, dass eine Grundstücksmiete dann der Geschäftsraummiete gleichzustellen sei, wenn der Bestandnehmer auf dem in Bestand genommenen Grundstück selbst mit Zustimmung des Bestandgebers eine Geschäftszwecken dienende Baulichkeit errichte, habe auch für die Bestimmung des § 1 Abs 1 MRG weiterhin Gültigkeit, werde nicht geteilt. Entgegen der früheren Rechtslage fielen Grundstücke, die zu geschäftlichen Zwecken gemietet würden nicht mehr unter Mietenschutz. Die Anwendung des MRG bei Grundstücken, die gemietet werden, um darauf Geschäftszwecken dienende Räumlichkeiten zu errichten, könnte nur mehr im Wege der Analogie zulässig sein. Da der Gesetzgeber ausdrücklich auf Raummiete abstelle und die Miete von unbebauten Grundstücken ausnehme, liege aber keine Gesetzeslücke vor, weshalb sich die Anwendung der Analogie verbiete.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt in ihrer Revision die Ansicht, der Umstand, dass das MRG in der demonstrativen Aufzählung der Geschäftsräumlichkeiten Lagerplätze nicht mehr nenne und die Regierungsvorlage als zentrales Anliegen des Gesetzesvorhabens die Raummiete betonte und die selbständig gemieteten Lagerplätze bzw die Miete von ähnlichen Geschäftszwecken dienenden Grundstücken vom Anwendungsbereich ausgenommen wissen wolle, bedeute nicht, dass die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs Geschäftsräumlichkeiten nicht mehr anwendbar seien. Von der Miete einer Grundfläche als Lagerplatz bzw für ähnliche Zwecke unterscheide sich der Zweck des gegenständlichen Mietverhältnisses entscheidend, der Zweck sei und bleibe die Benutzung von Geschäftsräumlichkeiten, nämlich eines Gebäudes, in dem sich Geschäftsräume befänden. Nach der neuen Regelung unterliege ein als Hauptsache gemieteter Lagerplatz nicht mehr den Kündigungsbeschränkungen, die Überlassung der Grundfläche zum Zweck der Errichtung und Benützung von Geschäftsräumlichkeiten genieße aber weiterhin Kündigungsschutz.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Das MRG umfasst aufgrund des Wortlauts seines § 1 Abs 1 nur mehr die Raummiete (EvBl 1983/130; vgl auch Bydlinski, Das Recht der Superädifikate 46). Einen Raum hat die Klägerin aber nicht gemietet, sondern lediglich eine Grundfläche, weshalb bei wörtlicher Auslegung iSd § 6 ABGB auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis nicht das Mietrechtsgesetz angewendet werden kann. Analogie ist aber nur zur Ausfüllung einer („echten“) Gesetzeslücke zulässig (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 7). Vom Vorliegen einer („echten“) Gesetzeslücke kann hier aber keine Rede sein; das MRG betrifft nur die Raummiete; die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Miete unbebauter Grundstücke wird daher durch dieses Gesetz nicht eingeschränkt.

Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass zur Zeit der Geltung des MG dessen Schutzbestimmungen auch angewendet wurden, wenn ein Grundstück gemietet wurde, um im Einverständnis mit dem Vermieter ein Wohnzwecken dienendes festgemauertes Haus zu errichten (MietSlg 34.372 mwN). Bydlinski meint, dass sich daran durch das neue Mietrecht nichts geändert haben dürfte (Das Recht der Superädifikate 47). Auch Würth-Zingher (MSA 20a Anm 2 zu § 1 MRG) verweisen auf diese Rechtsprechung und vertreten die Ansicht, ähnliches könnte nunmehr auch für die Vermietung zur Errichtung von Fabrikshallen udgl gelten, wenn diese dann wirtschaftlich die Hauptsache darstellten. Die Frage, ob eine derartige Auslegung aufgrund der dem Gesetz zugrundeliegenden Wertung bzw Zwecksetzung („unechte“ Gesetzeslücke - vgl Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 7) geboten ist, braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht erörtert zu werden. Dies deshalb, weil es sich bei dem Kiosk nach der Vereinbarung um ein Provisorium handeln sollte und feststeht, dass bei Errichtung des Gebäudes nicht die Absicht bestand, es dauernd auf dem Grund zu belassen. Wie sich aus MietSlg 34.372 und den dort angeführten Entscheidungen ergibt, forderte die Rechtsprechung für die Anwendung des MG auf die Miete eines Grundstücks zur Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Hauses, die Absicht dauernden Wohnens. Im Gegensatz zu MietSlg 27.246 wurde in MietSlg 34.372 zwar ausgeführt, die Annahme des Fehlens der Absicht dauernden Wohnens bloß aufgrund der Vertragsbestimmungen sei nicht gerechtfertigt, der Vermieter müsste eine andere Absicht als die der Beschaffung dauernden Wohnraums bei der Bestandnahme der vermieteten Grundfläche behaupten und beweisen. Da es sich im vorliegenden Fall nicht nur nach dem Wortlaut des schriftlichen Vertrags um ein Provisorium handeln sollte, sondern auch die Absicht der Vertragsparteien dahinging, das Bauwerk nicht dauernd auf dem Grund zu belassen, muss davon ausgegangen werden, dass der Zweck des Vertragsabschlusses nicht die Beschaffung eines Raums zu dauernder geschäftlicher Tätigkeit war. Ebenso wie die Rechtsprechung das Mietengesetz dann nicht auf Mietverträge über Grundstücke zum Zweck der Beschaffung von Wohnraum anwendete, wenn dadurch nicht das Wohnbedürfnis dauernd befriedigt werden sollte, kommt eine Anwendung des MRG auf die Miete von Grundstücken zur Errichtung eines Geschäftsraums jedenfalls dann nicht in Frage, wenn die Errichtung des Raums nicht zum Zweck dauernder geschäftlicher Tätigkeit erfolgte. Da es sich im vorliegenden Fall um ein Provisorium handeln sollte, ist eine Anwendung der Schutzbestimmungen des MRG auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis nicht möglich, weshalb das Klagebegehren, soweit es vom Erstgericht abgewiesen wurde, nicht berechtigt ist.

Aus diesen Gründen musste der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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