OGH 2Ob460/70 (2Ob461/70)

OGH2Ob460/70 (2Ob461/70)25.2.1971

SZ 44/24

Normen

ABGB §1325
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §105a
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §203
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §205
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
ABGB §1325
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §105a
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §203
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §205
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332

 

Spruch:

Behinderung in der Erfüllung der Aufgaben als Hausfrau und Mutter werden weder durch die Versehrtenrente noch durch den Hilflosenzuschuß abgegolten

OGH 25. 2. 1971, 2 Ob 460, 461/70 (OLG Graz 3 R 124/70; KG Leoben 3 Cg 74/69)

Text

Das Erstgericht erkannt den Beklagten schuldig, der Klägerin, die am 7. 7. 1966 durch das nicht mehr strittige Verschulden des Beklagten bei einem Verkehrsunfall schwerstens verletzt wurde, S 151.149.50 samt Zinsen zu bezahlen. Dieser Betrag enthält ua S 130.300.- für Schmerzengeld (unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 49.700.-) und S 19.200.- "Pflegekosten" für die Zeit vom September 1967 bis April 1970. Das Erstgericht stellte ferner die Haftung des Beklagten für alle künftigen unfallskausalen Schäden der Klägerin fest. Das auf Zahlung weiterer S 74.397.80 (davon S 70.000.- Schmerzengeld) gerichtete Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab mit Teilurteil der Berufung der Klägerin teilweise dahin Folge, daß es das Schmerzengeld von S 180.000.- auf S 200.000.- erhöhte, und änderte infolge Berufung des Beklagten das Ersturteil im Ausspruch über den Beginn des Zinsenlaufes ab. Hinsichtlich der zuerkannten S 19.200.- hob es das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Ihren Anspruch auf Ersatz von Pflegekosten begrundete die Klägerin zunächst mit der eigenen Unfähigkeit, Haushaltsarbeiten durchzuführen, später auch damit, daß sie einer ständigen Pflege bedürfe. Dafür bezahle sie ihrer Mutter und ihrer Schwiegermutter je S 300.- monatlich. Dies ergebe für die Zeit von September 1967 bis April 1970 den Betrag von S 19.200.-. Der Beklagte bestritt, daß der Klägerin überhaupt Pflegekosten entstunden, und verwies auf den Hilflosenzuschuß, den die Klägerin für diese Zwecke vom Sozialversicherungsträger beziehe. Im Zusammenhang mit dem Klagebegehren auf Ersatz für Verdienstentgang wendete er ganz allgemein ein, die Klägerin müsse sich die Sozialleistungen der Gebietskrankenkasse und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt anrechnen lassen.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klägerin im Haushalt ständig einer Hilfe bedürfen werde, daß sie von den beiden erwähnten Frauen gepflegt werde, die auch die Arbeiten im Haushalt verrichteten, wobei auch die beiden Kinder zu betreuen seien. Der Klägerin seien "Auslagen für Pflegekosten einer Haushaltshilfe" in der begehrten Höhe entstanden, die sie aus ihrer von der AUVA bezogenen Rente bezahlt habe und die ihr zuzusprechen seien.

Vergeblich wendet sich der Rekurs gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Verfahren sei in bezug auf den in Rede stehenden Teilanspruch ergänzungsbedürftig, wenn auch der Rechtsauffassung der zweiten Instanz in dieser Beziehung nicht durchwegs beigetreten werden kann.

Nicht erforderlich ist es nämlich festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die Sozialrenten in der Zeit vom September 1967 bis April 1970 den tatsächlichen Verdienstausfall der Klägerin überstiegen. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz entgangenen Verdienstes infolge unfallsbedingter Unmöglichkeit, den bisherigen Beruf weiter auszuüben, steht nicht mehr zur Erörterung. Auf die Kosten der Hilfspersonen braucht sich die Klägerin einen sich diesfalls möglicherweise ergebenden Überschuß nicht anrechnen zu lassen. Denn sie erhält die Sozialrenten für den Ausfall ihres Arbeitseinkommens aus dem bis zum Unfall ausgeübten Beruf einer Verkäuferin. Der Anspruch auf Versehrtenrente setzt eine Einbuße der Erwerbsfähigkeit voraus, dh der Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl Anm 2 Z 1 zu § 203 ASVG bei Gehrmann - Rudolph - Teschner) und nach § 205 ASVG wird die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Arbeitsunfall herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit bemessen. Wenn die Klägerin unfallsbedingt der Wartung und Hilfe bedarf bzw in der Erfüllung ihrer Aufgaben als Hausfrau und Mutter behindert ist, so sind diese Renten nicht auch zur Abgeltung des damit verbundenen Aufwandes bestimmt.

Anders liegt der Fall bezüglich des Hilflosenzuschusses. Denn soweit der Sozialversicherungsträger einen Hilflosenzuschuß gemäß der Bestimmung des § 105a ASVG leistet, ist der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Auslagen für eine Pflegeperson gemäß § 332 ASVG auf den Sozialversicherungsträger übergegangen und der Geschädigte zur Geltendmachung von Pflegekosten nicht mehr legitimiert (2 Ob 314/65; ZVR 1967/199; ZAS 1969, 134). Aus der Bestimmung des § 105a ASVG, wonach der Hilflosenzuschuß Rentenbeziehern gebührt, die derart hilflos sind, daß sie ständig der Wartung und Hilfe bedürfen, erhellt jedoch, daß es sich hiebei immer nur um die Unfähigkeit zu solchen Verrichtungen handelt, die die Person des Rentenbeziehers selbst betreffen (vgl insbesondere Kuderna, Der Begriff der Hilflosigkeit im ASVG, RdA 1968, 188 ff, der sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien und dem Schrifttum - zitiert in Anm 1 zu § 105a ASVG bei Gehrmann - Rudolph - Teschner - auseinandersetzt). Dabei kann es für die Entscheidung im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Begriffe "Wartung" und "Hilfe" einen gesonderten Inhalt haben (Gutachten des OLG Wien vom 23. 11. 1967, Jv 11.4842/66) oder ob es sich diesfalls um ein einheitliches Tatbestandsmerkmal handelt. Keinesfalls dient der Hilflosenzuschuß zur Abgeltung jenes Aufwandes, der dadurch entsteht, daß die Klägerin unfallsbedingt ihre Kinder nicht mehr so betreuen und für diese und den Ehemann den Haushalt nicht mehr in dem Umfang besorgen kann wie vor dem Unfall. Soweit im Sinn der ständigen Rechtsprechung (vgl die in Anm 26 zu § 1325 ABGB in MGA[28] zitierten Entscheidungen) die Unfähigkeit der Klägerin, die Hauswirtschaft wie bisher zu führen, einen Schadenersatzanspruch begrundet, hat dies mit dem Hilflosenzuschuß nichts zu tun.

Demnach wird das Ausmaß jener lebenswichtigen Verrichtungen zu erheben und festzustellen sein, hinsichtlich derer die Klägerin ständig der Wartung und Hilfe bedarf. Nur die insoweit erforderlichen Aufwendungen stellen den Deckungsfonds für den Hilflosenzuschuß dar und nur insoweit ist die Klägerin zur Geltendmachung von Ansprüchen nicht legitimiert. Bei einer - allenfalls erforderlichen - Abgrenzung dieses Aufwandes von jenem, der auf die Haushaltsführung im schon erwähnten Sinn entfällt, wird die Bestimmung des § 273 ZPO anzuwenden sein.

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