OGH 2Ob237/50

OGH2Ob237/5022.11.1950

SZ 23/339

Normen

ABGB §564
ABGB §610
ABGB §614
ABGB §717
ABGB §757
ABGB §758
ABGB §1254
ABGB §564
ABGB §610
ABGB §614
ABGB §717
ABGB §757
ABGB §758
ABGB §1254

 

Spruch:

Verfügungen auf den Todesfall in einem Erbvertrag zugunsten Dritter sind frei widerruflich.

Entscheidung vom 22. November 1950, 2 Ob 237/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Josef B. und Rosa K. hatten mit Notariatsakt Ehepakte und einen Erbvertrag errichtet, in dem sie über ihr beiderseitiges gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden und auf den Todesfall vereinbarten. Die Braut brachte in die Gütergemeinschaft die von ihrem ersten verstorbenen Ehegatten stammende Liegenschaft EZ. 37 Grundbuch S. ein. Im Punkte Siebentens dieses Notariatsaktes bestimmte der Bräutigam, daß die Kinder seiner Braut aus erster Ehe geradeso nach ihm erben sollten, als wären sie seine ehelichen Kinder. Desgleichen legte er sich die Eigentumsbeschränkung auf, daß er seine Hälfte an der erwähnten Liegenschaft und die Hälfte seiner Braut, an der ihm das Übernahmsrecht im Falle ihres früheren Todes zustehen sollte, an keinen anderen Menschen als ein Kind aus erster Ehe übergeben und verkaufen dürfe. Die Brautleute verzichteten auch auf das ihnen nach den §§ 757 und 758 ABGB. zustehende gesetzliche Erbrecht und Vorausvermächtnis nach dem Nachlaß des Vorverstorbenen.

Rosa S. starb am 12. Dezember 1932 und hinterließ aus zweiter Ehe keine Kinder. Ihr Witwer anerkannte in einem Erbübereinkommen vom 26. April 1932 die im Notariatsakt vom 4. Jänner 1921 enthaltene Eigentumsbeschränkung und übernahm von den vier Kindern der Rosa S. die ihnen auf Grund des Gesetzes angefallenen Erbteile um den Betrag von je 2740 S. In den anläßlich seiner Wiederverehelichung mit Hermine K. vereinbarten Ehepakten wird auf die im Grundbuch einverleibte Eigentumsbeschränkung zugunsten der Stiefkinder aus seiner ersten Ehe Bezug genommen. Josef S. setzte in dem Testamente vom 8. April 1937 seine Gattin Hermine S. und seine Kinder aus der Ehe mit ihr zu Erben seines Vermögens ein, verpflichtete seine Gattin Hermine S., seinen Stiefkindern je 100 S nach seinem Tode auszubezahlen, und räumte diesen das Vorkaufsrecht an seiner Liegenschaft einschließlich des Inventars zu einem Kaufpreis von 60.000 S ein.

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 2. Juni 1946 verstorbenen Josef S. gaben die beklagten Parteien, nämlich seine Witwe und seine vier Kinder aus zweiter Ehe, die Erbserklärung zu seinem Nachlaß auf Grund des Testamentes vom 8. April 1937, seine Stiefkinder aus erster Ehe die Erbserklärung auf Grund der in den Ehepakten, zugleich Erbvertrag, vom 4. Jänner 1921, im Punkt Siebentens enthaltenen fideikommissarischen Substitution ab. Das Verlassenschaftsgericht wies die Stiefkinder an, die Erbrechtsklage gegen die erblasserische Witwe und deren Kinder einzubringen. Dem Kläger wurden von seinen Geschwistern deren Erbrechtsansprüche abgetreten. Er begehrt 1. die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der Liegenschaft EZ. 37 Grundbuch S. um den im Verlassenschaftsverfahren festgestellten Schätzwert von 24.292.78 S,

2. die Anerkennung, daß er auf Grund der Bestimmungen des Punktes Siebentens des Notariatsaktes vom 4. Jänner 1921 und des Erbübereinkommens vom 26. April 1932 wie ein eheliches Kind erbberechtigt sei, wobei die auf die übrigen Kinder der Rosa S. entfallenden Erbteile ihm zuzufallen hätten, sowie 3. die Feststellung, daß durch das Testament des Josef S. vom 8. April 1937 sein Erbrecht im oben beschriebenen Umfang (Punkt zwei) nicht erfaßt werde und dieses Testament bezüglich des auf ihn entfallenden Teiles des Verlassenschaftsvermögens wirkungslos sei.

Beide Unterinstanzen haben das Begehren des Klägers abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die vorliegende Klage wird als eine Erbrechtsklage bezeichnet. Bei dieser beschränkt sich das Begehren auf die Feststellung des Erbrechtes des Klägers. Ein solches Erbrecht des Klägers kann aber aus dem Notariatsakt nicht abgeleitet werden. Die Urkunde wurde von einem Notar verfaßt und es muß von vornherein vermutet werden, daß diesem die für die Einsetzung von Erben und Nacherben gebräuchlichen Redewendungen geläufig waren. Es ergibt sich auch aus dem übrigen Inhalte des Notariatsaktes kein Anhaltspunkt, daß es dem Urkundenverfasser etwa an den nach seinem Stande vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrung fehlte. Für eine Auslegung, die dem Wortlaut einen Sinn unterschiebt, der in ihm nicht zum Ausdrucke kommt, ist daher kein Raum. Die Verpflichtung des Josef S., die Liegenschaft nur seinen Stiefkindern zu verkaufen und zu übergeben, stellt keine Erbeinsetzung dieser Kinder dar.

Ein vertragsmäßiges Erbrecht stand dem Josef S. nur für den Fall des Todes seiner Braut ohne gesetzlich erbberechtigte Nachkommenschaft zu. Eine fideikommissarische Substitution hinsichtlich der Nachlaßhälfte nach Rosa S., die übrigens in der Verlassenschaft nach dieser geltend zu machen wäre, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Einsetzung zum Nacherben voraussetzt, daß der Vorerbe letztwillig berufen wird. Im Verlassenschaftsverfahren nach Rosa S. haben aber die Stiefkinder die Erbserklärung abgegeben, sie können also nicht mehr als Nacherben in Betracht kommen. Mit Recht haben die Untergerichte auch auf die Bestimmungen der §§ 564, 610,

2. Satz, 614 ABGB. verwiesen. Wie immer aber auch die Bestimmungen des Notariatsaktes ausgelegt werden, so handelt es sich um Verfügungen zugunsten Dritter auf den Todesfall, die, auch wenn sie in einen Erbvertrag aufgenommen sind, letztwillige Verfügungen, also frei widerruflich sind (arg. § 1254 ABGB. "zum Nachteile des Gatten ...", Klang, III, zu § 1249, S. 806, Ehrenzweig, II/2, S. 483). Soweit also in dem Punkte Siebentens des gegenständlichen Notariatsaktes letztwillige Verfügungen zu erblicken wären, wurden sie mit dem Testament vom 8. April 1937 abgeändert und widerrufen. Auf dieses Testament wurde aber die Klage nicht gestützt.

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