OGH 2Ob286/74

OGH2Ob286/7420.2.1975

SZ 48/18

Normen

ABGB §1425
Geschäftsordnung für die Gerichte I, und II. Instanz §314
ABGB §1425
Geschäftsordnung für die Gerichte I, und II. Instanz §314

 

Spruch:

Das in den §§ 314 ff. Geo. geregelte Ausfolgungsverfahren ist öffentlich-rechtlicher Natur. Ein Rückerlag nach einmal geschehener Ausfolgung ist nicht vorgesehen

OGH 20. Feber 1975, 2 Ob 286/74 (LGZ Wien 43 R 858/73; BG Hietzing 2 A 744/72)

Text

Mit dem Beschluß vom 28. Mai 1973 wies das Erstgericht unter anderem den Gerichtskommissär an, die von ihm in Verwahrung genommenen Banknoten im Betrage von 30.500 S und Scheidemünzen im Wert von 3175 S sowie einen halben US-Dollar und 25 mexikanische Pesos abzüglich seiner gleichzeitig bestimmten Gebühren in der Höhe von 7338 S an die Erbin Elita K auszufolgen. Den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Verlassenschaft nach dem am 13. Oktober 1972 nachverstorbenen erblasserischen Ehegatten Karl A wies das Rekursgericht zurück. Dem gegen die rekursgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurse der Verlassenschaft nach Karl A gab der Oberste Gerichtshof Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und erteilte dem Rekursgericht den Auftrag, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrunde in der Sache zu entscheiden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs teilweise Folge. Es hob nunmehr antragsgemäß den erstgerichtlichen Beschluß in seinem eingangs angeführten Umfange (Punkt 3 zur Gänze und Punkt 4 hinsichtlich des Halbsatzes "und deren Berichtigung durch Ermächtigung des Gerichtskommissärs, diese Gebühren von dem in seinem Depot erliegenden Bargeldbetrag einzubehalten, vorgenommen") auf und wies den - in dem Rekursantrag enthaltenen weiteren - Antrag der Rekurswerberin, das Erstgericht anzuweisen, der Alleinerbin Elita K aufzutragen, die in Punkt 3 genannten Vermögenswerte unverzüglich in die Verwahrung des Gerichtskommissärs zurückzustellen, zurück. In der Begründung seines Beschlusses führte das Rekursgericht aus, daß der Gerichtskommissär die gegenständlichen Banknoten und Scheidemünzen für beide Verlassenschaften in Verwahrung genommen habe, weshalb ein Erlag im Sinne des § 1425 ABGB vorliege. Der Erlag könne dem Gläubiger nur ausgefolgt werden, wenn die vom Erleger dafür gesetzten Bedingungen erfüllt sind oder wenn der Erleger und alle, zu deren Gunsten erlegt wurde, der Ausfolgung zustimmen oder wenn ein Begünstigter gegen alle anderen ein Urteil erwirkt hat. Da im gegenständlichen Falle, wie aus dem Vorbringen der Beteiligten hervorgehe, das Einverständnis zur Ausfolgung im gütlichen Wege nicht hergestellt werden könne, müßte im Klageweg ein Urteil erwirkt werden. Bis zu dieser endgültigen Klärung der Verfügungsberechtigung über den Erlag sei es jedoch dem Erstgericht verwehrt, darüber Anordnungen zu treffen, die Ausfolgung an die Alleinerbin nach Elfia A oder aber die Abdeckung der Gebühr des Gerichtskommissärs aus diesem Vermögensteil zu verfügen. Nach den Ermittlungen des Rekursgerichtes seien indes vom Gerichtskommissär der Erlag am 1. August 1973 an die Alleinerbin ausgefolgt und die zuerkannten Gebühren vereinnahmt worden. Damit seien aber der Erlagsgegenstand und die Voraussetzungen nach § 1425 ABGB weggefallen. Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung gingen Besitz und Eigentum am Erlagsgegenstand durch die Ausfolgung als behördlichen Akt auf den Empfänger über. Sowohl dem Rekurs- als auch dem Erstgericht sei es daher verwehrt, mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens den Wiedererlag des ausgefolgten Geldbetrages und der Scheidemünzen herbeizuführen, zumal es auch schon aus formalrechtlichen Gründen dem Rekursgericht nicht gestattet sei, eine diesbezügliche Anweisung dem Erstgericht zu erteilen. Es liege vielmehr bei der Rekurswerberin, im Klagewege den Wiedererlag zu erwirken bzw. zweckmäßigerweise im streitigen Verfahren unmittelbar die Besitzfrage zu klären.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erben nach Karl A nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht hat mit seinem Beschluß den Schlußanträgen der Erbin stattgegeben; das Rekursgericht hat diesen Beschluß im erwähnten Umfang, dem Rekurs teilweise Folge gebend, aufgehoben und den angeführten zusätzlichen Rekursantrag "zurück" -, statt richtig, wegen Fehlens einer materiellen Rechtsgrundlage, abgewiesen. Der vorliegende Revisionsrekurs richtet sich daher bloß noch gegen den Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung, mit dem die Erteilung eines Auftrages an das Erstgericht, den Rückerlag durch die Erbin zu veranlassen, abgelehnt wurde, womit das Rekursgericht in Wahrheit dem Rekurse im übrigen nicht Folge gegeben hat.

Richtig ist, daß die Ausfolgung des Erlages an die Erbin ohne Zustimmung des Rekurswerbers oder gerichtliches Urteil und daher rechtswidrig erfolgte.

Die Frage, was rechtens ist, wenn das Verwahrschaftsgericht bei der Ausfolgung des Erlages gesetzliche Bestimmungen nicht beachtet hat, und insbesondere, ob die rechtswidrige Ausfolgung eines Erlages rückgängig gemacht werden kann, ist im Gesetz nicht geregelt. In der Literatur hat lediglich Gschnitzer (in Klang[2] VI, 415 ff.) dazu Stellung genommen, während der Oberste Gerichtshof die Frage bisher nicht zu behandeln hatte. Nach der Meinung Gschnitzers sind bei der gerichtlichen Hinterlegung zwei Gruppen von Rechtsbeziehungen zu unterscheiden, nämlich die eine zwischen den Parteien und dem Gericht und die andere zwischen den Parteien untereinander. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und dem Gericht gehört dem öffentlichen Recht an. Durch die Hinterlegung entsteht daher eine öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen der Behörde und der Partei (Gschnitzer a. a. O., 415). Öffentlich-rechtlicher Natur ist daher auch das Ausfolgungsverfahren, das in den §§ 314 ff. Geo. geregelt und in dem ein Rückerlag nach einmal geschehener Ausfolgung nicht vorgesehen ist (vgl. 1 Ob 613/50). Aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Vorganges folgt, daß Eigentum und Besitz durch die Ausfolgung als behördlichen Akt, der der Zustellung des Erfolglassungsauftrages gleichsteht, übergehen (Gschnitzer, 418) und daß dann, wenn entgegen den Vorschriften ausgefolgt wurde, die Amtshaftung eingreift (415).

Der Oberste Gerichtshof billigt die schlüssig begrundete Auffassung Gschnitzers. Ein einmal ausgefolgter Erlagsgegenstand kann sohin nicht durch Verfügung des Verwahrschaftsgerichtes in dessen Gewahrsame zurückgebracht werden.

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