European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00212.18T.0429.000
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Europäischen Gerichtshof wird zurückgewiesen.
3. Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Begründung:
Die klagende Partei begehrt den Klagsbetrag als Provision für die Vermittlung des Ankaufs eines Hotels in Wien durch vom Beklagten kontrollierte Gesellschaften. Der Beklagte wandte die mangelnde internationale Zuständigkeit ein. Er habe seinen Wohnsitz in ***** und keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
1. Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus. Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf und ist daher zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
2. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen, sodass auch der entsprechende Antrag des Klägers zurückzuweisen ist (3 Ob 250/18p; 2 Ob 143/16t; RS0058452). Die vom Kläger formulierten Fragen zur Auslegung des Art 7 der EuGVVO erübrigen sich schon deshalb, weil die dort geregelten Gerichtsstände nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur anwendbar sind, wenn der Beklagte seinen Sitz in einem (anderen) Mitgliedstaat hat (Czernich in Czernich/Kodek/Mayr,Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 Art 7 Rz 2).
3. In ihrem eventualiter gestellten Ordinationsantrag brachte die klagende Partei vor, die Rechtsverfolgung gegen den Beklagten in Russland sei unzumutbar, weil die russische Zivilprozessordnung keine Zustellfiktion, etwa durch Hinterlegung am Wohnsitz, kenne und der Beklagte diesen Umstand jahrelang erfolgreich im gegenständlichen Verfahren ausgenützt habe. Die klagende Partei könne die Ladung der in Österreich ansässigen Zeugen vor ein russisches Gericht nicht erzwingen. Die russischen Gerichte würden sich aller Voraussicht nach für unzuständig erklären, weil mit Ausnahme des Beklagten kein Konnex des Falls zu Russland gegeben sei. Die klagende Partei würde in Russland aber auch keine Verfahrenshilfe erhalten, auf die sie angewiesen sei. Das würde den im russischen Zivilprozessrecht geforderten Nachweis des anzuwendenden österreichischen Rechts durch Gutachten erschweren. Mangels Nachweises innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs Monaten käme russisches Recht zur Anwendung, das keine vergleichbare Rechtsprechung und Grundlage zum Maklerrecht enthalte.
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
3.1 Entscheidet der Oberste Gerichtshof – wie im vorliegenden Fall – im Zusammenhang mit der Behandlung eines Rechtsmittels über einen Eventualantrag auf Ordination, so hat dies in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu geschehen (RS0124243).
3.2 Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt eine Ordination nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
Diese Bestimmung soll die Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (2 Ob 32/08g). Gemäß § 28 Abs 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu behaupten und zu bescheinigen (RS0124087).
3.3 Die Russische Föderation hat erklärt, sich weiterhin an das Übereinkommen betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (HPÜ 1954, BGBl 1957/91) gebunden zu erachten (vgl BGBl 1993/364). Mit Notenwechsel (Schreiben des österreichischen Außenministers vom 15. 6. 1993; BGBl 1994/257) ist zwischen Österreich und der Russischen Föderation ferner geklärt worden, dass der mit der ehemaligen Union der sozialistischen Sowjetrepubliken abgeschlossene Rechtshilfevertrag weiter angewendet wird (1 Ob 41/18p; 6 Ob 190/05t).
Gemäß diesem Abkommen haben die Staatsangehörigen jedes der vertragsschließenden Teile auf dem Gebiet des anderen vertragsschließenden Teils freien Zugang zu den Gerichten und können vor diesen zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses vertragsschließenden Teils auftreten. Unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit sind sie von der Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit. Diese Vertragsbestimmung schließt in der Regel die Annahme aus, dass der klagenden Partei die Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation nicht möglich oder unzumutbar wäre (6 Ob 190/05t; 10 Nd 510/01; 5 Nd 501/98; RS0109288).
3.4 Die bloßen Behauptungen, ein russisches Gericht würde sich „aller Voraussicht nach“ für unzuständig erklären, die klagende Partei würde in der Russischen Föderation auch keine Verfahrenshilfe erhalten und es würde nachteiliges ausländisches Recht angewendet werden, reichen nicht aus, um mangels Offenkundigkeit der Richtigkeit dieser Behauptungen die im § 28 Abs 4 JN geforderte Bescheinigung zu ersetzen. Die klagende Partei hätte die Umstände, die dem vorgenannten Regelfall, dass eine Rechtsverfolgung in der Russischen Föderation nicht unmöglich oder unzumutbar ist, entgegenstehen, im Sinne des § 28 Abs 4 JN zu bescheinigen gehabt (10 Nd 510/01; vgl 3 Nc 8/10x; 3 Nc 4/04z; 3 Nc 104/02b; 7 Nd 509/86 IPRE 2/222). Aus den vorgelegten Urkunden ergeben sich diese jedoch nicht. Die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Recht der Russischen Föderation ist als Bescheinigungsmittel nicht geeignet (vgl RS0005474).
3.5 Eine günstigere oder ungünstigere materielle Rechtslage allein kann im Übrigen nicht die Begründung einer ansonsten nicht gegebenen inländischen Gerichtsbarkeit bewirken (RS0117751). Dies gilt auch, wenn die ausländische Verfahrensordnung von der inländischen abweicht (vgl 3 Nc 9/10v; Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 78) oder die Rechtsverfolgung im Ausland aufgrund der Anwendbarkeit des ausländischen Verfahrensrechts faktisch schwieriger ist (vgl 7 Nd 509/86 IPRE 2/222; Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 78). Weshalb die Zustellung einer Klage bei Prozessführung in der Russischen Föderation komplizierter wäre als die Zustellung einer bei einem inländischen Gericht eingebrachten Klage im Rechtshilfeweg, ist überdies nicht erkennbar. Die Behauptung, die russische Zivilprozessordnung kenne keine Zustellfiktion, etwa durch Hinterlegung am Wohnsitz, widerspricht dem eigenen Prozessstandpunkt der klagenden Partei in ihrem Rekurs vom 16. 1. 2017 (ON 46) und der dazu als Bescheinigungsmittel vorgelegten Auskunft einer russischen Rechtsanwältin (Beilage ./1 zum Rekurs). Auch der Umstand, dass der Beklagte die in Österreich eingebrachte Klage in Russland nicht freiwillig übernommen hat und diese in Österreich erst anlässlich einer Einvernahme des Beklagten bei einer anderen Behörde zugestellt werden konnte, vermag die ansonsten nicht gegebene inländische Gerichtsbarkeit nicht zu begründen.
3.6 Die klagende Partei hat nicht vorgebracht, warum die Einvernahme der in Österreich ansässigen Zeugen nicht im Rechtshilfeweg vor einem österreichischen Gericht möglich sein sollte (vgl Art 8 bis 16 HPÜ 1954).
3.7 Der Ordinationsantrag ist daher abzuweisen.
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