OGH 2Ob205/10a

OGH2Ob205/10a10.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Prokop, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, wegen 16.522,80 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Juni 2010, GZ 4 R 25/10s-66, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 27. Oktober 2009, GZ 4 Cg 160/06i-61, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Dezember 2009, GZ 4 Cg 160/06i-63, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die klagende Partei erwarb von der beklagten Partei im August/September 2003 einen gebrauchten Mikrohärteprüfer um einen Kaufpreis von 16.522,80 EUR. Sie benötigt ein solches Gerät (ua) zur Härteprüfung von Testobjekten oder zur Feststellung der Ursache von Beschädigungen an Proben, die sie von ihren Kunden zur Untersuchung erhält. An dem Gerät, das am 3. 10. 2003 übergeben wurde, traten erstmals zwischen 4. 3. und 1. 4. 2004, dann erneut im September 2004, im März 2005, Ende August/Anfang September 2005 und am 23. 12. 2005 Probleme auf, die exakte Messungen erschwerten oder verhinderten und die Gefahr in sich bargen, dass die zu untersuchenden, mitunter wertvollen Proben zerkratzt werden könnten. Die ersten drei der insgesamt vier Mängelbehebungsversuche der beklagten Partei führten immer nur vorübergehend zu einem einwandfreien Funktionieren des Geräts. In den Phasen der fehlenden Einsatzbereitschaft musste die klagende Partei jeweils kurzfristig auf externe Geräte ausweichen. Nach der letzten Reparatur zeigte das Gerät jedoch falsche Werte an. Daraufhin erklärte die klagende Partei mit Schreiben vom 24. 4. 2006, dass sie die Wandlung begehre. Die beklagte Partei lehnte die Wandlung ab und erklärte, weiterhin zur Verbesserung bereit zu sein. Seit 23. 5. 2006 wird das Gerät nicht mehr benützt.

Die von der beklagten Partei bei ihren zahlreichen Verbesserungsversuchen und auch im Werk des Herstellers nicht erkannte alleinige Ursache für die immer wieder auftretenden Probleme lag in einem Justagemangel, der bereits bei der Übergabe des Geräts vorhanden war. Dieser Mangel führte zu Fehlfunktionen des Indenterstifts und zur Beschädigung von Geräteteilen (Blattfedern), die ihrerseits für doppelte Druckstellen in den Werkstücken und das Zerkratzen von Proben sorgten. In Kenntnis des Mangels hätte die klagende Partei das Gerät nicht gekauft, wovon auch die beklagte Partei ausgeht. Die Behebung des Mangels wäre innerhalb einer Stunde, also mit sehr geringem (zeitlichem) Aufwand durch Nachjustieren möglich. Im März 2008 schaffte sich die klagende Partei ein neues Härteprüfgerät an. Die beklagte Partei könnte das Gerät im eigenen Labor nutzen oder weiterverkaufen, wofür sie noch zwischen 2.000 EUR und 2.500 EUR erhalten würde. Der jährliche Wertverlust des Geräts beträgt ca 6 bis 7 %.

Die klagende Partei begehrte mit der am 27. 6. 2006 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Geräts.

Die beklagte Partei wandte das Vorliegen von Bedienungsfehlern, verspätete Mängelrüge, die Zumutbarkeit weiterer Verbesserung und aufrechnungsweise auch eine auf den Ersatz von Benützungsentgelt gerichtete Gegenforderung ein. Das Wandlungsbegehren sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der durch den Sachverständigen festgestellte Mangel mit geringem Aufwand behebbar sei.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung zur Gänze, die Gegenforderung mit 500 EUR als zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren im Umfang von 16.022,80 EUR sA statt. Es stützte sich im Wesentlichen auf den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt und erörterte rechtlich, dass die klagende Partei keine weiteren Verbesserungsversuche zulassen müsse, um einen der Sekundärbehelfe (Preisminderung oder Wandlung) geltend machen zu können. Die - anhand verschiedener Kriterien durchgeführte - Verhältnismäßigkeitsprüfung führe zu dem Ergebnis, dass der Mangel nicht geringfügig und die klagende Partei daher zur Wandlung berechtigt sei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung nur dahin ab, dass es die Gegenforderung mit 2.000 EUR als zu Recht bestehend erkannte, wodurch sich der Zuspruch an die klagende Partei auf 14.522,80 EUR sA verringerte. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Zur Frage der Geringfügigkeit des Mangels führte das Berufungsgericht aus, der Oberste Gerichtshof habe bereits in Fällen des Auftretens von Mängeln, die zugesicherte Eigenschaften betroffen hätten, der (geringen) Höhe allfälliger Behebungskosten weniger Gewicht zugemessen und das Abweichen von klar erkennbaren Vorstellungen des Käufers als entscheidend für eine Wandlung angesehen. Daraus sei allgemein zu schließen, dass bei Vornahme der Interessenabwägung zur Beurteilung der sekundären Gewährleistungsbehelfe der Schwere des Mangels mehr Bedeutung zukomme als den Behebungskosten. Bei mehrfach fehlgeschlagenen Verbesserungsversuchen erscheine es deshalb sachgerecht, den Übernehmer selbst dann nicht zum Festhalten an einem Vertrag zu verpflichten, wenn - wie hier - tatsächlich eine Verbesserung mit geringem Aufwand möglich wäre, deren Scheitern aber auf das Unvermögen des Verkäufers zurückzuführen sei. Bei einem nicht justierten und damit nicht objektiven Prüfgerät, das Proben überdies beschädige, liege ein schwerer Mangel vor. Das habe auch für ein gebrauchtes Gerät zu gelten, denn auch bei diesem dürfe der Käufer die Funktionstüchtigkeit erwarten. Da die beklagte Partei nach den Feststellungen das Gerät selbst verwenden könne, sei auch der Aspekt eines Weiterverkaufs zu einem wesentlich geringeren Preis nicht ausschlaggebend. Die erstgerichtliche Interessenabwägung sei daher nicht zu beanstanden, ein bloß geringfügiger Mangel liege nicht vor.

Das Berufungsgericht begründete seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, dass zur Frage der Relevanz der Behebbarkeit des Mangels und der Höhe der Behebungskosten bei der Abgrenzung zwischen geringfügigem und nicht geringfügigem Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere. In der Entscheidung 10 Ob 108/07s sei diese Frage offen gelassen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch im Rechtsmittel der beklagten Partei wird eine derartige Rechtsfrage dargetan:

1. Die beklagte Partei zieht in ihrem Rechtsmittel nicht mehr in Zweifel, dass die klagende Partei nach Misslingen der zahlreichen Verbesserungsversuche das Recht auf Inanspruchnahme eines der beiden Sekundärbehelfe hat. Nach § 932 Abs 4 ABGB steht dem Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung zu. Das Wandlungsrecht hängt damit von der Einordnung des Mangels als „nicht geringfügig“ ab.

Nach der durch die Leitentscheidung 1 Ob 14/05y = SZ 2005/82 begründeten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beurteilung, ob ein Mangel als geringfügig anzusehen ist oder nicht, anhand einer Interessenabwägung durchzuführen, bei der sowohl die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Aufhebung des Vertrags im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die Parteien, als auch die „Schwere“ des Mangels zu berücksichtigen ist (3 Ob 202/10t mwN; vgl RIS-Justiz RS0119978). Dabei ist auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls abzustellen, sodass die Beurteilung der Erheblichkeit bzw Geringfügigkeit des Mangels in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (6 Ob 26/11h).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass die Behebbarkeit des Mangels und ein allfälliger geringer Behebungsaufwand für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Mangels nicht allein ausschlaggebend sind (vgl 7 Ob 239/05f; 7 Ob 194/05p; 10 Ob 108/07s; 3 Ob 202/10t). Der Behebbarkeit und dem Behebungsaufwand kommen danach nur im Rahmen der Interessenabwägung Bedeutung zu.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen unter Berücksichtigung mehrerer von Lehre und Rechtsprechung entwickelter subjektiver und objektiver Abgrenzungskriterien eine Interessenabwägung vorgenommen, in die auch die Behebbarkeit des Mangels und der geringe (zeitliche) Behebungsaufwand einbezogen worden sind. Dass das Berufungsgericht im Hinblick auf die zunächst nur temporäre, zuletzt aber - nach mehreren Verbesserungsversuchen - völlige Unbrauchbarkeit eines an sich auf höchste Präzision ausgerichteten Prüfgeräts (das falsche Werte lieferte) das Vorliegen eines „schweren“ Mangels annahm, steht mit der erörterten Rechtsprechung durchaus im Einklang (vgl 6 Ob 143/07h [Unbenützbarkeit eines Kachelofens]; 3 Ob 202/10t [Unbenützbarkeit eines Fertigteilhauses]). Eine gravierende Fehlbeurteilung, die zu einem korrigierenden Eingreifen des Obersten Gerichtshofs Anlass geben müsste, ist dem Berufungsgericht jedenfalls nicht unterlaufen, wenn es die Geringfügigkeit des Mangels verneinte.

3. Da eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen war, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Erhöhungsbeitrag (§ 23a RATG) beträgt lediglich 1,80 EUR.

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