OGH 2Ob277/05g

OGH2Ob277/05g19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard K*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Z***** Flugschule GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christof Brunner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 10.000,-- sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 2.000,--), über die Revision der klagenden Partei sowie den Kostenrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. August 2005, GZ 5 R 49/05b-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. April 2005, GZ 59 Cg 211/03h-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Kostenrekurs der beklagten Partei samt Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 1.249,92 (hierin enthalten EUR 208,32 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung sowie die mit EUR 1.810,70 (hierin enthalten EUR 1.061,-- Barauslagen und EUR 124,95 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger unternahm am 30. 12. 2002 am Penken im Gemeindegebiet von Finkenberg in Tirol einen Tandemflug, den er bei der beklagten Flugschule gebucht hatte. Pilot war Torsten L*****. Im Zuge eines Absturzes wurde der Kläger verletzt. In dem gegen Torsten L***** beim Bezirksgericht Zell am Ziller geführten Strafverfahren wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 4 StGB trat die Staatsanwaltschaft Innsbruck gemäß § 90 f Abs 1 StPO (im Berufungsurteil unrichtig: ZPO) von der Verfolgung dieser Handlung unter der Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurück, da die Voraussetzungen des § 90a StPO vorlagen. Der Kläger war 1,80 m groß und 80 kg schwer. Vor dem 30. 12. 2002 hatte er noch nie einen Paragleitschirm-Flug unternommen und war gänzlicher Anfänger. Am Unfalltag war er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin mit dem Snowboard unterwegs. Die Lebensgefährtin erkundigte sich bei der beklagten Partei, die Tandem-Flüge mit Paragleitern anbot, wo man startet und wieviel ein Flug kostet. Deren Geschäftsführer Manfred D***** war daran interessiert, den inzwischen hinzugekommenen Kläger und seine Lebensgefährtin als Passagiere für Tandemflüge zu gewinnen. Er erklärte ebenso wie der für ihn als Paragleitschirmpilot arbeitende Torsten L*****, dass man einen solchen Flug einmal machen müsse, und es „easy und super" sei, durch die Luft zu gleiten. Über allfällige mit einem Tandem-Flug verbundene Gefahren sprachen weder der Geschäftsführer der Beklagten noch der Pilot. Der Kläger äußerte Bedenken, ob ein Start mit Schischuhen, wie er sie trug, ein Problem sei; dies verneinten D***** und L*****. Der Kläger und seine Lebensgefährtin entschlossen sich daraufhin, je einen Tandemflug durchzuführen.

In der weiteren Folge wurde erörtert, ob der Start von der „Pilzbar" oder von einem höher gelegenen Startplatz aus erfolgen sollte. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er lieber von weiter oben starten würde. Daher fuhren er, seine Lebensgefährtin, L***** und D***** mit dem Lift kurz vor 16.00 Uhr zum Nordstartplatz. Dort lagen damals ca 10 bis 20 cm Neuschnee und es kam ab und zu Wind von rückwärts. Ein privater Gleitschirmpilot hatte versucht, am Nordstartplatz zu starten, hatte jedoch einen Startabbruch. Nachdem die Schirme ausgepackt und ausgebreitet, das Gurtzeug angelegt und die Helme aufgesetzt waren, entschlossen sich L***** und D***** nach einer Wartezeit von etwa 10 Minuten, doch bei der „Pilzbar" zu starten. Die Schirme wurden eingepackt und die Piloten und die Passagiere fuhren mit dem Sessellift wieder zur „Pilzbar".

Dort lag ebenfalls lockerer, 10 bis 20 cm tiefer Neuschnee. Die Schirme wurden ausgelegt, wobei der vom Kläger und L***** benützte Schirm auf Grund des lockeren Schnees am Nordstartplatz nass war. Beim verwendeten Schirm handelte es sich um einen einfach zu startenden Schirm mit einem Startgewicht von 140 bis 240 kg, wobei der Schirm samt Ausrüstung etwa 20 kg wiegt. Durch die Oberflächenfeuchtigkeit kann er etwa 10 kg mehr gewogen haben. Da der Kläger samt Schiausrüstung etwa 90 kg, L***** samt Ausrüstung ebensoviel und der Schirm unter Berücksichtigung der Feuchtigkeit insgesamt 30 kg gewogen haben, betrug das Gesamtgewicht rund 210 kg und näherte sich dem Grenzwert von 240 kg. Dadurch wurde die Startstrecke etwas länger. Das Flugverhalten des Schirmes war durch die Feuchtigkeit aber nur geringfügig beeinträchtigt. Das Startgelände bei der „Pilzbar" war nach Südosten ausgerichtet, vorerst flach und fiel dann steiler ab. Die Hangneigung der Startstrecke betrug ca 12 bis 20 Grad und im Boden waren keine Senken vorhanden. Der Startbereich lag im Lee, befand sich mehr als 200 m unter dem Gratverlauf der nach Südosten steil abfallenden Senke und war daher gegen die Hauptwindrichtung sehr geschützt. Ca 200 m unterhalb des Startplatzes befand sich eine 10 bis 15 m hohe Baumgruppe. Notlandemöglichkeiten im Startbereich waren vor der Baumgruppe durch die Schiliftanlagen und eine Schihütte sehr eingeschränkt; sie sind nicht üblich. Bei mäßigem Wind von vorn ist das Startgelände grundsätzlich für einen Tandempassagier-Start geeignet.

Ein Start mit dem Paragleiter gliedert sich grundsätzlich in drei Phasen:

In der ersten Phase (Aufziehphase), die ca 1 bis 5 Sekunden dauert und einen 3 bis 4 m langen Weg braucht, der durch Gegenwind verkürzt werden kann, bildet sich das tragfähige Profil. Wenn die Schirmkappe beim Aufziehvorgang nicht richtig nach oben steigt, kann der Start durch einseitigen Steuerleinenzug in dieser Phase abgebrochen werden. In der zweiten Phase (Kontroll- und Korrekturphase) werden Kappe und Leinen vom Piloten durch einen Kontrollblick kontrolliert. Wenn das Profil senkrecht über dem Piloten steht und die Leinen frei sind, wird die Entscheidung zum Start getroffen. Pilot und Passagier befinden sich in einem langsamen Lauf oder gehen in einen langsamen Lauf über. Im Idealfall können sie bei ausreichendem Gegenwind von ca 10 bis 20 km/h in der Kontrollphase stehen bleiben. Erkennt der Pilot einen Mangel, kann der Start in dieser Phase abgebrochen werden. Die Kontrollphase dauert ca 1 bis 3 Sekunden.

In der dritten Phase (Beschleunigungsphase) beginnen Pilot und Passagier zu laufen, um die erforderliche Abhebegeschwindigkeit zu erreichen, die vom Gegenwind abhängig ist. Bei wenig Wind und flachem Startgelände wird eine längere, bei viel Wind und steilem Startgelände eine kurze Startstrecke benötigt. In der Beschleunigungsphase ist ein Startabbruch problematisch und schwer kontrolliert möglich.

Als erste startete die Lebensgefährtin des Klägers mit D*****, wobei sie nach einem Startlauf von nur 8 bis 10 Schritten abhoben und einen völlig problemlosen und ruhigen Flug absolvierten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte im Bereich des Startgeländes kein oder leichter Wind von vorne.

L*****, der seit August 2000 Paragleitpilot ist und bis zum Unfall 200 Tandem- und 300 Einzelflüge absolviert hatte, legte beim Startplatz den Schirm aus, sortierte die Leinen, zog dem Kläger das Gurtzeug an und kontrollierte, ob alles sitzt und passt. Er erklärte dem Kläger, dass er beim Starten „1, 2, 3 - laufen" sagen werde, dann beide zügig hinunterlaufen sollten und dass sich der Kläger nicht hinsetzen solle, bevor sie in der Luft seien und dass der Kläger sofort mit dem Laufen anhalten solle für den Fall, dass L***** „Stopp" sagt. Über die Länge des Startlaufes sagte er dem Kläger nichts, da diese von den Windbedingungen abhängig ist und an diesem Startplatz üblicherweise ca 5 bis 12 m beträgt. Auf das Kommando von L***** liefen beide los, wobei für den Kläger mit seinen Schischuhen im Neuschnee schwierige Bedingungen herrschten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte kein Wind oder nur sehr wenig Wind von vorne. Der Schirm füllte sich und kam hoch. Sie liefen ca 10 m bis zur Kante und darüber hinaus weiter 25 m den Hang hinunter, bevor sie mit dem Schirm abhoben. Im Zuge des Abhebens stolperte der Kläger, pendelte nach links und geriet mit dem Rucksackteil seines Gurtzeuges über die Längsstrebe der linken Spreize. Diese ist ein zugelassenes und geprüftes Verbindungsteil zwischen Pilot und Passagier und gibt beim Startlauf zwischen Pilot und Passagier einen Abstand vor. Dieser bewirkt, dass sich beide beim Laufen nicht oder nur wenig stören. Der Nachteil ist, dass es grundsätzlich möglich ist, dass sich der Passagier mit den Armen und mit dem Rucksackteil seinen Gurtsackes verhängen kann, da sich der Rückenteil des Passagiergurtzeuges beim Startlauf auf der Höhe der Verbindungsspreize befindet. Ein solches Verhängen des Passagiers in der Spreize kommt äußerst selten vor. Durch das Verhängen des Rucksackteiles in der Spreize blieb der Kläger verdreht auf der linken Seite des Piloten und kam quer zur Flugrichtung zu sitzen. Diese schiefe Sitzen des Klägers bewirkte ein einseitiges Absenken der Spreize und damit eine Richtungsänderung des Paragleiters nach links. L***** musste gegensteuern, um die Flugrichtung beizubehalten, indem er einseitig auf der rechten Seite bremste. Das Gegenbremsen verschlechterte die Flugleistung des Paragleiters und beeinträchtigte die Manövrierfähigkeit. Der Paragleiter verlor an Höhe und L***** konnte die Baumgruppe nicht mehr überfliegen. Er brachte zuerst den Kläger in die richtige Position und versuchte anschließend mit dem Paragleiter an den Baumwipfeln, die an einer Stelle etwas weiter auseinander standen, vorbeizukommen. Er hatte bei der gegebenen Situation keine andere Möglichkeit als zu versuchen, zwischen den Bäumen hindurchzusteuern, da eine sichere Notlandung nicht möglich war. Im Falle der Notlandung hätte er eine Steilkurve gegen den Hang fliegen müssen, was einen schweren Aufprall auf den Boden bedeutet hätte. Auch war die Flughöhe zu gering, um das Rettungsgerät auszulösen. Es gelang L***** nicht, an den Bäumen vorbeizukommen, weil der Paragleiter mit der rechten Stabiloleine am Ast eines Baumes hängen blieb. Dadurch drehten sich die Leinen um den Baum und blieben dort hängen. Der Kläger schlug mit der Brust gegen die Baumkrone. Der Ast, an dem der Paragleiter hing, brach ab und der Kläger und L***** stürzten etwa 5 bis 6 m auf den Boden.

L***** konnte grundsätzlich damit rechnen, dass er auch mit einer längeren Startstrecke auf Grund des Gesamtgewichtes und einem Abheben aus dem unteren Teil der Hangkante den Wald am unteren Bereich des Startgeländes sicher überfliegen konnte. Ein Fehler von L***** bei der Einschätzung der Startbedingungen oder bei der Durchführung des Startlaufes lag nicht vor.

Der Kläger erlitt durch den Absturz leichte Kompressionsfrakturen des 11. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels. Hinsichtlich des weiteren Behandlungs- und Heilungsverlaufes wird auf die diesbezüglichen Feststellungen in den Urteilen der Vorinstanzen verwiesen (§ 510 Abs 3 erster Satz ZPO).

Mit der am 30. 10. 2003 überreichten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von EUR 10.000,-- samt 4 % Zinsen seit 20. 4. 2003 (aus dem Titel des Schmerzengeldes) und erhob darüber hinaus auch ein Feststellungsbegehren zur Haftung für alle Folgen aus seinem Unfall vom 30. 12. 2002. Er brachte hiezu im Wesentlichen vor, dass der Start auf Grund der schlechten Wetter- und Windverhältnisse am Unfallstag vom ursprünglich vorgesehenen auf einen tiefer gelegenen Startplatz verlegt worden sei. Er sei durch seine Schischuhe in der Bewegung behindert gewesen. Der Tandempilot habe erklärt, dass dies kein Hindernis sei. Über das notwendige Verhalten vor und während des Fluges sei der Kläger kaum instruiert worden. Der Schirm sei nass und die Startposition eng gewesen. Der Kläger und sein Pilot seien die Startfläche von ca 25 m und weitere 40 bis 50 m über den anschließenden Hang hinuntergerannt. Obwohl L***** den Flug hätte abbrechen müssen, habe er dies nicht getan. Der Kläger und der Pilot seien abgehoben, hätten aber zu wenig Höhe erreicht und seien abgestürzt. Sollte sich der Kläger im Gurtzeug verfangen und der Schirm deshalb nach links auf die Bäume gezogen haben, hätte L***** nicht versuchen dürfen gegenzusteuern, sondern hätte sofort landen müssen. Die äußeren Verhältnisse seien für den Tandemflug nicht geeignet gewesen.

Der Kläger sei nicht umfassend aufgeklärt und auch nicht instruiert worden, dass die Gefahr bestünde, sich in der Spreize zu verfangen. Der gewählte Standort habe die Gefahr geborgen, dass bei einem Abbruch des Startes kein für eine Notlandung geeignetes Gelände zur Verfügung gestanden sei. Der Schirm sei nicht geeignet gewesen, weil er nass und feucht gewesen sei. Das Schuhwerk des Klägers habe die Gefahr des Stolperns mit sich gebracht und die thermischen Bedingungen seien zu gefährlich gewesen. Wäre der Kläger vor all diesen Gefahren gewarnt worden und insbesondere, dass sein Flug nicht „easy" sei, hätte er den Flug unterlassen und wäre nicht zu Schaden gekommen.

Auf Grund der dargestellten Verletzungen sei das begehrte Schmerzengeld angemessen sowie auch das Feststellungsbegehren gerechtfertigt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klageabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass perfekte Startbedingungen geherrscht hätten und auch der Startplatz richtig gewählt worden sei. Nach Anlegen und Kontrolle der Ausrüstung sei ein perfekter Start durchgeführt worden. Erst nach Abheben habe der Pilot festgestellt, dass sich der Kläger während des Startlaufes an der linken der Aufhängungswippen verhängt habe. Da der Kläger erst durch die Schwerkraft nach dem Abheben in eine Position neben dem Piloten anstatt vor ihm gezogen worden sei, habe dies der Pilot erst nach dem Abheben erkennen können. Durch die ungleichmäßige Belastung habe der Gleitschirm nach links wegzudrehen begonnen. Ein Startabbruch sei nicht mehr und ein Gegensteuern kaum mehr möglich gewesen, da die Gefahr eines Strömungsabrisses und eines damit verbundenen Absturzes bestanden habe. Erst nachdem der Pilot den Kläger verschoben und dadurch die Aufhängungswippe freibekommen habe, habe er die Flugrichtung korrigieren können. Die nicht vorhersehbare Situation sei auf eine unglückliche Bewegung des Klägers während des Startlaufes zurückzuführen gewesen. Der Pilot habe darauf so rasch wie möglich reagiert, habe aber einem Baum nicht mehr ausweichen können. Den Piloten treffe kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles, da er alle erforderlichen Maßnahmen getroffen habe. Es handle sich um einen auf höhere Gewalt zurückzuführenden unglücklichen Zufall, der das letzte wenn auch äußerst geringe Risiko bei der Ausübung eines Luftfahrsportes darstelle.

Die vom Kläger getragenen Schischuhe hätten auf den Unfall keinen Einfluss gehabt. Bei den vorliegenden Bedingungen sei ein Start mit Schischuhen möglich gewesen. Eine genaue Statistik für Unfälle bei Tandem-Flügen in Relation zur Zahl dieser Flüge bestehe nicht. Ausgehend von der im Jahr 2000 gemeldeten Anzahl von 4 Tandemunfällen mit Verletzungen des Passagiers und der hochgerechneten Anzahl von Tandemflügen ergebe sich eine geringe Unfallwahrscheinlichkeit, die weit unter 1 % im Promille-Bereich liege. Dem Kläger sei auf Grund der besonderen Art der Fortbewegung bekannt, dass ein Verletzungsrisiko gegeben sei und er habe keinesfalls davon ausgehen können, dass eine Verletzung absolut ausgeschlossen sei. In diesem Sinne habe sich der Kläger selbst in das Risiko eingelassen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und ging in seiner rechtlichen Beurteilung (zusammengefasst) davon aus, dass Paragleiter Luftfahrzeuge im Sinne des § 11 Abs 1 LFG seien. Zwischen Kläger und beklagter Partei sei ein Beförderungsvertrag nach dem LFG geschlossen worden. Die beklagte Partei sei daher Beförderer gemäß § 154 LFG; im Übrigen sei sie auch Halter des Paragleiters gemäß § 13 LFG. Aus dem Beförderungsvertrag hafte die beklagte Partei für alle Personenschäden, die ein Luftgast an Bord eines Luftfahrzeuges oder beim Ein- oder Aussteigen erleide, sowie für Schäden an Sachen, die der Fluggast an sich trage. Der Unfall habe sich an Bord des Paragleiters ereignet. § 154 LFG normiere eine Verschuldenshaftung, wobei die Beweislast für mangelndes Verschulden den Luftbeförderer treffe. Dieser hafte auch für Personen, deren er sich zur Erfüllung des Beförderungsvertrages bediene. Die beklagte Partei habe den Beweis erbringen können, dass Langner als Erfüllungsgehilfe kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe. Es sei auf einem grundsätzlich zum Start geeigneten Startplatz bei geeigneten Wind- und Wetterverhältnissen gestartet worden; das Verhängen des Klägers in der Spreize könne L***** nicht als Fehler angelastet werden. Aus dem zwischen Kläger und beklagter Partei abgeschlossenen Beförderungsvertrag resultierten jedoch auch Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten. Der Grad der Dilligenzpflicht der Beklagten sei im Sinne des § 1299 ABGB erhöht, da die Organisation und Durchführung von Tandemflügen eine besondere Sachkenntnis erfordere. Aus dieser vertraglichen Pflicht resultiere die Pflicht der Beklagten, den Kläger über die mit einem solchen Flug verbundenen Risken aufzuklären, was umso mehr gegeben sei, als der Kläger erkennbar völliger Anfänger gewesen sei und nach den Feststellungen schwierige Verhältnisse für den Start vorgelegen hätten. Wenn auch das Risiko eines Absturzes oder eines Startabbruches in der Beschleunigungsphase gering sei, da es insgesamt im Hinblick auf die durchgeführten Flüge zu Unfällen mit Personenschaden im Promillebereich komme, hätte der Kläger auf ein solches Risiko dennoch hingewiesen werden müssen. Die Gefährlichkeit eines Tandemfluges sei durch den Piloten und den Geschäftsführer der beklagten Partei in keiner Weise angesprochen worden. Beim Kläger sei vielmehr der Eindruck erweckt worden, dass ein solcher Flug völlig ungefährlich sei. Damit hafte die beklagte Partei dem Kläger für sämtliche Schäden, wobei eine Mithaftung des Klägers im Sinne des § 1304 ABGB nicht gegeben sei. Daher stünde ihm das von ihm begehrte und als angemessen zu betrachtende Schmerzengeld gemäß § 1325 ABGB zu; auch das Feststellungsbegehren sei berechtigt. Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,--, nicht jedoch EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus:

Weder der beklagten Partei noch dem für sie handelnden Piloten könne eine Verletzung der Aufklärungspflicht zur Last gelegt werden. Die Abwicklung des Fluges selbst sei nach den Feststellungen des Erstgerichtes sach- und fachgerecht erfolgt. Allein die erhöhte Stolpergefahr durch das Tragen von Schischuhen könnte keine Rolle spielen. Das Erstgericht habe hiezu zwar festgestellt, dass für den Kläger mit den Schischuhen schwierige Bedingungen herrschten; andererseits stehe aber unbekämpft fest, dass ein Fehler des Piloten bei der Einschätzung der Startbedingungen oder aber auch bei der Durchführung des Startlaufes nicht vorgelegen seien. Somit sei davon auszugehen, dass ungeachtet der dargestellten „schwierigeren Bedingungen" ein Fehler des Piloten nicht angenommen werden könne. Dazu komme noch, dass der Startlauf mit den Schischuhen an sich problemlos gelungen sei und erst im Zuge des Abhebens sich ein Stolpern ereignet habe, sodass insoweit also auch diese allfällige Erschwernis für die Einschätzung des Verschuldens nicht relevant sei. Auf dieser Grundlage bestehe also keine Haftung der beklagten Partei, wobei die diversionelle Erledigung des Strafverfahrens für das Zivilverfahren auch keine Bindungswirkung entfalten könne. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine erhebliche Rechtsfrage in der Richtung zu erblicken sei, in welchem Umfang bei sog Trend- und Risikosportarten wie der hier gegebenen eine Aufklärungspflicht des Unternehmers bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Darüber hinaus hat die beklagte Partei auch einen Kostenrekurs gegen das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz erhoben, in welchem beantragt wird, dem Kläger einen Prozesskostenersatz in Höhe von EUR 7.401,65 aufzuerlegen.

Die klagende Partei hat hiezu eine Rekursbeantwortung erstattet, in der die kostenpflichtige Zurückweisung des Kostenrekurses beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs samt Rekursbeantwortung ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig. Im Übrigen ist die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes angesichts der Abänderung dessen Entscheidung in der Hauptsache durch den Obersten Gerichtshof ohnedies hinfällig geworden.

In der Sache selbst ist die Revision der klagenden Partei sowohl zulässig als auch berechtigt.

Auszugehen ist hiebei von folgender hier maßgeblicher Rechtslage:

Vorauszuschicken ist, dass die wegen Verletzung vertraglicher (Neben-)Pflichten geltend gemachten Schadenersatzansprüche des Klägers zutreffend - mangels Rechtswahl nach Art 3 EVÜ - nach österreichischem Recht (Art 4 EVÜ) beurteilt wurden. Dies bildete im Übrigen zwischen den Streitteilen weder im Verfahren vor den unterinstanzlichen Gerichten noch nunmehr vor dem Obersten Gerichtshof einen Streitpunkt, sodass diesbezüglich keine weiterführenden Ausführungen erforderlich sind (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Hänge- und Paragleiter sind nach der Definition des § 11 Abs 1 LFG Luftfahrzeuge (RIS-Justiz RS0066685). Die Haftung für Körperverletzungen oder Gesundheitsschädigungen eines Fluggastes aus dem Beförderungsvertrag (hiezu jüngst mwN 2 Ob 146/05t) regelt der zweite Abschnitt des LFG, ds die §§ 154 ff leg cit (idF der Nov BGBl I 1997/102). Nach § 154 Abs 1 LFG haftet der (vertraglich verpflichtete) Beförderer für den Ersatz des Schadens, wenn ein Fluggast an Bord eines Luftfahrzeuges getötet oder am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wird. Von einem solchen (entgeltlichen) Beförderungsvertrag zwischen den Streitteilen ist auch hier auszugehen. Eine Ersatzpflicht des Beförderers im Sinne des § 154 Abs 1 LFG tritt nach § 155 LFG nur dann nicht ein, „wenn er beweist, dass er, seine Leute und sonstige Personen, deren er sich zur Erfüllung des Beförderungsvertrages bedient, alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten". Die Haftung des Beförderers ist damit als Verschuldenshaftung konzipiert, wobei die Beweislast für mangelndes Verschulden den Luftbeförderer trifft (RV 758 BlgNR

20. GP, 21 [zu § 155 LFG]; Dittrich/Tades, ABGB II Nebengesetze36 626 Anm 1 zu § 155 LFG). Trifft den Geschädigten ein (eigenes) Verschulden, so ist gemäß § 157 LFG § 1304 ABGB sinngemäß sowie auf die Ersatzansprüche gemäß § 158 LFG grundsätzlich das ABGB anzuwenden.

Auch wenn es sich beim Paragleiten (gleichermaßen ob allein oder im Tandemflug) um eine typische Risikosportart handelt, bei welcher die Teilnahme grundsätzlich (auch) auf eigenes Risiko geschieht, so trifft doch den Betreiber und Veranstalter einer solchen Sportart, der auch das dafür notwendige Sportgerät zur Verfügung stellt, jedenfalls eine entsprechende Sorgfalts- und Aufklärungspflicht über die Sicherheitsrisken betreffenden Umstände; nur so wird der Teilnehmer nämlich in die Lage versetzt, diese auch ausreichend und umfänglich abzuschätzen, wobei die Schilderung, Aufklärung und Beratung (Belehrung) so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der hievon Angesprochene der (möglichen) Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abzuschätzen in der Lage ist. Nur typischerweise verbundene Gefährdungen können als typisches Risiko angesehen werden, wobei die Frage, ob ein schadenersatzbegründendes Verhalten vorliegt, nur unter Heranziehung der für die konkrete Sportart geltenden Regeln oder Reglements zu beantworten ist (2 Ob 42/95 = SZ 68/141: Segelregatta). Allein aus der Tatsache der Teilnahme an einer mit gewissen Risken behafteten Sportart kann auch kein Verzicht auf Schadenersatzansprüche abgeleitet werden (SZ 68/141). Die Abschluss(risiko)bereitschaft des eine solche Risikosportart ausübenden Teilnehmers, der sich einer naturgemäß durchaus offenkundigen Gefahr (Gefährdung), nämlich jener eines auch möglichen Absturzes aussetzt, darf jedenfalls nicht durch eine unrealistisch geprägte Erwartungshaltung und mit der Verlockung des Genusserlebnisses allein geweckt werden (zum letztgenannten Kriterium vgl 1 Ob 400/97y = SZ 71/58: Snow-Rafting). Werden diese Grundsätze auf den hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt übertragen, so ergibt sich Folgendes:

Für den Geschäftsführer und den Piloten der beklagten Partei war es von besonderem Interesse, den Kläger und seine Lebensgefährtin als Passagiere für Tandemflüge zu gewinnen. Sie verstanden es, beide durch Schilderungen („easy und super") zu begeistern, ohne allfällige mit einem solchen Flug verbundene Gefahren anzusprechen; auch die vom Kläger artikulierten Bedenken eines Startes mit Schischuhen wurden nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ausdrücklich verworfen, obwohl in der Folge das zum Unfall führende Stolpern, Hineingeraten in die Spreize samt Veränderung der Flugrichtung mit Höhenverlust und Abkommen in die Baumgruppe in einem kausalen Zusammenhang mit diesem Schuhwerk standen, und auch die Startbedingungen im Neuschnee (gegenüber trockenem Boden) schwieriger waren. Bei einer solchen Situation kann auch nicht gesagt werden, der Kläger hätte - wäre ihm eine entsprechende Warnung und Belehrung zuteil geworden - die Risikosportart trotzdem ausgeführt und nicht hievon Abstand genommen. Der für die Verschuldensfrage erforderliche Sachverhalt steht damit ausreichend positiv fest. Die beklagte Partei (deren Geschäftsführer bzw als Erfüllungsgehilfe zu qualifizierender Pilot) hätten den Kläger auf dieses konkrete Risiko (samt damit verbundenem Absturzrisiko) jedenfalls hinweisen müssen, sodass - entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes - sehr wohl von einer Aufklärungspflichtverletzung (als Nebenpflicht zum eigentlichen Beförderungsvertrag) ausgegangen werden muss. Von einer dem Kläger, der ja für diese sportliche Betätigung Neuling war und bei dem es sich auch um seinen allerersten Abflug handelte, bekannten oder auch nur erkennbaren Gefahrenlage, welche die beklagte Partei von einer derartigen Belehrungs- und Aufklärungspflicht unter Umständen entbunden hätte, kann damit ebenfalls keine Rede sein. In Stattgebung der Revision war daher das bekämpfte Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils abzuändern. Für ein haftungsminderndes Mitverschulden des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte. Die Höhe des Klagebegehrens bildet im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt mehr. Da Spät- oder Dauerfolgen nicht ausgeschlossen werden können, ist auch das (gleichfalls nicht bestrittene) Feststellungsinteresse nach § 228 ZPO zu bejahen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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