OGH 2Ob45/20m

OGH2Ob45/20m28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** F*****, vertreten durch Beck & Dörnhöfer & Partner Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei F***** P*****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Mödling, wegen Beseitigung (Streitwert 8.500 EUR) und Unterlassung (Streitwert 2.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 6. Februar 2020, GZ 58 R 90/19m‑21, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 9. September 2019, GZ 8 C 634/18k‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00045.20M.0128.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist als Pächter Jagdausübungsberechtigter der Genossenschaftsjagd M*****, in der er auch die Funktion des Jagdaufsehers ausübt. Im gepachteten Jagdrevier befindet sich auf zwei im Hälfteeigentum des Beklagten stehenden Grundstücken ein etwa 2 m hoher Zaun, der gemeinsam mit einer Felswand eine Fläche von ca 2,5 ha einschließt.

[2] Der Kläger begehrt vom Beklagten die Beseitigung der Zäunung samt Sperrvorrichtung, bestehend aus Kette und Schloss, sowie die Unterlassung der Errichtung von Zäunen oder sonstigen den Wildwechsel, das Pachtverhältnis oder das Jagdrecht des Klägers beeinträchtigenden Hindernissen. Er brachte vor, durch die vom Beklagten vorgenommene, behördlich nicht bewilligte Einzäunung werde das Wild am Ein- bzw Auswechseln gehindert, sodass eine Beeinträchtigung des Wildbestandes und ein Verstoß gegen § 88 Abs 3 NÖ Jagdgesetz 1974 (NÖJG) vorliege. Da dem Kläger als Jagdaufseher und Jagdberechtigtem, insbesondere in Ausübung des Jagdschutzes, die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz des Wildes zukomme, habe er ein qualifiziertes rechtliches Interesse an der Entfernung des Zaunes. Durch die vom Beklagten angebrachte Sperrvorrichtung, bestehend aus Kette und Schloss an der einzigen Türe, sei dem Kläger zudem die Wahrnehmung seiner jagdrechtlichen Rechte und Pflichten bezüglich der eingezäunten Fläche genommen worden, da er keine Zugangsmöglichkeit zu dieser mehr habe. Hierdurch werde außerdem in sein Bestandrecht eingegriffen, da er Jagdpächter der eingezäunten Fläche sei. Es bestehe die ernstliche Besorgnis weiterer Eingriffe, da der Beklagte den Zaun trotz mehrfacher Aufforderung nicht beseitigt, sondern den Eingriff durch Anbringung einer Sperrvorrichtung intensiviert habe.

[3] Der Beklagte bestritt und wendete auch die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Es sei zu prüfen, ob gegen die Bestimmungen des Forst- oder des Jagdgesetzes verstoßen worden sei. Nach § 170 ForstG sei dieses durch Behörden der staatlichen Verwaltung zu vollziehen. Nach § 131 NÖJG sei zur Beurteilung, ob der Zaun verbleiben dürfe, die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Der Beklagte sei nach den forst- und jagdrechtlichen Vorschriften zum Belassen der Zäunung berechtigt. Dem Kläger sei es auch möglich, durch „Überstiege“ in die Umzäunung zu kommen.

[4] Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Zwar könne der Pächter eines Jagdrechts als Rechtsbesitzer gegen Eingriffe bzw Störungen im Rahmen seiner Befugnisse eine Unterlassungsklage erheben. Das NÖJG sehe jedoch keine Befugnis des Einzelnen zur Überprüfung der Einhaltung des § 88 NÖJG vor. Vielmehr obliege die Beurteilung der Einhaltung der Vorschriften des NÖJG – insbesondere des § 88 Abs 3 NÖJG – nach § 131 NÖJG der Bezirksverwaltungsbehörde.

[5] Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Der Kläger sei gemäß §§ 64, 65 NÖJG sowohl als Pächter als auch als Jagdausübungsberechtigter berechtigt, den Jagdschutz in seinem Gebiet selbst auszuüben. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werde ein Jagdberechtigter gegen die Störungen innerhalb seiner rechtlichen Befugnisse nicht nur auf die Erstattung von Verwaltungsanzeigen verwiesen, sondern könne auch Unterlassungsklagen einbringen. Nach dem Vorbringen des Klägers und den Feststellungen habe der Beklagte einen Zaun errichtet, der einen unzulässigen „Einsprung“ nach § 88 Abs 3 NÖJG darstelle. Der Beklagte habe dadurch in die Rechte des Klägers unzulässigerweise eingegriffen. Eine ausschließliche Kompetenz der Verwaltungsbehörde für ein Verfahren zwischen Jagdpächter und Grundeigentümer sehe das NÖJG nicht vor.

[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob nach dem NÖJG ein privatrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch des Jagdpächters auch gegen Maßnahmen des Grundeigentümers zustehe.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Der Revisionsrekurswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf:

[8] 1. Der Beklagte geht auf die Zulassungsfrage nicht ein. Selbst wenn daher das Rekursgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, wäre dieser nur dann nicht zurückzuweisen, wenn er eine andere erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO enthielte (vgl RS0102059). Das ist jedoch nicht der Fall.

[9] 2. Entscheidend für die Zulässigkeit des Rechtsweges ist, ob ein privatrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine Verwaltungsbehörde verwiesen wurde (2 Ob 36/17h; 1 Ob 221/14b). Dafür ist auf den Wortlaut des Klagebegehrens und den in der Klage behaupteten Sachverhalt abzustellen (RS0005896; RS0045584). Ohne Einfluss ist hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RS0045584; RS0045718). Die Frage, wie ein bestimmter eingeklagter Anspruch nach den vorstehenden Kriterien der ständigen Rechtsprechung beurteilt wird, hängt regelmäßig von dessen konkreter Gestaltung und der Auslegung des Vorbringens im Einzelfall ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO, der über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (RS0045584 [T62]).

[10] Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Jagdpächter einer Genossenschaftsjagd gegen Störungen innerhalb seiner rechtlichen Befugnisse nicht nur auf die Erstattung von Verwaltungsanzeigen verwiesen wird, sondern auch Unterlassungsklagen einbringen kann (9 Ob 15/11p; RS0118322). Nach § 2 Abs 1 NÖJG ist mit dem Jagdrecht die Berechtigung und Verpflichtung verbunden, das Wild unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu hegen, damit sich ein artenreicher und gesunder Wildstand entwickeln kann und erhalten bleibt. Gemäß § 65 Abs 1 NÖJG haben auch die Pächter von Genossenschaftsjagdgebieten für einen ausreichenden Jagdschutz zu sorgen. Letzterer umfasst gemäß § 64 Abs 1 NÖJG unter anderem die Pflicht zur Abwehr von Verletzungen der zum Schutz des Wildes erlassenen Vorschriften und gewährt das Recht zur Betreuung des Wildes. Es wurde bereits festgehalten, dass die Berechtigung des Jagdpächters zur Abwehr störender Einflüsse auf das Jagdrevier gegeben ist, wenn diesen die Eignung innewohnt, das Jagdausübungsrecht zu beeinträchtigen (vgl 1 Ob 159/00i; RS0113799). Argumente, weshalb dem Jagdpächter als Rechtsbesitzer (7 Ob 251/03t) in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich auch ein Beseitigungsanspruch zukommen kann (vgl RS0106815 [T5]), zeigt der Beklagte nicht auf.

[11] Nach dem allein maßgeblichen Vorbringen des Klägers habe er durch die Umzäunung samt Sperrvorrichtung keine Zugangsmöglichkeit mehr zu der eingezäunten Fläche. Er sei somit in seinem Bestandrecht und auch in der Ausübung seiner nach dem NÖJG bestehenden Rechte und Pflichten verletzt. Durch die behördlich nicht bewilligte Einzäunung werde das Wild am Ein- bzw Auswechseln gehindert, sodass der Wildbestand beeinträchtigt ist. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger mache mit seinem gegen diese Störungen gerichteten Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren einen privatrechtlichen Anspruch geltend, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung. Ob der Kläger mit seiner Klage gegen den Beklagten durchdringen kann, ist erst bei Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob der gegenständliche Zaun geeignet ist, das durch den Kläger gepachtete Jagdausübungsrecht in unzulässiger Weise zu beeinträchtigen. Allfällige verwaltungsrechtliche Fragen sind dabei als Vorfragen zu behandeln (vgl 6 N 523/90).

[12] 5. Da es somit der Lösung von Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[13] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen und auch nicht dessen Zurückweisung beantragt; er hat daher die Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen (RS0035962 [T21]; RS0035979 [T7]).

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