OGH 2Ob240/01k

OGH2Ob240/01k18.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwalt, Dr. Karl Lueger Ring 12, 1010 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H*****aktiengesellschaft, vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH (nunmehr: S***** AG), ***** vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 4,592.428 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Juli 2001, GZ 3 R 213/00s-23, womit das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. September 2000, GZ 10 Cg 21/98p-19, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

31.185 (darin S 5.197,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Vorgeschichte wird auf die in dieser Rechtssache bereits ergangene Entscheidung 2 Ob 27/00k = tw RdW 2000/377 = tw ZIK 2000/288 verwiesen.

Im fortgesetzten Verfahren stellte der Kläger außer Streit, dass der Beklagten aus der ARGE Lassallestraße eine den Betrag von S 3,109.115 übersteigende Gegenforderung zustehe. Die Beklagte habe das Abschichtungsguthaben aus dieser ARGE im Konkurs der Gemeinschuldnerin angemeldet, eine Zwischenverteilungsquote erhalten und angenommen. Der dadurch nicht gedeckte Teil der Gegenforderung übersteige jedoch die als fällig und zu Recht bestehend erkannte Klagsforderung von S 3,109.115.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit Teilurteil schuldig, dem Kläger S 3,109.115 sA zu bezahlen. Die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung wies es bis zur Höhe des Betrages von S 3,109.115 ab, weil eine Aufrechnung bereits gemäß § 20 KO unzulässig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten im Kostenpunkt teilweise, in der Hauptsache hingegen nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte ua Folgendes aus:

Die im zweiten Rechtsgang primär zu lösende Rechtsfrage sei, ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung in Ansehung der Bestimmung des § 20 KO zulässig sei oder nicht. Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, sei nach den konkursrechtlichen Bestimmungen die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden sei. Entscheidend sei damit, zu welchem Zeitpunkt im Verhältnis zur Konkurseröffnung die wechselseitigen Ansprüche auf das Guthaben aus den Abschichtungsbilanzen der Arbeitsgemeinschaften entstanden seien.

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Aufrechnung von Forderungen gegen das Abschichtungsguthaben des in Konkurs verfallenen Kommanditsten sei auch im Bereich der hier strittigen Bau-ARGE anwendbar. Auch aufgrund der dem Gesellschaftsvertrag zugrundegelegten Bestimmungen der GO 1991 könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Abschichtungsanspruch als Gewinnanspruch bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages "entstanden" sei. Der Abschichtungsanspruch sei wohl im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz vorgezeichnet, doch konkretisiere er sich erst beim Ausscheiden des Gesellschafters nach Maßgabe der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt. Vor Beendigung der Auseinandersetzung (bzw der Abschichtungsbilanz) sei es überhaupt ungewiss, ob dem Gesellschafter eine Geldforderung zustehe. Wohl entstehe zB beim Werkvertrag der Anspruch auf Werklohn bereits bei Abschluss des Vertrages, allerdings liege ein maßgeblicher Unterschied zum gesellschaftsvertraglichen Abschichtungsanspruch darin, dass der Anspruch auf Werklohn von vornherein bestimmt oder zumindest bestimmbar sei. Demnach erweise sich die von der Beklagten angestrebte Aufrechnung in Hinblick auf die konkursrechtlichen Aufrechnungsbestimmungen als unzulässig.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil gegen die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Entstehenszeitpunkt des Abschichtungsanspruches des aus einer Kommanditgesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters in der Lehre (vgl Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, §§ 19, 20 KO Rz 51) nicht gänzlich von der Hand zu weisende Kritik geübt worden sei und sich der Oberste Gerichtshof bislang zu diesen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Bau-ARGE nicht geäußert habe.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Gegenforderung der Beklagten bis zur Höhe der Klagsforderung, sohin mit S 3,109.115 als zu Recht bestehend festgestellt und das Klagebegehren in diesem Umfang abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, die Aufrechnung sei gemäß § 19 Abs 2 KO zulässig, weil der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben seinem Kern nach bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages entstanden sei; die diesbezügliche Judikatur zu handelsrechtlichen Gesellschaften könne auf eine Bau-ARGE nicht angewendet werden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Der erkennende Senat hat in diesem Verfahren bereits zu 2 Ob 27/00h auf die Rechtsprechung hingewiesen, derzufolge der Auseinandersetzungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bereits mit dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des Ausscheidens entsteht, womit über die Fälligkeit des Anspruchs noch nichts ausgesagt ist (SZ 65/107 = JBl 1993, 108). Eine den Obersten Gerichtshof im fortgesetzten Verfahren selbst bindende Rechtsmeinung liegt damit aber nicht vor, weil in 2 Ob 27/00k nur die Fälligkeit eines Teiles der Klagsforderung geprüft und bejaht wurde, während die Gegenforderung und deren Aufrechenbarkeit ausdrücklich unerörtert blieben.

Die Aufrechnung im Konkurs ist in den §§ 19, 20 KO geregelt. Danach lässt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich die bereits vorher bestandene Möglichkeit der Aufrechnung unberührt. Die Forderungen müssen sich also bei Konkurseröffnung bereits aufrechenbar gegenüber gestanden haben. Entsteht eine der Forderungen erst durch die oder nach der Konkurseröffnung, fehlt es an dieser Voraussetzung der Aufrechenbarkeit. Allerdings schadet die Bedingtheit oder Befristetheit einer Forderung nicht. Eine aufrechenbare Forderung braucht im Konkurs auch nicht geltend gemacht zu werden. Es entspricht dies einem Gebot der Billigkeit, weil der Schuldner vielfach im Hinblick auf seine Verbindlichkeit Kredit gewähren und sich mit einer unbesicherten Forderung begnügen wird. Der Aufrechnung kommt aber neben der Tilgungsfunktion auch Selbsthilfe- und Sicherungsfunktion zu. Der aufrechnungsberechtigte Gläubiger hat in der Gegenforderung eine Deckung, die einem Absonderungsrecht vergleichbar ist. Diese Deckung soll dem Gläubiger auch im Insolvenzverfahren erhalten bleiben. Es wäre unbillig, wollte man von ihm volle Zahlung verlangen, wogegen er für seine Forderung nur die Konkursquote erhielte. Die §§ 19, 20 KO schützen somit das Vertrauen in die bestehende Aufrechnungslage (Schubert in Schubert/Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen §§ 19, 20 KO Rz 3 mwN; Gamerith in Buchegger/Bartsch/Pollak, Österr. Insolvenzrecht4 § 13 KO Rz 1, 7 ff mwN).

Nach herrschender Ansicht entsteht der Abfindungsanspruch des aus einer Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafters erst im Zeitpunkt seines Ausscheidens (Koppensteiner in Straube**2 Art 7 Nr 15, 16 EVHGB [nach § 138 HGB] Rz 17 mwN; Jabornegg in Jabornegg § 138 HGB Rz 31 mwN). Hieraus hat die Rechtsprechung den Schluss gezogen, dass eine Aufrechnung zwischen diesem Abfindungsanspruch und einer Forderung der Gesellschaft gemäß § 20 Abs 1 KO unzulässig ist (6 Ob 621/83 = SZ 56/128; 3 Ob 504/86 = WBl 1987, 65; 8 Ob 25/89 = RdW 1991, 13; vgl RIS-Justiz RS0061727).

Diese Auffassung wurde von König, Aufrechnung mit dem gesellschaftsrechtlichen Abfindungsanspruch im Konkurs des Gesellschafters, WBl 1987, 52, kritisiert, weil der Abfindungsanspruch im Gesellschaftsvertrag wurzle und daher im Kern vor Konkurseröffnung entstanden sei. Dieser Kritik haben sich (nach Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht II4 237) jüngst Schubert aaO Rz 51 und Gamerith aaO Rz 12 - die ebenfalls einem erweiterten konkursrechtlichen Bedingungsbegriff anhängen - angeschlossen; beide Autoren berufen sich auf die Entscheidung 8 Ob 16/94 = SZ 68/28, die allerdings zu einem nicht unmittelbar gleichgelagerten Sachverhalt ergangen ist (bejaht wurde dort die Zulässigkeit der Aufrechnung des Masseverwalters im Konkurs der Kommanditgesellschaft gegen den Abfindungsanspruch des Kommanditisten mit der - durch die Rückzahlung der Einlage bedingten - Forderung der Altgläubiger auf Leistung der Hafteinlage, weil im Konkurs auch bedingte und betagte Forderungen aufgerechnet werden könnten).

Hingegen ist Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 328 f mwN, der Auffassung von König schon deshalb nicht gefolgt, weil sie eine Bedingungskonstruktion (auch) für gesellschaftsrechtliche Abfindungsansprüche ablehnt.

Zur ähnlichen deutschen Rechtslage wird vertreten, dass es sich beim Auseinandersetzungs/Abfindungsanspruch nicht um einen bereits bestehenden, sondern um einen künftigen Anspruch handelt, der erst mit dem Ausscheiden des Gesellschafters oder der Auflösung der Gesellschaft entsteht; mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages sei er jedoch seinem Kern nach bereits vorhanden und daher den in § 54 Abs 1 dKO aufgeführten Forderungen gleichzustellen (BGH NJW 1989, 453; Kuhn/Uhlenbruck11 § 54 dKO Rz 6).

Im vorliegenden Fall stellen sich sowohl Klagsforderung als auch Gegenforderung als - im Sinne der herrschenden Ansicht im Zeitpunkt der Konkurseröffnung entstehende - Ansprüche aus Abschichtungsbilanzen (verschiedener Arbeitsgemeinschaften) dar. Diese wechselseitigen Ansprüche würden nur dann nicht unter § 20 Abs 1 Satz 1 KO fallen, wenn es sich - im Sinne der literarischen Gegenmeinungen - um bedingte Forderungen im Sinne des § 19 Abs 2 KO handelte. Diese Bestimmung erleichtert die Aufrechnung im Konkurs, damit sie zur sofortigen Schuldenbereinigung führt (Gamerith aaO Rz 22): Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt war. Eine Forderung ist bedingt, wenn ihr Entstehen oder ihr Erlöschen nach dem Parteiwillen von einem künftigen, ungewissen Ereignis abhängt (§§ 696, 897 ABGB). Das Fehlen einer gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung kann aber nicht schlechthin mit dem Vorhandensein einer Bedingung gleichgesetzt werden (vgl Dullinger aaO 315, 329; vgl auch Gamerith aaO Rz 23 bei FN 135).

Jedenfalls für den vorliegenden Fall ist der erkennende Senat der Ansicht, dass die Lösung nicht mit Hilfe eines "erweiterten konkursrechtlichen Bedingungsbegriffes" zu suchen ist. Gegen diesen Versuch, von der Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 20 Abs 1 KO zur Zulässigkeit gemäß § 19 KO zu gelangen, spricht insbesondere, dass hier kein schutzwürdiges Vertrauen in eine schon bestehende Aufrechnungslage zu erkennen ist. Anders als in einschlägigen werk- oder kaufvertraglichen Beispielen kann hier nicht gesagt werden, ein Schuldner hätte in Hinblick auf seine Verbindlichkeit Kredit gewährt; so gibt es etwa keinerlei Anhaltspunkt dafür, die Beklagte hätte mit der nunmehrigen Gemeinschuldnerin die Gesellschaftsverträge über die Arbeitsgemeinschaften, aus deren Abschichtungsbilanzen ihre Gegenforderung herrührt, in der Erwartung einer "Besicherung" solcher Forderungen durch die eigenen Verbindlichkeiten aus den Abschichtungsbilanzen anderer Arbeitsgemeinschaften (Klagsforderung) abgeschlossen. Vielmehr konnte wohl bei keiner dieser Arbeitsgemeinschaften von vornherein abgesehen werden, welche Beträge sich zu wessen Gunsten bei Beendigung der Gesellschaftsverhältnisse ergeben würden. Die Selbsthilfe- und Sicherungsfunktion der Aufrechnung kann hier nicht zum Tragen kommen. Der erkennende Senat sieht sich somit im vorliegenden Fall nicht veranlasst, von der in Teilen der Lehre kritisierten ständigen Rechtsprechung abzugehen.

Bereits in 8 Ob 630/91 = SZ 65/107 wurde unter Hinweis auf die vergleichbare Rechtslage im Recht der OHG ausgeführt, dass bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Auseinandersetzungsanspruch mit dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des Ausscheidens eines ausgeschlossenen Gesellschafters entsteht. Auch die oben angestellten konkursrechtlichen Erwägungen gelten im Fall von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (zu denen Arbeitsgemeinschaften zählen) gleichermaßen (vgl Hecht, ARGE-Gesellschafter im Konkurs: Aufrechnung gegen Abschichtungsguthaben, RdW 1998, 325; vgl auch Gamerith aaO Rz 13 letzter Absatz). Dass sich aus der den Gesellschaftsverträgen zugrundeliegenden GO 1991 anderes ergeben würde, ist nicht nachvollziehbar.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl die Klagsforderung als auch die außer Streit gestellte Gegenforderung erst mit Konkurseröffnung entstanden sind; zu einer Aufrechnungslage ist es vor diesem Zeitpunkt nicht gekommen (vgl RIS-Justiz RS0064363). Die Vorinstanzen haben die Kompensationseinwendung der Beklagten somit zu Recht wegen gemäß § 20 Abs 1 KO fehlender Aufrechenbarkeit abgewiesen, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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