OGH 2Ob504/84

OGH2Ob504/8417.1.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des voll entmündigten Johann R*****, infolge Revisionsrekurses des Erstrichters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. Dezember 1983, GZ 27 R 278/83-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Oktober 1983, GZ 20 P 36/76-18, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Johann R***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 20. 11. 1975 (L 85/75) wegen Geisteskrankheit voll entmündigt. Zu seinem Kurator wurde seine Ehefrau Ingeborg R***** bestellt. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 8. 1983 (ON 11) wurde die Rechnungslegung der Kuratorin vom 12. 12. 1975 bis 9. 8. 1983 pflegschaftsbehördlich genehmigt (Punkt 2. des Beschlusses). Die Kuratorin wurde angewiesen, ein Sparbuch für den Kuranden zu eröffnen und darauf ab 1. 9. 1983 monatlich 4.000 S vom Einkommen des Kuranden einzuzahlen (Punkt 3.). Ein auf den Namen des Kuranden und der Kuratorin lautender Bausparvertrag bei der B***** wurde hinsichtlich der halben Ansparsumme gerichtlich gesperrt (Punkt 4.). Der Antrag der Kuratorin auf volle Überlassung des Einkommens des Kuranden und seines Anteils an dem Bausparvertrag wurde abgewiesen (Punkt 5.). Das Rekursgericht hob diesen Beschluss in seinem Punkt 3.) hinsichtlich eines 2.000 S monatlich übersteigenden Betrags und in seinen Punkten 4.) und 5.) zur Gänze auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Die Entscheidungsgrundlage sei über die Höhe der monatlichen Pension des Kuranden ab 1. 9. 1983 einschließlich des Hilflosenzuschusses und einschließlich des Firmenzuschusses zur Pension ergänzungsbedürftig. Es seien auch die durchschnittlichen monatlichen Rehabilitations- und Reintegrationskosten für den Kuranden festzustellen. Hinsichtlich des Bausparvertrags sei klarzustellen, ob die Ansparsumme von der Kuratorin aus ihrem Einkommen oder auch aus den Einkünften des Kuranden bezahlt worden sei. Letzteren Falls sei auch zu prüfen, ob die Verwendung des Anteils der Kuranden an der Bausparsumme für die gemeinsame Wohnung der Ehegatten in Judenburg dem Interesse des Kuranden diene. Nur insoweit das Einkommen und das Vermögen des Kuranden zur Deckung seines eigenen Unterhalts, des Unterhalts seiner Tochter und eines allfälligen Unterhaltsanspruchs seiner Ehefrau benötigt werde, sei der Kuratorin die rechnungsfreie Verwendung zu überlassen.

Noch vor Verfahrensergänzung enthob das Erstgericht die Ehefrau des Entmündigten als Kurator und bestellte den Amtsdirektor i.R. Johann S***** zum neuen Kurator (Punkt 1. und 2. des Beschlusses vom 17. 10. 1983).

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluss insoweit ersatzlos auf.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Erstrichters nach § 15 AußStrG, der jedoch unzulässig ist.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass nunmehr wegen der vom Rekursgericht aufgetragenen Klärung der Unterhaltsansprüche eine Interessenkollision zwischen der Kuratorin und dem Kuranden vorliege, die die Bestellung eines neuen Kurators erfordere.

Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen eines Entlassungsgrundes nach § 254 ABGB. Auch eine Enthebung aus Gründen der Kollision iSd § 271 ABGB sei nicht gerechtfertigt, weil ein Kollisionstatbestand nicht vorliege. In einem aufrechten Eheverhältnis könne grundsätzlich keine Kollisionssituation erblickt werden. Schwierigkeiten der Vermögensverwaltung stellten gleichfalls keinen Kollisionsfall dar.

Gegen die Rechtsauffassung des Rekursgerichts wendet sich der Erstrichter mit der Begründung, dass bereits die Möglichkeit eines Interessenwiderstreits zwischen einem, wenn auch pflichtbewussten Kurator und dem Kuranden die Annahme einer objektiven Gefährdung des Kurandenwohls rechtfertige. Neben den Unterhaltsansprüchen der Kuratorin sei auch die Frage der Verwendung des Bausparbetrags, der Zweitwohnung in Judenburg und der Rehabilitationskosten für den Kuranden zu klären, woraus sich die Möglichkeit einer Interessenkollision ergebe. Sei die Belassung des Kurators aber dem Interesse des Pflegebefohlenen abträglich, liege bereits ein Entlassungsgrund iSd § 254 ABGB vor. Durch die Entscheidung des Rekursgerichts sei ein unwiederbringicher vermögensrechtlicher Nachteil für den Kuranden zu besorgen, weil dem Erstgericht eine effektive, interessenwahrende Beaufsichtigung der Mitwirkung an der Verwaltung des Mündelvermögens äußerst erschwert bzw unmöglich sei, zumal die Kuratorin offensichtlich an einer Begehrungsneurose leide und bestrebt sei, das Mündelvermögen in Anspruch zu nehmen. Aus dem Abschluss des Bausparvertrags in Kenntnis der Entmündigung und der Nichtigkeit von ihrem Ehemann eingegangener Verträge ergebe sich auch, dass die Kuratorin als gesetzliche Vertreterin ungeeignet sei.

Gemäß § 15 Abs 1 AußStrG kann der Richter erster Instanz gegen die Verfügung des Obergerichts Rekurs ergreifen, wenn er von ihr für Personen, die sich selbst zu vertreten unfähig sind, einen unwiederbringlichen Nachteil besorgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss jedoch der Erstrichter in seinem Rechtsmittel konkrete Umstände anführen, auf die er seine Besorgnis iSd § 15 Abs 1 Satz 1 AußStrG gründet und die - objektiv gesehen - einen unwiederbringlichen Nachteil für die pflegebefohlene Person bewirken könnten (EFSlg 28.427; SZ 44/55; SZ 43/48). Kommt den vom Erstrichter behaupteten Umständen diese Eignung nicht zu, fehlt es auch an seiner Rekurslegitimation. Sein Rekurs ist dann als unzulässig zurückzuweisen (EFSlg 28.427; SZ 43/48).

Dem Hinweis des Erstrichters auf einen möglichen Interessenswiderstreit ist entgegenzuhalten, dass bei Auftreten einer Kollision die Bestimmung des § 271 ABGB, die auch auf andere Kollisionen als solche zwischen Eltern und mj Kindern anzuwenden ist (vgl Pichler in Rummel ABGB Rdz 10 zu § 271) eine ausreichende Möglichkeit der Wahrung der Interessen des Kuranden bietet. Ein unwiederbringlicher Nachteil für den Kuranden ist daher aus einer Kollision in der Regel nicht zu besorgen. Besondere Umstände, die eine solche Besorgnis dennoch rechtfertigen können, kann der Erstrichter nicht aufzeigen. Die Notwendigkeit der Klärung einzelner die Vermögensverwaltung betreffender Fragen ist durch die Vermögensverwaltung bedingt. Die Kurandengelder sind zunächst zur Deckung des eigenen Unterhalts des Kuranden, zur ordentlichen Wirtschaftsführung und zur Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kuranden zu verwenden. Es ist zwar die Pflicht des Kurators, über die Verwendung der Kurandengelder Überlegungen anzustellen das Gericht kann ihm jedoch Aufträge und Weisungen erteilen. Anlass hiezu wird regelmäßig die erste Pflegschaftsrechnung sein (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 181 f). Die Rechnungslegung hat jährlich zu erfolgen, soferne nicht dem Kurator vom Gericht eine Befreiung erteilt wurde (§ 150 ABGB). Dies wurde zwar, obwohl eine Befreiung von der jährlichen Rechnungslegungspflicht nicht erteilt worden war, im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Die Kuratorin wurde jedoch auch vom Gericht zur Rechnungslegung nicht aufgefordert. Die von ihr gelegte Rechnung wurde aber letztlich genehmigt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kuratorin den ihr rechtskräftig erteilten Aufträgen und Weisungen nicht nachkommen werde. Dass sie gegen die ihr bereits erteilten Aufträge einen Rekurs ergriff, rechtfertigt nicht die Annahme einer solchen Besorgnis. Der Kurator ist zur Ergreifung von Rechtsmitteln berechtigt, wenn er der Meinung ist, dass eine ihm erteilte Weisung nicht begründet ist. Es kann daher die Auffassung des Erstrichters nicht geteilt werden, dass eine Mitwirkung des Gerichts an der Vermögensverwaltung nur „äußerst erschwert“ möglich und die Kuratorin ungeeignet sei. Die vom Erstrichter aufgezeigten Umstände rechtfertigen somit nicht die Besorgnis eines unwiederbringlichen Nachteils für den Kuranden.

Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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