European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00229.15P.0525.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisonsrekurs werden gemäß § 508a Abs 2, § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1, § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Begehren des Klägers, soweit es aus seiner Mitgliedschaft beim beklagten Verein oder dessen Teilorganisationen resultiert, mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen und das davon unabhängige Feststellungsbegehren über die Haftung der Beklagten für alle Nachteile des Klägers aus der Kündigung des auf ihn anwendbaren Kollektivvertrags sowie das Eventualbegehren auf Feststellung der Haftung für alle dem Kläger aus der Tatsache erwachsenden Nachteile, dass er nach dem neuen Kollektivvertrag anderen Regelungen in Bezug auf Seniorität und Gehalt unterliegt als Piloten der „Mainline“, abgewiesen.
Weder der Revisionsrekurs noch die Revision wurden zugelassen, aber ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt.
Gegen beide Entscheidungen erhebt der Kläger Rechtsmittel, in beiden Fällen, ohne eine erhebliche Rechtsfrage darzulegen:
Rechtliche Beurteilung
I. Zum außerordentlichen Revisonsrekurs:
Die Vorinstanzen haben ausführlich § 8 VerG 2002 und die dazu ergangene Judikatur aufgezeigt.
Der Rechtsmittelwerber meint, dass im vorliegenden Fall iSd Entscheidung 7 Ob 2314/96m SZ 69/289 die Anrufung des Vereinsschiedsgerichts unzumutbar sei, weil kein nachvollziehbar einzuhaltender Instanzenzug vorgesehen sei. Das Statut der Beklagten lasse eine entsprechende Auslegung seines § 23b wegen dessen klaren Inhalts nicht zu.
Bereits die Vorinstanzen haben sich in ihren Entscheidungen allerdings auch auf § 19 Z 5 des Statuts der Beklagten gestützt. Nach dessen bereits vom Erstgericht auf S 6 seines Urteils wörtlich wiedergegebenem Inhalt hat jedes Mitglied die Pflicht, „bei Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis vor einer Anrufung der ordentlichen Gerichte die Streitfrage durch die gewerkschaftlichen Schiedskommissionen (§ 23e Geschäftsordnungen der Gewerkschaften) entscheiden zu lassen“.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine der gerichtlichen Geltendmachung vorangehende vereinsinterne Anspruchsstellung möglich und zumutbar ist, ist daher jedenfalls vertretbar.
Auch aus dem weiteren Vorbringen, dass der Kläger „denselben Feststellungsanspruch auf zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse“ stütze, deren Grundlagen – zumindest teilweise – deckungsgleich seien, ist nichts zu gewinnen, weil nach der neueren Rechtsprechung in einem solchen Fall „kumulierter Klagenhäufung“ bei Unzuständigkeit für einen Anspruch mit Teilzurückweisung vorzugehen ist (RIS‑Justiz RS0128366, RS0037814, 4 Ob 154/12v SZ 2012/106; zu einer Schiedsvereinbarung: 4 Ob 80/08f SZ 2008/112).
II. Zur außerordentlichen Revision:
Der Revisionswerber, der ausdrücklich nur die Stattgebung seines (in der Streitverhandlung vom 12. 1. 2015 = ON 13 neu formulierten) Hauptbegehrens anstrebt, meint, hier sei – im Gegensatz zur Entscheidung 8 ObA 19/06m – die Altbelegschaft auf Kosten der Neubelegschaft bevorzugt worden. Die Kollektivvertragsverhandler auf Beklagtenseite seien überwiegend Mitarbeiter eines der beiden Unternehmen gewesen. Sie hätten ihre Privilegien auf Kosten der unterrepräsentierten Mitglieder des anderen Unternehmens aufrechtzuerhalten gesucht. Dadurch sei der Kläger in drei Positionen schlechter gestellt worden, nämlich bei der Regelung der Seniorität, die Piloten der „Mainline“ gegenüber jenen der „Regional‑Line“ bevorzuge, beim Gehaltsverlauf (ausgehend vom bereits geringeren Gehalt der Piloten der „Regional‑Line“ sei deren Gehalt dennoch im gleichen Prozentsatz wie jenes der Piloten der „Mainline“ gekürzt worden) und bei den Regelungen im Falle des Lizenzverlustes. Auch komme es auf einen Schädigungswillen nicht an, sondern genüge die willkürliche und unsachliche Differenzierung zum Überschreiten des Gestaltungsspielraums der Kollektivvertragspartei.
Bereits die Vorinstanzen haben auf den nach der Judikatur bestehenden großen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien hingewiesen. Kollektivvertragliche Rechtsansprüche können demnach sowohl verbessert als auch verschlechtert werden. Die Gestaltungsfreiheit der Kollektivvertragsparteien findet ihre Schranke erst in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, wie dem Gleichheitsgrundsatz, und in der Konkretisierung der Generalklausel des § 879 ABGB (RIS‑Justiz RS0038552, RS0018063, RS0038765; 9 ObA 7/96 SZ 69/31, 9 ObA 125/98f SZ 71/122).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sowie der Entscheidung 8 ObA 19/06m, wonach die möglichst weitgehende Wahrung der der Stammbelegschaft zustehenden Rechte als zulässiges Regelungsziel der Kollektivvertragsparteien anzusehen ist und die Wahrung eines höheren Gehalts der Stammbelegschaft keinen „Exzess“ des Gestaltungsermessens bewirkt, zu dem Ergebnis kam, dass hier der Gestaltungsspielraum ebenfalls nicht überschritten wurde, hält sich im Rahmen dieser Judikatur.
Dass hier aber der neue Kollektivvertrag die Belegschaft der „Mainline“ im Gegensatz zur Entscheidung 8 ObA 19/06m auf Kosten jener der „Regional‑Line“ absichere, ist aus den Ausführungen des Klägers nicht abzuleiten, betraf die Gehaltsreduktion doch sämtliche Piloten und behauptet der Kläger auch nicht, dass die – ohnehin nicht vom Feststellungsbegehren umfasste – Änderung der Gehaltsansprüche für den Fall des Lizenzverlustes nur die Piloten der „Regional‑Line“ betroffen hätte. Auch die Unterlassung eines „merger by date“ bei der Senioritätseinstufung der Piloten, sondern deren separate Einstufung nach bisheriger „Line“‑Zugehörigkeit verschlechtert per se die Position des Klägers im Vergleich zur Lage davor nicht, sondern verwehrt ihm allenfalls einen sonst möglichen Vorteil. Dass dieser Vorteil als entgangener Gewinn zu werten wäre, weil er bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge ansonsten, also ohne die Kündigung des alten und Einführung des neuen Kollektivvertrags, ohnehin eingetreten wäre (vgl RIS‑Justiz RS0111898), behauptet aber selbst der Kläger nicht.
Da die vom Kläger erhobenen Feststellungsansprüche weiters reine Vermögensschäden betreffen, denen kein absoluter Schutz zukommt (RIS‑Justiz RS0022462), und die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich das Vorgehen der Kollektivvertragsparteien konkret im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit gehalten hat, zumindest vertretbar ist, ist auch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens nicht nachgewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0023122), und somit in der Abweisung des Begehrens durch die Vorinstanzen auch unter diesem Gesichtspunkt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken.
Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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