OGH 2Ob332/68

OGH2Ob332/685.12.1968

SZ 41/169

Normen

ABGB §1295
ABGB §1325
ABGB §1327
ABGB §1295
ABGB §1325
ABGB §1327

 

Spruch:

Der Schädiger hat kein Recht, vom Geschädigten die Einstellung einer selbständigen Berufstätigkeit (hier: angeblich passiver Hotelbetrieb) zu verlangen, nur um von ihm verschuldete Ausfälle nicht ersetzen zu müssen.

Entscheidung vom 5. Dezember 1968, 2 Ob 332/68.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Gattin des Klägers ist am 8. Mai 1965 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt, den F. Y. allein verschuldet hatte. Der Kläger begehrte Schadenersatz für die ihm dadurch entgangenen Dienste seiner Gattin im Haushalt und im Hotelbetrieb; er habe Ersatzkräfte einstellen müssen. Er verlangte daher den Zuspruch von monatlich 2400 S für die Zeit vom 1. Juni 1965 bis 31. Oktober 1966, zusammen also 38.800 S, und für die Zeit ab 1. November 1966 eine monatliche Rente von 2400 S.

Die beklagte Partei begehrte Klagsabweisung, weil die Gattin des Klägers wegen ihres Alters von 70 Jahren nicht mehr in der Lage gewesen sei, im Hotel zu arbeiten. Infolge ihres hohen Alters hätten die Ersatzkräfte auf jeden Fall eingestellt werden müssen. Sie sei Miteigentümerin des Hotelbetriebes zur Hälfte gewesen, deshalb müsse sich der Kläger auch die Erträgnisse des Nachlaßvermögens anrechnen lassen. Diese Erträgnisse seien höher als der für das Personal notwendig gewordene Ersatzbetrag.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von 23.344.50 S s. A. zu und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 15.455.50 S s. A. ab. Ferner verurteilte es die beklagte Partei, dem Kläger vom 1. November 1966 bis 31. Dezember 1966 monatlich im nachhinein einen Betrag von je 1660.70 S, vom 1. Jänner 1967 bis 31. Mai 1967 einen solchen von je 1670.70 S und ab 1. Juni 1967 einen solchen von je 1690 S zu bezahlen. Das Rentenmehrbegehren wurde ebenfalls abgewiesen.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Kläger übte im Zeitpunkt des Unfalles und weiterhin im Hause K.- Gasse 5 in L., das ihm zur Hälfte gehört, auf Grund einer Schenkung seiner Frau vom 24. Februar 1965 seit 1. März 1965 die Taferngerechtsame aus. Seine Gattin Antonia L. war seit 1. März 1965 im Betrieb des Hotels garni mittätig, das 7 Fremdenzimmer mit 16 Betten umfaßt. Sie bereitete das Frühstück für die Gäste, kassierte, wusch das Frühstücksgeschirr ab, machte verschiedene Wege und kochte für den Kläger und für die beiden Hilfskräfte das Mittagessen. An Waschtagen half sie mit und besorgte nachmittags Arbeiten, wie Bügeln, Nähen und Ausbessern der Wäsche, wobei Waschmaschine und Bügelmaschine vorhanden waren. Antonia L. mußte aber auch oft nachts aufstehen und Gäste einlassen. Sie besorgte also nicht nur dem Kläger als ihrem Gatten den ganzen Haushalt, sondern stand ihm auch beim Erwerb in dem von ihm als Konzessionär geführten Hotel garni nach Kräften bei. Bei Lebzeiten der Gattin des Klägers war Karoline P. werktags halbtägig zwischen 6 Uhr und 13 Uhr 30 mit Aufräumen und groben Arbeiten unter nur teilweiser Beiziehung der Hildegard S. beschäftigt. Seit dem Tod der Gattin des Klägers besorgt diese Arbeiten nun Hildegard S. und Karoline P. hilft ihr dabei nur zum Teil, weil sie alle früher von Antonia L. verrichteten Arbeiten erledigt. Karoline P. ist jetzt ganztägig im Betrieb des Klägers tätig und bleibt auch manchmal, wenn nötig, in der Nacht dort. Während Hildegard S. früher nur Gelegenheitsarbeiten verrichtete, wurde sie nun fix aufgenommen, weil Karoline P. die Arbeiten nicht allein besorgen kann.

Der auf diese Weise entstandene Mehraufwand an Arbeitslöhnen betrug im Mai bis Dezember 1965 monatlich 2812.50 S und vom Jänner 1966 bis Mai 1967 monatlich 3480.70 S. Für die Zeit ab Juni 1967 beträgt er 3500 S monatlich.

Andererseits erhielt die Gattin des Klägers ab 1. März 1965 eine gewerbliche Alterspension von monatlich 756.30 S. Außerdem bezogen sie und der Kläger als Eigentümer des Hauses K.-Gasse 5 je zur Hälfte einen monatlichen Mietzins aus Geschäftsraumvermietung von je 1700 S. Das Einkommen der Antonia L. belief sich daher unter Berücksichtigung der Pensionssonderzahlungen auf monatlich 907.56 S zuzüglich 1700 S Mietzins sowie 150 S an Zinsen für ein gewährtes Darlehen, zusammen als 2757.65 S. Dadurch war ihr Unterhalt gedeckt, sodaß sich der Kläger durch den Tod seiner Gattin keine eigene Unterhaltsleistung erspart hat.

Im Wege der Vorteilsausgleichung brachte jedoch das Erstgericht dem Kläger die 1700 S an Mietzinsertrag in Anrechnung sowie monatlich 150 S Darlehenszinsen, die Josef S. im Jahre 1965 für ein Darlehen von 90.000 S an die Gattin des Klägers zu leisten hatte. Dieser Zinsertrag der Gattin des Klägers wäre jedoch im Jahre 1966 auf 120 S und im Jahre 1967 auf 110 S gesunken, weil das Darlehen allmählich zurückgezahlt wurde. Aus der Gegenüberstellung des Entganges in Form von monatlichem Mehraufwand mit den Erträgnissen des dem Kläger angefallenen Nachlasses ergibt sich der Zuspruch des Erstgerichtes. Das Erstgericht hatte zwar festgestellt, daß die mittlere Lebenserwartung der Gattin des Klägers noch 11 Jahre und 11 Monate betragen hätte, sodaß anzunehmen wäre, daß sie noch bis zum 8. April 1977 gelebt hätte und dann fast 81 Jahre alt gewesen wäre. Die Gattin des Klägers war aber gesund und agil, weshalb das Erstgericht die Rentenleistung zeitlich nicht begrenzen zu müssen glaubte.

Über Berufung der beklagten Partei wurde das Ersturteil lediglich dahin abgeändert, daß die monatliche Leistung von 1690 S ab 1. Juni 1967 mit dem 8. April 1977 begrenzt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird geltend gemacht, daß das Berufungsgericht Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens nicht behoben habe. Diese hätten darin bestanden, daß kein ärztlicher Sachverständiger über die Arbeitserwartung der tödlich verunglückten Gattin des Klägers gehört, sondern die Arbeitserwartung mit der Lebenserwartung gleichgesetzt worden sei. Außerdem sei die Erstellung einer Handelsbilanz über das Unternehmen des Klägers zu Unrecht für nicht erforderlich gehalten worden. Der Schaden des Klägers bestehe aus der Differenz der Beträge, die ihm bei Fortleben seiner Gattin für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden wären, und jenen Beträgen, die ihm nun tatsächlich zur Verfügung stunden. Die Auffassung, daß die Verunglückte ihren Lebensunterhalt aus der Hälfte der Geschäftsraummiete und aus ihrer Gewerbepension selbst gedeckt habe, während das übrige Einkommen dem Gatten zur Verfügung gestanden sei, entspreche weder der Akten- noch der Rechtslage. In Wahrheit habe eine gemeinsame Kasse bestanden. Es müsse daher das Einkommen beider Ehegatten auf Grund einer Handelsbilanz festgestellt werden. Die Steuerbilanz gebe kein ausreichendes Bild. Der Kläger müsse sich anrechnen lassen, was seine Gattin bei Lebzeiten verbraucht habe; diese Beträge seien höher als das, was der Kläger jetzt für Hilfskräfte aufwenden müsse. Nach den vorgelegten Steuerbescheiden hätten die Ehegatten aus allen Einnahmsquellen zusammen einen erheblichen Reingewinn erzielt. Nun erhalte aber der Kläger aus der Verlassenschaft viel mehr Einnahmen, als ihm zu Lebzeiten seiner Gattin zur Deckung seines Lebensbedarfes zur Verfügung gestanden seien.

Dieselben Erwägungen werden auch unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorgebracht; darüber hinaus auch noch, daß sich der Kläger die Zinsen aus der von seiner Frau geerbten Darlehensforderung von monatlich 150 S weiterhin voll anrechnen lassen müsse, weil er das zurückerhaltene Geld wieder nutzbringend verwenden müsse.

Überhaupt könne der Kläger nicht das durch den Wegfall der Arbeitskraft seiner Gattin unrentabel und passiv gewordene Unternehmen auf Kosten der beklagten Partei weiterführen, obwohl er über andere ausreichende Einnahmsquellen verfüge. Die Stillegung des Betriebes sei ihm daher zuzumuten.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, daß der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliegt. Die Revision vermißt vielmehr gewisse Feststellungen, die ihr unter Zugrundelegung einer bestimmten Rechtsansicht als erforderlich erscheinen. Es wird also auf den Mangel wesentlicher Feststellungen hingewiesen. Ob es an solchen Feststellungen mangelt, ist aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es nicht - wie die Beklagte meint - darum geht, einen Verdienstentgang des Klägers im allgemeinen zu ermitteln, sondern lediglich darum, inwiefern dem Kläger ein Schaden durch den Wegfall des Beistandes seiner Gattin entstanden ist, der ihm gemäß §§ 44, 92, 1327 ABGB. zu ersetzen ist. Die Feststellungen des Erstgerichtes, reichen aus, um diese Frage beantworten zu können, denn es wurde erhoben, welche Mehraufwendungen an Arbeitslöhnen der Wegfall der Arbeitskraft der Gattin des Klägers verursacht hat und welche Erträgnisse andererseits dem Kläger als Alleinerben seiner Gattin aus deren Nachlaß zufließen, sowie daß sich der Kläger an Unterhalt für seine Gattin nichts erspart, weil sie ihren Unterhalt selbst gedeckt hat. In letzterer Annahme ist im Sinne des § 273 ZPO. keine unrichtige Rechtsanwendung zu erkennen, weil davon auszugehen ist, daß die über eigenes Einkommen verfügende Gattin davon in erster Linie ihren eigenen Unterhalt bestritten hat, wenn nicht eine besondere andere Verwendungsart nachgewiesen ist. Hier behauptete die beklagte Partei lediglich, die Ehegatten hätten eine gemeinsame Kasse gehabt. Das würde aber an der dargestellten Auffassung nichts, ändern. Im übrigen ist es jedenfalls zutreffend, daß eine bejahrte Frau von bescheidenem Lebensstil mit dem ihr zufließenden Betrag von monatlich 2757.65 S ihr Auskommen hatte.

Die Vernehmung eines ärztlichen Sachverständigen über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsfähigkeit war entbehrlich, weil es auf die Verhältnisse des einzelnen Falles ankommt und im vorliegenden Fall jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist, daß eine gesunde und pflichtbewußte Gattin auch bis in ein höheres Alter die festgestellten nicht besonders schweren Arbeiten verrichtet. Auch in dieser Hinsicht haben daher die Untergerichte vom § 273 ZPO. keinen fehlerhaften Gebrauch gemacht.

Ob schließlich der Beherbergungsbetrieb des Klägers schon zu Lebzeiten seiner Frau passiv war, ist gleichgültig. Maßgebend ist nur, in welchem Maße der Wegfall der Mithilfe der Gattin für den Kläger eine wirtschaftliche Einbuße bedeutete. Dies ist aber hinreichend geklärt worden. Der Schädiger hat kein Recht, vom Geschädigten die Einstellung einer selbständigen Berufstätigkeit zu verlangen, nur um von ihm verschuldete Ausfälle nicht ersetzen zu müssen. Seiner Pflicht, den Schaden gering zu halten, ist der Kläger dadurch nachgekommen, daß er nur für die Fortführung des Betriebes im bisherigen Ausmaß notwendige Kräfte zu unbestrittenermaßen angemessenen Löhnen eingestellt hat.

Die beklagte Partei geht bei ihrem Hinweis auf die Notwendigkeit der Erstellung einer Handelsbilanz offenbar davon aus, daß es auf eine Änderung des Betriebsgewinnes ankomme. Diese in den Entscheidungen 2 Ob 109, 110/52 und 2 Ob 41/65 = ZVR. 1966, Nr. 31, ausgedruckte Ansicht betraf jedoch Fälle, in denen nach Wegfall des mittätigen Ehepartners keine Ersatzkraft eingestellt worden war. Dort konnte daher der Wert der Mitarbeit der Getöteten nur durch einen Vergleich des vorher und nachher erzielten Reinertrages ermittelt werden. Im vorliegenden Falle wurde aber die weggefallene Arbeitskraft der Gattin des Klägers durch bezahlte Kräfte ersetzt, sodaß sich darin ohne weiteres der dem Kläger zugefügte Nachteil ausdrückt.

Die Revision ist aber auch unberechtigt, soweit sie sich gegen die Anrechnung von weniger als 150 S monatlich an Zinsen für das teilweise bereits zurückgezahlte Darlehen mit der Begründung wendet, das rückfließende Geld müsse wirtschaftlich richtig genutzt werden. Auch hier will die beklagte Partei auf die Gestion des Klägers einen Einfluß nehmen, der ihr nicht zusteht. Es muß dem Kläger überlassen bleiben, was er mit dem zurückfließenden Darlehensbetrag unternimmt; er kann ihn auch einfach nach Belieben verbrauchen, ohne sich dies von der beklagten Partei entgegenhalten lassen zu müssen. Im vorliegenden Fall konnten die Untergerichte der Aussage des Klägers als Partei folgen, der erklärt hatte, er müsse das Geld zu seinem Lebensunterhalt zusetzen.

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