Spruch:
Die Vererblichkeit von Schmerzensgeldansprüchen nach § 1325 ABGB und nach dem EKHG ist unterschiedlich zu beurteilen; nur Schmerzensgeldansprüche nach letzterer Bestimmung sind vererblich
OGH 3. März 1981, 2 Ob 224/80 (OLG Innsbruck 2 R 196/80; LG Innsbruck 7 Cg 117/78)
Text
Am 16. April 1977 wurde Sebastian F, der Ehegatte der Klägerin, bei einem Verkehrsunfall verletzt, den der Erstbeklagte als Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten LKW-Zuges mitverschuldet hatte. Sebastian F verstarb am 14. September 1977 an den Unfallsfolgen. Die Klägerin begehrte mit ihrer erst nach diesem Zeitpunkt eingebrachten Klage als Erbin nach ihrem verstorbenen Gatten unter anderem den Zuspruch von Schmerzensgeld, auf das ihr verstorbener Gatte Anspruch gehabt habe.
Beide Vorinstanzen verurteilten die Beklagten, den schuldtragenden Kraftfahrer und den Haftpflichtversicherer, zur ungeteilten Hand u.
a. zur Zahlung von Schmerzensgeld an die Klägerin.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Erstbeklagten Folge und änderte die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin ab, daß er das gegen den Erstbeklagten gerichtete Schmerzensgeldbegehren abwies.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge das Gericht den Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen hat, muß berücksichtigt werden, daß das Begehren auf Bezahlung von Schmerzensgeld nicht vom Verletzten selbst geltend gemacht wurde, sondern erst nach dessen Tod von seiner Erbin. Es ist daher zu erörtern, ob Schmerzensgeldansprüche vererblich sind. Soweit solche Ansprüche aus dem EKHG abgeleitet werden können, kann dies nicht zweifelhaft sein (vgl. ZVR 1977/166). Der (an diesem Verfahren nicht beteiligte) Halter haftet daher für Schmerzensgeldansprüche, auch wenn sie erst nach dem Tode des Verletzten geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für den Haftpflichtversicherer, gegen den gemäß § 63 KFG der Geschädigte den ihm gegen den Halter zustehenden Schadenersatzanspruch geltend machen kann.
Der Erstbeklagte war hingegen nur Lenker des LKW-Zuges. Eine Haftung nach dem EKHG trifft ihn daher nicht, sondern nur eine solche auf Grund seines Verschuldens gemäß § 1325 ABGB. Da das Schmerzensgeld nach dieser Gesetzesstelle nur "auf Verlangen" zu ersetzen ist, handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen höchstpersönlichen Anspruch, der nur dann vererblich ist, wenn er noch zu Lebzeiten des Verletzten durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder bereits gerichtlich geltend gemacht wurde (JB 204 alt; SZ 19/293; SZ 19/336; ZVR 1964/134 u. v. a.). Den gegen diese Ansicht von der Lehre (zuletzt Jelinek in JBl. 1977, 1 ff.) vorgebrachten Argumenten schließt sich der OGH nicht an. Die EKHG-Novelle 1968 kann zu einer Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich eines auf § 1325 ABGB beruhenden Schmerzensgeldbegehrens nicht führen. Dies nicht nur wegen der unterschiedlichen Textierung (die Worte "auf Verlangen" sind im EKHG nicht enthalten), sondern auch wegen der in den Erläuternden Bemerkungen vertretenen Meinung, für den Bereich des EKHG solle nicht die Rechtsprechung (zu § 1325 ABGB) hinsichtlich Entstehung und Vererblichkeit übernommen werden. Der Gesetzgeber hat also bewußt eine vom ABGB abweichende Regelung getroffen. (Zu den übrigen Argumenten Jelineks vgl. Jarosch - Müller - Piegler, Das Schmerzengeld[4], 143 ff.). Aus diesen Gründen haftet der Erstbeklagte nicht für den Schmerzensgeldanspruch, weshalb dieses Begehren, soweit es gegen ihn gerichtet ist, abzuweisen war.
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