OGH 2Ob563/88

OGH2Ob563/8825.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin (und Antragsgegnerin) R*** Ö*** (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wider die Antragsgegner (und Antragsteller) 1. Aloisia P***, Geschäftsfrau, 2324 Zwölfaxing, Schwechaterstraße 102, 2. Karl P***, Kaufmann, wohnhaft wie 1.), beide vertreten durch Dr. Josef Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, ferner als verfahrensbeteiligte Partei Dkfm. Ernst A***, Kaufmann, 2320 Schwechat, Wienerstraße 16, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung nach dem Bundesstraßengesetz, infolge Revisionsrekurses der R*** Ö*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 10.März 1988, GZ 44 R 6/88-116, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat vom 31.Dezember 1986, GZ 2 Nc 121/81-104, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 28.8.1980, Zahl 11/2-1-2/30, wurden zum Zweck des Ausbaus der Bundesstraße 10, Budapesterstraße, im Baulos "Ortsdurchfahrt Schwechat" die Teilfläche des Grundstückes Nr.72, Baufläche, inneliegend in EZ 95, KG Schwechat, samt dem darauf befindlichen Objekt 2320 Schwechat, Wienerstraße 16, aus dem Alleineigentum der zwischenzeitig am 7.9.1981 verstorbenen Barbara B***, rechtskräftig eingeantwortet nunmehr den Antragsgegnern (bzw. gleichzeitig Antragstellern) Karl und Aloisia P***, dauernd und lastenfrei zugunsten der R*** Ö*** enteignet. Auf dem enteigneten Grundstück befanden sich ein teilweise unterkellertes, zweigeschoßiges Wohn- und Geschäftshaus an der Wienerstraße, ein nicht unterkellertes, eingeschoßiges Wohngebäude an der rechten Grundstücksgrenze, zwischen dem Wohn- und Geschäftshaus im Hoftrakt an der rechten Grundstücksgrenze ein nicht unterkellerter Objektteil mit zwei Sitzaborten und ein nicht unterkellerter Objektteil mit den drei Brennstofflagern, an der rückwärtigen und der linken Grundstücksgrenze nicht unterkellerte eingeschoßige Holzbauten für Waschküche und Abstellschuppen und an der linken Grundstücksgrenze ein Kleintierstall und ein Taubenschlag. Im Wohn- und Geschäftstrakt befanden sich im Erdgeschoß zwei Geschäftslokale, nämlich ein von der W*** A*** Versicherungs AG benütztes Gassenlokal im Ausmaß von 45,46 m2 und ein Lederwarengeschäft von Dkfm. A***, bestehend aus Gassenlokal, Magazin, Werkstätten- und Nebenräumen mit zusammen 102,56 m2. Im ersten Stock befanden sich zwei zusammengelegte Wohnungen im Gesamtausmaß von 190 m2, die von der vormaligen verstorbenen Liegenschaftseigentümerin Barbara B*** benützt worden sind.

Das oben bezeichnete und beschriebene Gebäude wies im Enteignungszeitpunkt umfangreiche Mauerdurchfeuchtungen auf; die Geschäftslokale waren in gutem Zustand, die Wohnung im 1.Stock jedoch abgewohnt und weitgehend sanierungsbedürftig. Im Enteignungszeitpunkt waren im Wohnungs- und Geschäftstrakt umfangreiche Reparaturen an Fassaden, Fenstern, Dach, Stiegenhaus und Installationen erforderlich, die einen Gesamtbetrag von rund S 1,700.000,-- erforderlich gemacht hätten.

Das Erstgericht setzte die Enteignungsentschädigung für die oben genannte Teilfläche samt Objekt mit S 2,629.070,-- fest, wobei in dieser Entschädigungssumme die Entschädigungsbeträge für die Mieter W*** A*** Versicherungs AG in der Höhe von S 328.415,-- und für Dkfm. Ernst A*** mit S 1,257.485,-- enthalten sind. Neben der bereits wiedergegebenen Grundstücks- und Bauobjektbeschreibung hat das Erstgericht im wesentlichen noch folgende Feststellungen getroffen:

Der Verkehrswert der enteigneten Grundfläche im Ausmaß von 146 m2 betrug S 101.470,--, der Sachwert des Wohn- und Geschäftshauses S 662.100,--. Die Restfläche des Grundstückes Nr.72 erführe durch die Verbauungsvorschriften des Teilbebauungsplans Sch 160, insbesondere wegen der Festlegung der Baufluchtlinien eine Werteinbuße. Bedingt durch diese Festlegungen könnte die Restfläche nur dann wieder bebaut werden, wenn vom anschließenden, eigengehörigen Grundstück Nr.734 ein ungefähr 12 m breiter Streifen abgetrennt und dem Baugrundstück Nr.72 zugeschlagen würde. Die Wertminderung wurde mit S 159.600,-- angenommen. Der Liegenschaftseigentümerin wären bei Erwerb einer gleichwertigen Liegenschaft Kosten für Vermittlung, Vertragsspesen etc. in der Höhe von S 70.000,-- und Übersiedlungskosten auf eine neue Liegenschaft in der Höhe von S 50.000,-- entstanden. Hinsichtlich der Mieterin W*** A*** Versicherungs AG wären im Enteignungszeitpunkt für die Anmietung eines neuen Lokals von Aufwendungen von S 12.000,-- und an Übersiedlungskosten S 10.000,-- entstanden. Für ein gleichwertiges Lokal wären, kapitalisiert auf acht Jahre, um insgesamt S 48.815,-- mehr an Mietzins aufzuwenden gewesen. Ein Betrag von S 150.000,-- hätte für die Adaptierung des neuen Lokals aufgewendet werden müssen, um es in einem etwa gleichartigen Verwendungszustand wie das Altlokal zu bringen. Außerdem wären für ein gleichwertiges Lokal als Geschäftsablöse S 107.600,-- zu bezahlen gewesen. Hinsichtlich des Geschäftslokals Dkfm. A*** wurde vom Erstgericht ausgeführt, daß Kosten für die Anmietung S 20.000,--, Adaptierungsspesen S 300.000,-- und Übersiedlungskosten S 35.000,-- betragen hätte. Weiters wäre ein höherer Mietzins zu bezahlen gewesen, wobei die Mietzinsdifferenz, wiederum kapitialisiert auf acht Jahre, S 523.685,-- betragn hätten. Für ein neues Geschäftslokal hätte die Ablöse S 378.800,-- betragen. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß die rechnerisch ermittelten Entschädigungssummen wertmäßig der geltenden Rechtslage entsprächen.

Infolge Rekurses der Antragstellerin R*** Ö***, der Antragsgegner Aloisia und Karl P*** sowie der verfahrensbeteiligten Partei Dkfm. Ernst A*** änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichts, der hinsichtlich der Enteignungsentschädigung für die enteignete Teilfläche des Grundstücks Nr.72, Baufläche, inneliegend in EZ 95, KG Schwechat,samt dem darauf befindlichen Objekt 2320 Schwechat, Wienerstraße 16, bis zum Betrag von S 1,603.466,60 und für die Mieterentschädigungen der W*** A*** Versicherungs AG, bis zum Betrage von S 112.483,-- sowie derjenigen des Dkfm. Ernst A*** bis zum Betrage von S 658.685,-- als unangefochten unberührt geblieben war, hinsichtlich eines Teilbetrages der Mieterentschädigung der W*** A*** Versicherungs AG von S 8.332,-- dahingehend ab, daß dieser Betrag abgewiesen wurde, hob im übrigen den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der R*** Ö*** aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, wobei nicht die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses an sich, sondern lediglich einige vom Rekursgericht dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluß überbundenen Rechtsauffassungen bekämpft und die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses mit der Maßgabe, daß dem Erstgericht die im Revisionsrekurs dargelegten Rechtsauffassungen überbunden werden, beantragt wird.

Die Antragsgegner Aloisia und Karl P*** sowie der Verfahrensbeteiligte Dkfm. Enrst A*** beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt. Soweit die Antragsgegner in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Revisionsrekurs insoweit als unzulässig erachten, als sich das Rechtsmittel gegen Aufträge des Rekursgerichts an das Erstgericht in der Begründung des Aufhebungsbeschlusses wendet, kann ihnen nicht gefolgt werden. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Anfechtung eines Aufhebungsbeschlusses des Gerichtes zweiter Instanz in Enteignungssachen, in denen nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz zu verfahren ist, zulässig (SZ 33/73; SZ 38/19 ua.), und zwar auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber, dessen Rekursantrag in der zweiten Instanz durch die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung Erfolg hatte, zwar nicht durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses, wohl aber durch von der zweiten Instanz dem Erstgericht erteilten Aufträge beschwert sein kann (SZ 48/54 ua.). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin liegt hier vor, denn sie erachtet sich nicht durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses selbst beschwert, wohl aber durch von der zweiten Instanz dem Erstgericht erteilten Aufträge.

Die R*** Ö*** führt in ihrem Revisionsrekurs aus, wäre das Rekursgericht von der zutreffenden Totalenteignung der baulichen Anlagen ausgegangen, so hätte es im Hinblick auf die ständige höchstgerichtliche Judikatur erkennen können, daß Finanzierungskosten für einen funktionsgleichen Neubau neben dem Zuspruch des Verkehrswerts des Gebäudes begrifflich nicht auflaufen könnten. Bei der Totalenteignung der Gebäude obliege es dem Gericht, dem Enteigneten den Verkehrswert der Gebäude und des bebauten Grundstücks zuzusprechen; der Neubauwert der Gebäude sei nicht zu entschädigen, weil der Enteignete lediglich durch die Entschädigungssumme in die Lage versetzt werden müsse, ein dem enteigneten Objekt in Form und Ausführung gleichartiges an anderer Stelle zu errichten, wobei auf die durch Abnützung und Alter verursachten Werteinbußen Bedacht zu nehmen sei. Die Entschädigung bilde in diesem Fall das Surrogat für das Genommene. Ob sich nun der Enteignete mit der Entschädigung (in der Höhe des Verkehrswerts der eingelösten Gebäude samt Grundfläche) ein gleichartiges Objekt kaufe oder nicht, bleibe ihm überlassen. Die Entschädigung müsse nur so hoch sein, daß der Enteignete die Möglichkeit habe, die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzobjekts, gäbe es im Zeitpunkt der Enteignung ein solches, zu tätigen. Daß aber im gegenständlichen Fall (Wohnhaus mit Geschäftslokale) eine vergleichbare Ersatzlage nur durch Neubau auf der Restliegenschaft geschaffen werden könnte, sei weder vorgebracht worden noch sei dies sonst hervorgekommen. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes bedürfe es keiner zusätzlichen Verfahrensergänzung, um zu klären, ob im Gegenstand Bauüberwachungs-, Planungs- und Finanzierungskosten auflaufen könnten, da diese nicht zu ersetzen seien.

Bezüglich dieser im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen hat das Rekursgericht ausgeführt, die R*** Ö*** habe, ausgehend vom Verkehrswert für die Entschädigungsbemessung gerügt, daß ein Betrag von S 54.728,60 den Enteigneten unrechtmäßig zugesprochen worden sei. Begründet sei dies damit worden, daß keinesfalls die subjektiven konkreten Wiederbeschaffungskosten - soweit sie nicht nachgewiesen worden sind - zu ersetzen wären, sondern nur jene, die mit dem Ankauf eines dem Enteignungsobjekt gleichwertigen zwangsläufig verbunden wären. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen, wonach der Verkehrswert der enteigneten Grundfläche S 101.470,-- und der Sachwert des Wohn- und Geschäftshauses S 662.100,-- betragen, errechne sich eine Gesamtsumme von S 763.570,--. Weiters seien vom Erstgericht an Kosten für Vermittlung, Vertragsspesen und so weiter in der Höhe von S 70.000,-- zugesprochen worden, wobei die R*** Ö*** diese Kosten im Gegenstand mit S 15.271,40 bewerte, sodaß sich daraus ein Differenzbetrag von S 54.728,60 (der bekämpfte Mehrbetrag) errechne. Unbekämpft seien in diesem Zusammenhang aus diesem Gesamtsummenpunkt S 50.000,-- an Übersiedlungskosten auf die neue Liegenschaft geblieben. Der Wert der zu enteignenden Teilflächen 9 und 9 a (146 m2 des Grundstücks Nr.72) ergebe sich aus der detaillierten Gutachtenserstattung AS 203 bis 205 in Gegenüberstellung mit den Sachverständigengutachten im Verwaltungsverfahren. Der Wert der zu enteignenden Teilfläche mit S 101.470,-- (Berechnung AS 205) sowie der Sachwert des Wohn- und Geschäftshauses mit S 662.100,-- (AS 207), ergebe den zusammenfassenden Wert von S 763.570,-- (AS 215). Die nunmehr bekämpften Kosten hinsichtlich der Wiederbeschaffung, nämlich der Differenz von S 15.271,40 auf S 70.000,-- (Differenz S 54.728,60) seien im Gutachten auf AS 223, abgehandelt. Dort würden die Kosten für Vermittlung, Vertragsspesen etc. bei Erwerb einer anderen Liegenschaft mit S 70.000,-- ohne nähere Begründung festgesetzt, ebenso die Übersiedlungskosten (unbekämpft) mit S 50.000,--. Im Gutachten des Dipl.Ing. Julius Hanns O*** werde auf Seite 21 der Übersiedlungskostenpunkt mit S 40.000,-- angenommen, hingegen der Spesenersatz für Maklergebühren, Vertragsspesen, Anwaltsspesen und dergleichen mit S 21.436,65. Sohin bestehe eine Differenz von S 6.165,25. Auch im Ergänzungssachverständigengutachten ON 98, AS 525, würden diese Divergenzen nicht aufgeklärt, sondern wiederum die Freimachungskosten, aufgeteilt wie vorher, mit S 120.000,-- angesetzt, allerdings eingeräumt, daß nach Erörterung der Rechtslage zu klären wäre, ob die Hauseigentümerin B*** (deren Rechtsnachfolger nunmehr Karl und Aloisia P*** sind) einen Anspruch auf eine noch zusätzliche Ersatzwohnung hätte. Abgesehen von dieser nicht mehr gegebenen Relevanz infolge Ablebens der vormaligen Grundstückseigentümerin, sei rechtlich gesehen eine Entschädigung für Nebenkosten des Neuerwerbs möglich. Solche Kosten, die mit dem Erwerb eines Ersatzgrundstücks verbunden sind, seien nach ständiger Rechtsprechung zu ersetzen (EvBl 1979/54; SZ 50/158). Seien solche Kosten bereits konkret angefallen, sei auf deren Höhe abzustellen, andernfalls gebühre eine grundsätzliche Pauschalentschädigung in der Höhe von 2 % des Verkehrswertes der Liegenschaft. Ausgehend von S 763.570,-- ergäben diese 2 % den von der R*** Ö*** angegebenen Betrag von S 15.271,40. Aus welchen Gründen Ersatzbeschaffungskosten in dieser Höhe nicht ausreichend sein sollten, lasse sich aus dem bisherigen Akteninhalt nicht erschließen. Im ursprünglichen Antrag ON 7 seien Nebenspesen mit S 80.000,-- angesetzt worden. Im Vorgutachten des Dipl.Ing. Herbert H*** (ON 24 samt Ergänzungsgutachten ON 52), sei diesen Wiederbeschaffungskosten kein Raum gewidmet worden. Erst im Auftrag an den Sachverständigen Ing. Karl P*** vom 5.9.1985 (ON 61) seien auch die Freimachungskosten des Hauses durch den Hauseigentümer selbst angesprochen worden. Hinsichtlich der dann im Gutachten festgesetzten Summen seien diese in weiterer Folge dann im Rahmen der Einwendungen ON 88 (AS 48 unten und 49 oben) bemängelt worden. Unter Bezugnahme auf die Ermittlung eines Betrages von S 534.791,-- durch den Sachverständigen Dipl.Ing. ENT im Verwaltungsverfahren seien die Freimachungskosten mit S 120.000,-- als zu gering dimensioniert bezeichnet worden. Im Rahmen der Tagsatzung vor dem Erstgericht am 20.2.1986 (ON 89) sei der Schriftsatz ON 88 u.a. zum Inhalt des Sachverständigenergänzungsgutachtens ON 98 geworden. Dies habe aber nur zu den bereits erwähnten wiederholten Feststellungen AS 525 ohne nähere gutachtliche Begründung geführt. Vor der nunmehr angefochtenen Beschlußfassung seien diese Wiederbeschaffungskosten trotz divergierender Wertansätze keiner Erörterung mehr zugeführt worden, sodaß das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die Wertdivergenz zwischen der Pauschalentschädigung in der Höhe von 2 % des Verkehrswerts der Liegenschaft bzw. den Gutachtenswertansätzen zu erörtern haben werde, insbesondere aus welchen Gründen Ersatzbeschaffungskosten in der 2 %igen Pauschalentschädigungshöhe nicht ausreichend sein sollten. Zu diesem Problem werde auch im Rekurs der Antragsgegner (ON 108) ausgeführt, daß keinerlei Schadenersatz für den Verlust des Hauptwohnsitzes der (verstorbenen vormaligen) Hauseigentümerin zugebilligt worden wäre. Die hier faktisch angesprochenen Wiederbeschaffungskosten seien sowohl in einer zweimaligen Übersiedlung als auch Bauüberwachung, Planungs- und Vertragserrichtungskosten angesprochen worden. Diese entscheidenden Wertdivergenzen würden in diesem Zusammenhang im Sinne der aufgezeigten Ergänzungsbedürftigkeit abzuhandeln sein. Zum Rekurs der Antragsgegner (ON 108) habe das Rekursgericht ausgeführt, hinsichtlich der von den Rekurswerbern aufgeworfenen Fragen nach den Geldbeschaffungskosten sei noch ergänzend anzumerken, daß die Ermittlung der Finanzierungskosten für einen funktionsgleichen Neubau für die Restnutzungsdauer eines teilenteigneten Gebäudes abzüglich der durch den zeitlich vorgezogenen Neubau ersparten höheren Wartungs- und Reparaturkosten für die enteigneten Gebäude, alles bezogen und abgezinst auf den Enteignungszeitpunkt, im gegenständlichen Fall insoferne Anwendung zu finden haben werde, als begrifflich Finanzierungs- und Bauüberwachungskosten im Rahmen der Besonderheit bei der vorliegenden Teilenteignung auflaufen könnten. Sicherlich läge hinsichtlich der enteigneten obligatorisch Berechtigten, der Mieter, eine Totalenteignung vor, sodaß dieser Blickwinkel gar nicht zum Tragen käme. Dazu fehlten allerdings sowohl entsprechende Feststellungen im angefochtenen Beschluß, als auch verwertbare Hinweise aus dem bisherigen Akteninhalt, sodaß dies im Rahmen entsprechender Anleitung mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren abzuklären sein werde, insbesondere dahingehend, daß den enteigneten Mietern ein Äquivalent für das Genommene in Form der auszubezahlenden Entschädigungssummen zur Verfügung gestellt werde. Aus diesem Blickwinkel bestünde sohin kein Platz mehr für den Zuspruch von Finanzierungskosten, was allerdings noch konkret ausdrücklich festzustellen sein werde.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den zugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten kann ua. das Eigentum an Liegenschaften im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden (§ 17 BStG 1971). Dem Enteigneten gebührt für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB); bei der Bemessung der Entschädigung haben jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, welche die abzutretende Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt; hingegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Rücksicht zu nehmen (§ 18 Abs 1 BStG). Das bedeutet, daß dem Enteigneten der Verkehrswert gebührt (EvBl 1976/255 ua; Klang2 II 195; Gschnitzer, Sachenrecht 115; Ehrenzweig2 I/2, 227). Der Verkehrswert (Austauschwert) ist jener Betrag, um den die Sache im Verkehr angeschafft oder veräußert werden kann (Koziol, Österr. Haftpflichtrecht I 147), konkret jener Betrag, der für ein Grundstück gleicher Art ind Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Enteignung im örtlichen Bereich (Jesch in ÖJZ 1962, 533) von Kauflustigen geboten worden wäre. Daß sich etwa auch ein Käufer gefunden hätte, der einen über diesen Verkehrswert liegenden Preis zu zahlen bereit gewesen wäre, ist außer Betracht zu lassen (EvBl 1976/255; EvBl 1965/423 ua; Krzizek in ÖJZ 1969, 567), wogegen auf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (Jesch aaO 535) bestehende wirtschaftliche Möglichkeiten Bedacht zu nehmen ist. Zu ersetzen ist der objektive Vermögensnachteil (EvBl 1976/255 ua.; Brunner in ÖJZ 1969, 141). Entscheidend für die Höhe der Entschädigung ist die Art der Verwendungsmöglichkeit der enteigneten Sache im Zeitpunkt der Enteignung (RZ 1969, 107 ua.; Klang aaO 195).

Nach der Bestimmung des § 18 Abs 1 BStG 1971 gebührt dem Enteigneten Schadloshaltung im Sinne des § 1323 ABGB. Darunter kann, da eine Naturalrestitution hier nicht in Betracht kommt, nur - bezogen auf den Zeitpunkt der EnS nenung - die Schaffung einer wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzlage verstanden werden. Diese setzt aber voraus, daß der Enteignete in die Lage versetzt wird, ein gleichwertiges Grundstück zu erwerben. Es geht daher nicht an, die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb eines solchen Grundstücks aus der Enteignungsentschädigung auszuklammern. Soll also die Entschädigung für die aus der Enteignung hervorgegangenen Nachteile eine vollständige sein, so bedarf es auch eines Ersatzes jener Kosten, die der Enteignete - im Enteignungszeitpunkt - aufwenden muß, um ein dem enteigneten gleichwertiges Grundstück gleicher Art wieder zu erwerben (sog. Wiederbeschaffungskosten; Grünhut, Enteignungsrecht, 105; SZ 50/158, EvBl 1976/49 ua.). Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß die Enteignungsentschädigung auf den Zeitpunkt der Aufhebung des Rechtes bezogen festgesetzt werden muß, maßgebender Zeitpunkt für die Höhe der Enteignungsentschädigung also jener der Erlassung des Enteignungsbescheides erster Instanz und nicht jener der tatsächlichen Bezahlung des Entschädigungsbetrages ist (2 Ob 705/86 ua.). Sind solche Wiederbeschaffungskosten bereits konkret angefallen, ist auf deren Höhe abzustellen, andernfalls gebührt eine Pauschalentschädigung in der Höhe von 2 % des Verkehrswerts der Liegenschaft (1 Ob 574/86 ua.). Entsprechend dieser Darlegungen wird somit im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, ob die mit dem Erwerb eines Ersatzgrundstücks verbundenen Kosten eine Pauschalentschädigung in der Höhe von 2 % des Verkehrswertes der Liegenschaft übersteigen.

Was die Kosten für die Planungs- und Bauüberwachung sowie für die Finanzierung im Falle der Errichtung eines Neubaus anlangt, ist zunächst darauf zu verweisen, daß im vorliegenden Fall eine Totalenteignung der Gebäude erfolgt ist. Der Enteignete soll bei einer Totalenteignung durch die Enteignungsentschädigung zwar in die Lage versetzt werden, ein dem Enteigneten gleichwertiges Objekt, nicht aber einen Neubau zu errichten. Planungs- und Baukosten für die Herstellung eines neuen - gleich großen oder größeren - Hauses sind daher nicht zu erstatten, weil der Enteignete nur einen Ersatz für die ihm weggenommenen Werte verlangen kann und die richtig bemessene Geldentschädigung für den ihm entzogenen Grund und das ihm entzogene Gebäude den Enteigneten in abstracto in die Lage versetzen soll, ein gleich ausgestattetes Haus zu kaufen, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein solches tatsächlich erhältlich ist (vgl. Brunner, aaO 207; Gelzer, Der Umfang des Entschädigungsanspruches aus Enteignung und enteignungsgleichen Eingriffen, RdNr.238 f.; SZ 51/175; NJW 1966, 493 mit Anmerkung Schneider's; NJW 1977, 1725). Ein Zuspruch von Bau-, Bauüberwachungs-, Planungs- und Finanzierungskosten für einen Neubau ist daher auf Grund dieser Überlegungen nicht berechtigt (6 Ob 789/83 ua.). Die vom Rekursgericht unter dem Aspekt einer Teilenteignung von Gebäuden für erforderlich erachteten Verfahrensergänzungen sind daher nur im Rahmen dieser Darlegungen zielführend.

Soweit die Revisionsrekurswerberin schließlich die Auffassung vertritt, ein Hauseigentümer sei nicht gleichzeitig wie ein Bestandnehmer zu entschädigen, denn der Hauseigentümer erhalte für den Verlust seines Hauses dessen Verkehrswert, mit welchem er ein gleichartiges erwerben könne, in dem er und der Bestandnehmer sodann wieder wohnen könnten, der Bestandnehmer erhalte für den Verlust seines Bestandrechtes eine allfällige Mietzinsdifferenz, die in der Differenz jenes marktüblichen Mietzinses für ein gleichartiges Bestandobjekt am Bewertungsstichtag und dem tatsächlich bezahlten Mietzins für das Enteignungsobjekt bestehe, das Enteignungsrecht schließe das Bestandrecht am eigenen Objekt begrifflich aus, kann ihr allerdings nicht gefolgt werden.

Hat der Enteignete das enteignete Gebäude selbst bewohnt und ist der Verkehrwert desselben gering, kann es vorkommen, daß der Enteignete mit dem nach dem Verkehrswert bemessenen Entschädigungsbetrag sich Wohnraum entweder überhaupt nicht oder doch nicht an seinem bisherigen Wohnort verschaffen kann. Mit der BStGNov.1983 hat der Gesetzgeber dem Übelstand nun abgeholfen und in § 18 Abs 3 bestimmt, daß dann, wenn dem Enteigneten durch die Enteignung "die seinen Hauptwohnsitz bildende Wohngelegenheit" entzogen wird, die Entschädigung "unter Berücksichtigung der Bestimmung des Abs 1 zumindest so zu bemessen" ist, "daß ihm der Erwerb einer nach Größe und Ausstattung ausreichenden Wohngelegenheit ermöglicht wird". Damit wird vom Gesetzgeber die funktionelle Bedeutung eines Gebäudes als Wohnung des Enteigneten anerkannt und das Recht auf Wohnung neben dem Eigentumsrecht als selbständiges Rechtsgut geschützt sowie teilweise auf eine subjektiv konkrete Schadensberechnung abgestellt. Anders als bei der sonstigen Enteignungsentschädigung, bei der nur auf die Merkmale des Enteignungsobjekts abzustellen ist, richtet sich diese Mindestentschädigung auch nach den subjektiven Verhältnissen des Enteigneten: Die Ersatzwohnung, für deren Erwerb die Entschädigung hinreichen muß, muß nach Größe und Ausstattung für den Enteigneten ausreichend sein (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, 198). Der Begriff der Wiederbeschaffungskosten bedeutet allerdings nicht, daß sich der Enteignete mit der Entschädigung tatsächlich immer einen dem enteigneten Gegenstand gleichartigen und gleichwertigen Gegenstand beschaffen kann; er soll vielmehr das volle Äquivalent für das enteignete Gut in Form einer Geldsumme erhalten (SZ 51/175; 2 Ob 705/86 ua.). Zu den Wiederbeschaffungskosten gehören grundsätzlich auch die erforderlichen Vertragserrichtungskosten sowie die Eintragungsgebühren (vgl. EvBl 1979/54 uva.). Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses ist somit die Rechtsansicht des Rekursgerichtes zu billigen, daß den Antragsgegnern Karl und Aloisia P*** als Erben nach der nach dem für die Bemessung der Enteignungsentschädigung maßgebenden Zeitpunkt verstorbenen Hauseigentümerin Barbara B*** im Rahmen des § 18 Abs 3 BStG 1971 grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch zusteht.

Dem im Ergebnis nicht berechtigten Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 20 Abs 5 BStG, 44 EEG.

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