OGH 2Ob2398/96b

OGH2Ob2398/96b10.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang Sch*****, vertreten durch Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Alois F*****, 2. August G*****, 3. Ewald H*****, 4. Josef K*****, 5. Johann L***** und 6. Josef W*****, alle vertreten durch Dr.Helmut Klement und Dr.Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 81.545 sA, infolge Revision der erst- bis drittbeklagten sowie der fünft- bis sechstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 11.September 1996, GZ 5 R 281/96x-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Stainz vom 15.Mai 1996, GZ 1 C 247/95x-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung der Stattgebung des Klagebegehrens gegen den Viertbeklagten als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagten sind Mitglieder einer Jagdgesellschaft in der Steiermark; der Erstbeklagte ist deren Obmann. Die Jagdgesellschaft führte am 23.10.1994 eine Gesellschaftsjagd auf Niederwild in Form einer Treibjagd durch. Jagdleiter bei dieser Jagd war der Viertbeklagte. Der Erst-, Dritt- und Sechstbeklagte nahmen an der Jagd nicht teil. Im Zuge dieser Treibjagd durchtrieben die Treiber ein ca 30 breites und ca 300 Meter langes rechteckiges Maisfeld vom Westen nach Osten. Westlich von diesem Maisfeld verläuft in einer Entfernung von ca 20 Metern die Bundesstraße B 76. Während der Treibjagd sprang ein durch die Jagd aufgehetztes Reh aus der südlichen Maisfeldhälfte hinaus und lief in Richtung Bundesstraße. Das Reh sprang auf die Straße und kollidierte dort mit dem PKW des Klägers, der dadurch einen Schaden von S 81.545 erlitt.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Ersatz seines Schadens. Das Reh sei im Zuge der von den Beklagten organisierten Treibjagd auf die Straße getrieben worden. Es seien weder auf die Treibjagd weisende Hinweiszeichen aufgestellt, noch sei die Flucht des Rehs auf die Bundesstraße verhindert worden.

Die Beklagten beantragten die Abweisung dieses Klagebegehrens. Eine allfällige Haftung könne nur den Viertbeklagten als Jagdleiter treffen; der Erst-, Zweit-, Dritt-, Fünft- und Sechstbeklagte seien passiv nicht legitimiert. Auch den Jagdleiter treffe kein Verschulden, weil eine Kennzeichnung kleiner Treibjagden weder nach dem stmk JagdG noch nach den in der Steiermark üblichen jagdlichen Gepflogenheiten angezeigt sei.

Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er verspätet reagiert habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber dem Viertbeklagten statt und wies es gegenüber den übrigen Beklagten ab.

Es stellte neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß der Viertbeklagte, der bei der Jagd als Jagdleiter fungierte, die Genehmigung erteilt hatte, daß die Hunde geschnallt (von der Leine gelöst) werden und daß Vorsichtsmaßnahmen zur Sicherung des Straßenverkehrs nicht getroffen wurden. Es sei auch nicht vorhersehbar, in welche Richtung hochgemachtes Wild flüchte, insbesondere könne nicht davon ausgegangen werden, daß das hochgemachte Wild, vor allem wenn Hunde im Treiben frei stöbern, in die Richtung des Triebes flüchten.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß den Viertbeklagten das Verschulden an diesem Unfall treffe, weil er als Jagdleiter für die Absicherung des Straßenverkehrs verantwortlich gewesen sei. Die Bejagung des Maisfeldes hätte ohne Absicherung der Bundesstraße nicht durchgeführt werden dürfen. Eine Haftung der übrigen Mitglieder der Jagdgesellschaft verneinte das Erstgericht, weil sich dafür "im durchgeführten Verfahren keinerlei Grundlagen" ergeben hätten; ebenso wurde ein Mitverschulden des Klägers verneint.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und verpflichtete auch die übrigen Beklagten zum Ersatz des dem Kläger erwachsenen Schadens.

Es ging davon aus, daß es sich bei den Beklagten um sämtliche Mitglieder der Jagdgesellschaft handle. Eine Jagdgesellschaft sei als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes anzusehen. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Viertbeklagten stehe fest. Das schuldhafte Verhalten sei im Sinne der "Repräsentantenhaftung" auch der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, also der Jagdgesellschaft, zuzurechnen. Eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sei nicht möglich, weil die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes keine juristische Person darstelle. Ein geschädigter Dritter könne sich daher in Fällen deliktischer Schädigung, die der Gesellschaft zuzurechnen sei, auf eine ungeteilte Haftung der Gesellschaft (gemeint wohl: der Gesellschafter) stützen.

Eine Mithaftung des Klägers im Sinne des § 11 EKHG komme aufgrund des eindeutigen Verschuldens des Viertbeklagten nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Haftung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes für deliktisches Verhalten eines ihrer Mitglieder fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Erst-, Zweit-, Dritt-, Fünft- und Sechstbeklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision macht geltend, daß der Viertbeklagte nicht als Machthaber der Jagdgesellschaft angesehen werden könne, weil sich die Jagdleitung ausschließlich auf die an der Jagd teilnehmenden Personen, nicht aber auf die abwesenden Mitglieder der Jagdgesellschaft bezogen habe. Nach § 64 stmk JagdG sei eine Solidarhaftung der Mitglieder einer Jagdgesellschaft ausschließlich für die im Gesetz genau definierten Jagd- und Wildschäden, nicht aber für andere Schäden vorgesehen. Im übrigen sei der Kläger zur Mithaftung heranzuziehen, weil er den Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht erbracht habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Haftung von Mitgliedern einer Jagdgesellschaft für deliktisches Verhalten eines Jagdleiters keine Rechtsprechung vorhanden ist. Sie ist auch im Sinne des Eventualantragess berechtigt.

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft. Er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Zusammenschluß eigenberechtigter Personen zu einer Jagdgesellschaft (hier im Sinne des § 15 Abs 7 stmk JagdG 1986 LGBl 1986/23) als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zu beurteilen ist (vgl 1 Ob 506/95; NRsp 1994/244 für Jagdgesellschaften nach dem oö JagdG; EvBl 1962/514; VwGH-Sammlung 11.567 A; Binder, Jagdrecht 84). Einer solchen kommt keine Parteifähigkeit zu, weshalb die Gesellschafter als Prozeßparteien aufzutreten haben (NRsp 1994/244; Strasser in Rummel ABGB**2 Rz 28 zu § 1175 mwN).

Nach herrschender Ansicht kommt eine deliktische Haftung der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes jedenfalls nach Maßgabe des § 1315 ABGB in Betracht (vgl Welser in GeRZ 1979, 15 f). Darüberhinaus wird im Sinne der Allgemeinen Grundsätze betreffend die Haftung von juristischen Personen für ihre "Machthaber" (insbesondere für Geschäftsführer und leitende Angestellte) auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes eine Verantwortlichkeit für deliktisches Verhalten ihrer Repräsentanten angenommen (Jabornegg/Resch in Schwimann2 Rz 7 zu § 1203; Welser aaO, 16; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß5, 60; Strasser in Rummel2 Rz 7 zu §§ 1202 f). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind darunter alle Personen zu verstehen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für eine juristische Person bzw eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes ausüben (JBl 1978, 87; SZ 51/80; SZ 57/77; SZ 64/36). Demnach hat eine juristische Person bzw Gesellschaft bügerlichen Rechtes nicht nur für ihre durch ihre Verfassung vorgesehenen Organe (deliktisch) zu haften, sondern auch für Sondervertreter und für Personen mit gehobenem Wirkungskreis, die als Repräsentanten auftreten oder die eine leitende Stellung mit selbständigem Wirkungskreis innehaben (ZAS 1985, 24; Posch in Schwimann2 Rz 34 zu § 26). Dies bedeutet grundsätzlich, daß eine Jagdgesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes für deliktisches Verhalten ihrer Machthaber einzustehen hat.

Zu prüfen ist im konkreten Fall die Frage, ob ein für eine bestimmte Treibjagd eingesetzter Jagdleiter als Machthaber im Sinne der oben genannten Ausführungen anzusehen ist. Diese Frage kann hier noch nicht abschließend beantwortet werden.

Nach § 15 Abs 7 des stmk JagdG kann eine Jagdgesellschaft zur Pachtung einer Jagd zugelassen werden. Der Obmann oder der durch eine schriftliche Vollmacht legitimierte Bevollmächtigte einer Jagdgesellschaft hat dabei vor Beginn einer Versteigerung bzw bei der Bewerbung um eine freihändige Jagdvergabe einen schriftlichen, zwischen den Mitgliedern der Jagdgesellschaft abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag vorzuweisen, in dem alle Mitglieder mit Namen, Beruf und Wohnsitz anzuführen sind.

Aus dieser Bestimmung ist zunächst zu entnehmen, daß der Obmann oder der schriftlich Bevollmächtigte die Gesellschaft bei Abschluß des Pachtvertrages und wohl auch in der Folge nach außen vertritt und in diesem Fall als Machthaber anzusehen ist.

Die Funktion eines "Jagdleiters" wird im stmk JagdGesetz nicht umschrieben. Die Ausübung des Jagdrechtes steht zwar allen Gesellschaftern zu, doch ist der Bezeichnung "Jagdleiter" im Zweifel zu entnehmen, daß dieser die Verantwortung für eine konkrete Jagd trägt. Ob er auch als "Machthaber" bzw "leitender Angestellter" im Sinne der obigen Ausführungen anzusehen und sein Verhalten sohin der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zuzurechnen ist, hängt davon ab, in welcher Weise der Jagdleiter von den Gesellschaftern bestellt wurde und welche Vorgangsweise hiefür zwischen ihnen (ausdrücklich oder schlüssig) vereinbart wurde. Haben die Gesellschafter zur Ausübung ihrer Jagdrechte gemäß einer solchen Vereinbarung einen bestimmten Jagdleiter vorgesehen, dann wird dieser als Machthaber der Gesellschafter bei Ausübung einer konkreten Jagd anzusehen sein. Anderes muß aber gelten, wenn der Jagdleiter einer konkreten Jagd ohne Willen bzw Zustimmung der an der Jagd nicht teilnehmenden Gesellschafter als Jagdleiter fungierte. In diesem Fall könnte er nicht als Machthaber aller Gesellschafter, sondern nur jener, die an der Jagd teilnahmen und der Ausübung der Jagdleitung durch den Jagdleiter nicht widersprachen, angesehen werden.

Feststellungen dazu fehlen. Im fortgesetzten Verfahren wird daher zu prüfen sein, was die Gesellschafter über die Bestellung eines Jagdleiters vereinbart haben und in welcher Form der Viertbeklagte als Jagdleiter bestellt wurde. Hat der Viertbeklagte ohne Wissen und Zustimmung der an der Jagd nicht teilnehmenden Gesellschafter als Jagdleiter fungiert, kann er nur für die übrigen an der Jagd teilnehmenden Gesellschafter gehandelt haben, die seiner Jagdleitung offensichtlich zugestimmt haben.

Haben aber die Mitglieder der Jagdgesellschaft (entweder alle oder nur die an der Jagd teilnehmenden) für das Verhalten ihres Machthabers, in diesem Fall dem für die Treibjagd verantwortlichen Jagdleiter einzustehen, so ist Solidarhaftung anzunehmen (vgl dazu SZ 52/109; JBl 1982, 656; ZVR 1987/6; Jabornegg/Resch aaO; Strasser aaO; Welser aaO 18; Veit, Die zivilrechtliche Haftung bei Kraftfahrzeugunfällen durch Wild, ZVR 1958, 46 [47]).

Zutreffend haben die Vorinstanzen auch eine Mithaftung des Klägers verneint; hierauf wird gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO hingewiesen (vgl im übrigen Apathy, EKHG Rz 13, 14 zu § 9, Rz 22, 23 zu § 11).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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