Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung
Der am 30. 4. 2005 verstorbene Erblasser hinterließ zwei Kinder (Sohn und Tochter) sowie zwei inzwischen volljährige Enkelkinder, nämlich Alice M***** und Christoph B*****. Mit letztwilliger Verfügung vom 24. 1. 2005 bestimmte er, dass seine beiden Kinder aufgrund ihres Verhaltens ihm gegenüber enterbt sein sollten. Weiters setzte er seine Enkelin Alice zur „Erbin hinsichtlich seiner Liegenschaft" ein; seine Lebensgefährtin sollte ein noch „abzutrennendes" Grundstück sowie ein Legat von 700 EUR pro Monat erhalten. Die Enkelin sollte überdies die Verpflichtung der Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots zu Gunsten der Lebensgefährtin tragen.
Mit Erbantrittserklärung vom 28. 10. 2005 gab diese Enkelin zum gesamten Nachlass eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Sie stützte sich dabei auf die gesetzliche Erbfolge und „hilfsweise" auf das Testament vom 24. 1. 2005. Die beiden leiblichen Kinder des Verstorbenen anerkannten das von der Enkelin behauptete Erbrecht, machten ihre Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass geltend und stimmten auch der Verwaltung der Verlassenschaft durch die Enkelin zu (ON 37).
Mit Schriftsatz vom 25. 7. 2006 gab der weitere Enkel Christoph eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass aufgrund des Gesetzes ab und beantragte die Enthebung der Enkelin Alice samt gleichzeitiger Bestellung eines Nachlasskurators (ON 56). Vor dem Gerichtskommissär schränkte er am 4. 10. 2006 diese Erbantrittserklärung auf die Hälfte des Nachlasses ein und erklärte, diese bedingt abzugeben (ON 60).
Mit Schriftsatz vom 29. 11. 2006 beantragte die Lebensgefährtin des Verstorbenen die Absonderung des Nachlasses und die Einsetzung eines Separationskurators (ON 67). Zu 57 Cg 127/06z des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien hat sie überdies eine Klage auf Zahlung des Legats von 700 EUR pro Monat von Juni 2005 bis Oktober 2006 gegen die Enkelin Alice M***** eingebracht, worüber noch nicht entschieden ist.
Mit Beschluss vom 23. 10. 2006 bestellte das Erstgericht Rechtsanwalt Mag. Christoff B***** gemäß § 811 ABGB zum Verlassenschaftskurator und sprach weiters aus, dass zugleich mit dieser Bestellung die Vertretungsbefugnis der Alice M***** gemäß § 810 ABGB in dieser Verlassenschaftssache endet; eine ausgestellte Amtsbestätigung sei dem Gericht rückzuübermitteln (ON 63).
Begründend führte das Erstgericht aus, dass seit dem Zeitpunkt der Erbantrittserklärung des Christoph B***** widerstreitende Erbserklärungen vorlägen. Für den Fall der Uneinigkeit gemeinschaftlich Verwaltungsbefugter sowohl über die Art der Vertretung als auch über einzelne Vertretungshandlungen sei vom Verlassenschaftsgericht ein Verlassenschaftskurator zu bestellen. Das gleiche gelte dann, wenn aufgrund einer nachträglichen Erbantrittserklärung das Verfahren über das Erbrecht einzuleiten sei. Aufgrund des Widerspruchs der Erbantrittserklärungen, aber auch bei der Behandlung des Unterhaltslegats der Lebensgefährtin sei ein Verlassenschaftskurator mit der Vertretung der Verlassenschaft zu betrauen, um die ordentliche Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens zu gewährleisten. Besonders im Hinblick auf das für die Verlassenschaft zu führende Verfahren hinsichtlich der Begräbniskosten sei ein Rechtsanwalt zur Vertretung der Verlassenschaft zu bestimmen.
Mit weiterem Beschluss vom 10. 1. 2007 bewilligte das Erstgericht über Antrag der Lebensgefährtin die Absonderung des Nachlasses gemäß § 812 ABGB, bestellte Rechtsanwalt Dr. Wolfgang R***** zum Separationskurator und ordnete ob der im Eigentum des Verstorbenen gestandenen Liegenschaft die Anmerkung der Bestellung dieses Kurators im Grundbuch an (ON 70).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Alice M***** gegen den ersten Beschluss (vom 23. 10. 2006) nicht Folge, sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Mit gleichem Beschluss gab es dem weiteren Rekurs der Genannten hingegen Folge und änderte den zweiten Beschluss (vom 10. 1. 2007) dahin ab, dass die entsprechenden Anträge der Lebensgefährtin (Nachlassseparation und Bestellung eines Separationskurators) abgewiesen wurden. Dieser Beschlussteil blieb unbekämpft und ist damit in Rechtskraft erwachsen.
Zum ersten Beschlussteil führte das Rekursgericht aus, nach der Rechtslage vor dem Außerstreitgesetz 2005 habe gegolten, dass die Verwaltung, die gemäß § 810 ABGB einem ursprünglich hinreichend ausgewiesenen Erben übertragen wurde, diesem nicht wieder hätte entzogen werden können, wenn erst später das Erbrecht durch mehrere Erbprätendenten streitig geworden sei. In der nunmehr in Geltung stehenden neuen Bestimmung des § 173 Abs 1 AußStrG habe der Gesetzgeber klargelegt, dass für den Fall, dass in Einzelfragen zwischen den Erbprätendenten kein Einvernehmen zu erzielen oder wenn aufgrund einer nachträglichen Erbantrittserklärung das Verfahren über das Erbrecht einzuleiten sei, das Verlassenschaftsgericht einen Verlassenschaftskurator zu bestellen habe. Diese klare und einfache Regelung habe nach den Materialien auch den Zweck, Verwaltungsprozesse zu ersparen und eindeutige Verhältnisse im Interesse des Verkehrsschutzes zu schaffen. Daher sei für den Fall der Uneinigkeit gemeinschaftlicher Verwaltungsbefugter sowohl über die Art der Vertretung als auch über einzelne Vertretungshandlungen vom Verlassenschaftsgericht ein Verlassenschaftskurator zu bestellen, ebenso wenn das Erbrecht erst nach Abgabe einer Erbantrittserklärung durch widersprechende Erbantrittserklärungen strittig werde und Bedarf vorliege. Damit endeten alle anderen Vertretungsbefugnisse.
Im vorliegenden Fall bestünden zwischen den Erbserklärten Alice M***** und Christoph B*****, der erst nach Übertragung der Vertretungsbefugnisse der ersteren eine Erbserklärung abgegeben habe, derartige Differenzen wegen der Verwaltung des Nachlasses; letzterer bevorzuge die Verwaltung des Nachlasses durch eine unabhängige rechtskundige Person, erstere beabsichtige hingegen die Verwaltung selbst durchzuführen. Es liege also kein Einvernehmen betreffend die Verwaltung vor, weiters seien widerstreitende Erbantrittserklärungen abgegeben worden. Die Uneinigkeit der Erbrechtsprätendenten sowie deren widerstreitende Erbantrittserklärungen wiesen klar den Bedarf nach Bestellung eines Verlassenschaftskurators aus. Die Argumentation der Rechtsmittelwerberin, wonach eine nachträglich abgegebene widersprechende Erbantrittserklärung auf die einem Erben - ex lege - zustehende Verwaltungs‑ und Vertretungsbefugnis keinen Einfluss habe, und aus diesem Grund die Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht erforderlich sei (EvBl 1950/434), treffe für die neue Rechtslage nicht mehr zu. Die zitierte Entscheidung sei zur alten Rechtslage ergangen und könne auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht mehr angewendet werden.
Zur Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses führte das Rekursgericht aus, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht dazu Stellung genommen habe, ob diese früher vertretene Rechtsansicht zur neuen Rechtsordnung noch aufrecht erhalten werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der erblasserischen Enkelin Alice mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators abgewiesen werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grunde zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin wiederholt in ihrem Rechtsmittel (zusammengefasst) den Standpunkt, dass es keinen Grund gebe, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach eine erst nachträglich abgegebene Erbantrittserklärung eines Erbprätendenten die einem anderen Erbprätendenten gemäß § 810 ABGB übertragene Besorgung und Verwaltung des Nachlasses unberührt lasse; auch nach der neuen Rechtslage gemäß § 173 Abs 1 AußStrG sei diese Rechtsprechung weiterhin anzuwenden, zumal es sich bei der Verwaltungs‑ und Vertretungsbefugnis gemäß § 810 ABGB um ein dem Erben ex lege zustehendes Recht handle. Außerdem sei die Bestellung eines Verlassenschaftskurators im gegenständlichen Fall auch nicht erforderlich, da der Rechtsmittelwerberin als erbantrittserklärter Erbin bereits die Verwaltung und Vertretung des Nachlasses zukomme, sie bereits monatelang diese aufgrund einer gemäß § 172 AußStrG ausgestellten Amtsbestätigung ohne jegliche Beanstandungen besorgt habe, weiters bereits ein Inventar über die Aktiva und Passiva der Verlassenschaft errichtet worden sowie die Aufforderung des Verlassenschaftsgerichts ergangen sei, Schlussanträge zu stellen, und erst aufgrund einer neun Monate nach der Erbantrittserklärung der Revisionsrekurswerberin abgegebenen weiteren Erbantrittserklärung ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten sei. Es lägen daher keine Gründe vor, welche die Bestellung eines Verlassenschaftskurators erforderlich machen würden.
Hiezu ist Folgendes zu erwidern:
Nach § 810 Abs 1 ABGB hat „der Erbe, der bei Antretung der Erbschaft sein Erbrecht hinreichend ausweist, das Recht, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet. Trifft dies auf mehrere Personen zu, so üben sie dieses Recht gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren." Nach § 171 AußStrG wird „jede Änderung der Art der Vertretung der Verlassenschaft (§ 810 ABGB) mit dem Zeitpunkt wirksam, mit dem sie dem Gericht oder dem Gerichtskommissär von allen vertretungsbefugten Erbansprechern angezeigt wird". „Einigen sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht oder ist ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten (§§ 160 ff AußStrG), so hat das Verlassenschaftsgericht" gemäß § 173 Abs 1 AußStrG „erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Die Vertretungsbefugnis anderer Personen endet mit der Bestellung des Verlassenschaftskurators". „Ändern sich die Vertretungsverhältnisse während des Verfahrens, so hat der Gerichtskommissär die dadurch überholten Amtsbestätigungen von den Empfängern abzufordern" (§ 173 Abs 2 AußStrG).
Nach ständiger Rechtsprechung haben die erbantrittserklärten Erben somit ein subjektives Recht auf die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft (§ 810 Abs 1 ABGB). Diese Befugnisse kommen ihnen (im Gegensatz zum Wortlaut der Bestimmung vor dem FamErbRÄG 2004: „ist ihm die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zu überlassen" vertretenen Annahme eines konstitutiven Überlassungsbeschlusses) - wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannte - nunmehr ohne Gerichtsbeschluss ex lege zu; zum Nachweis der Vertretungsbefugnis dient jetzt aber eine gemäß § 172 AußStrG vom Gerichtskommissär auf Antrag nach der Aktenlage auszustellende Amtsbestätigung, wobei diesem von § 173 Abs 2 AußStrG auch aufgetragen wird, durch Änderung der Verhältnisse überholte Bestätigungen (wieder) „abzufordern" (10 Ob 3/07z mwN).
Grundregel der neuen Bestimmungen ist darüber hinaus die gemeinschaftliche Ausübung des Rechts der Nachlassverwaltung (Bittner in Rechberger, AußStrG § 171 Rz 8; Sailer in KBB, ABGB2 § 810 Rz 4). Aus den insoweit klaren Gesetzeswortlauten folgt, dass nachträgliche Änderungen ‑ wozu auch das Neuhinzukommen allfälliger ihrerseits vertretungsbefugter Erbansprecher zu zählen ist - damit grundsätzlich auch zu einer Änderung der Art der Vertretung und unter Umständen damit auch der Person des Vertretungsbefugten der Verlassenschaft führen können und es dem Verlassenschaftsgericht sodann obliegt, diesbezüglich erforderlichenfalls „anderes anzuordnen". Demgemäß sieht auch § 173 Abs 1 AußStrG iVm den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG zu § 171) ausdrücklich vor, dass - im auch hier gegebenen - Fall der Uneinigkeit „erforderlichenfalls mit der Bestellung eines Verlassenschaftskurators vorzugehen" ist (so auch Fucik/Kloiber, aaO Rz 2); als solchen Fall der Uneinigkeit nennen die Materialien weiters ausdrücklich auch die hier gegebene Konstellation, „wenn auf Grund einer nachträglichen Erbantrittserklärung das Verfahren über das Erbrecht einzuleiten ist" (abgedruckt wiederum in Fucik/Kloiber, aaO zu § 173). In einem solchen Fall ist die Benützung und Verwaltung der Verlassenschaft durch einen Gerichtsbeschluss im Sinne des § 810 Abs 1 ABGB zu widerrufen oder (wenn möglich) detailliert neu zu regeln (Bittner, aaO § 173 Rz 1).
Aus all dem folgert, dass jene Rechtsprechung (EvBl 1950/434; RZ 1967, 108; RIS‑Justiz RS0008057), wonach eine widersprechende Erbserklärung einer anderen Person zu keiner Änderung der gerichtlichen „Verfügung", mittels welcher einem Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übergeben wurde, führt, nach neuer Rechtslage nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Vielmehr kann - insoweit die alte Rechtslage allerdings fortschreibend - bei widerstreitenden Erbserklärungen (nunmehr: Erbantrittserklärungen) keinem der Erbansprecher die Besorgung und Verwaltung (mehr) überlassen werden (RIS‑Justiz RS0007991; RS0007761). Auch Spitzer, Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses (§ 810 ABGB neu), NZ 2006, 33 (37) tritt dafür ein, in einem solchen Fall erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen, dessen Bestellung „alle sonstigen Vertretungsbefugnisse beendet".
Auch an der „Erforderlichkeit" im Sinne des § 173 Abs 1 AußStrG kann vorliegendenfalls nicht ernsthaft gezweifelt werden. Immer dann, wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, sind schon aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse zu schaffen. Dazu kommt der zwar nicht im Einzelnen festgestellte, jedoch von der Rechtsmittelwerberin nicht bestrittene Rechtsstreit mit der Lebensgefährtin im Zusammenhang mit den getragenen Begräbniskosten sowie schlussendlich das gemäß den §§ 160 ff AußStrG noch ausständige Verfahren aufgrund der widersprechenden Erbantrittserklärungen der beiden erblasserischen Enkel.
Damit ist die rekursgerichtliche Entscheidung zu bestätigen und dem hiegegen ankämpfenden Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
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